Hanswerners BERLINALE Tagebuch (7)
Hanswerner Kruse
Berlin (Weltexpresso) - Berlinale Halbzeit: Gegen Abend sitze ich vor dem Bücherkaufhaus Dussmann, in dem ich mir den Roman „Transit“ von Anna Seghers gekauft habe. Er diente Christian Petzold als Anregung für seinen Wettbewerbsbeitrag „Transit“, den er ausdrücklich „keine Verfilmung“ nannte, sondern „einen Blick aus der Gegenwart auf die Vergangenheit.“
Ein Straßendichter, ein „support poetry“, schreibt mir vor Dussmann ein langes Gedicht über mein Thema Berlinale. Ich sitze in der Kälte und höre: „...im Schellengewand seht mich an / die Wand ist Kamera...“
Ein Moment der Ruhe!
Es ist der Tag, an dem ich morgens das unter die Haut gehende norwegische Drama „Utøya“ sah und mittags drei berührende Tage im Leben Romy Schneiders („3 Tage in Quiberon“).
Ich war auf einer Pressekonferenz mit Daniel Brühl - und anderen - zum Terroristendrama „7 Days in Entebbe“. Am Ende des Tages war ich beim Foto Call zu „The Game Changers“. Fotografieren durfte ich nur aus der zweiten Reihe, weil mein Presse-Badge als Zulassung nicht reicht. Patrik, den ich neulich interviewte, demonstrierte live, wie stark Pflanzennahrung macht und hob vier Filmleute hoch.
Im Gegensatz zu anderen Kollegen bin ich von den bisherigen Wettbewerbsbeiträgen - bis auf zwei, drei Ausnahmen - ziemlich begeistert. Da ich schon vor dem Festival so viele Streifen sehen konnte, fühle ich mich nicht getrieben. Dadurch habe ich nicht das Gefühl, ständig wichtige Filme zu verpassen, die parallel zum Wettbewerb laufen. Was mich bei der Berlinale neben der Traumzeit in den Kinos so fasziniert, sind die vielen Gespräche oder Dispute beim Warten.
Wir Presseleute warten unaufhörlich in Schlangen, in Kinos, in Pressekonferenzen - und ich streite dabei gerne mit Kolleginnen und Kollegen über Filme oder rede mit Kinoeinkäufern, Dolmetscherinnen, Filmstudenten, Serviceleuten... Dieses „kommunikative Rahmenprogramm“ des Festivals werde ich vermissen.
Foto:
support poetry © Hanswerner Kruse