berl18 touch21Der Wettbewerb der 68. Berlinale vom 15. bis 25. Februar, Film 21

Claudia Schulmerich

Berlin (Weltexpresso) –  Schwierig über einen Film zu sprechen, der von den Mitspielenden als persönlicher Heilungsprozeß beschrieben wird – und ehrlich gesagt, vom Zuschauer auch genauso empfunden wird. Dazu paßt, daß bei der Rubrik „Darsteller“ nur die Namen der Schauspieler stehen, aber keine Rollen, die sie verkörpern. Also spielen sich die Leute selbst? Ja und nein.

Denn die Regisseurin Adina Pintillie hatte schon ihre Vorstellungen und auch ein Konzept. Wahrnehmbar ist das im Film nur, weil die Regisseurin im Film als Regisseurin mitspielt, anregende Hinweise gibt, sozusagen die Oberaufsicht darstellt. Allerdings eine gewährende, doch eher die Mutter der Kompanie, als die sie dann von ihren Figuren/Schauspielern auf dem Podium der Pressekonferenz bezeichnet wird, die ihr alle für ihre persönliche Veränderung durch die Dreharbeiten danken. Von den Figuren im Film kommt einem eigentlich auch nur die Hauptfigur als Schauspielerin vor, Laura Benson, die aber eben nicht persönlich ‚Laura‘ ist, auch wenn sie im Film so heißt, und dann in der Pressekonferenz ganz deutlich sagt: „Adina weiß von mir privat fast gar nichts. Wir haben zusammen gearbeitet.“

Der Zuschauer aber kann gar nicht unterscheiden, was hier eine gespielte Rolle ist und wo diejenigen, die halt mitspielen, diese Auftritte als therapeutischen Prozeß erleben, als persönliche Erfahrungen werten und ein privates Verhalten zeigen , was sich zum Teil auch auf der anschließenden Pressekonferenz zeigt. Das hebelt herkömmliche Filmkritik aus – und eine andere gibt es nicht. Entweder werden konstruierte Filme gezeigt und man setzt sich mit ihnen auseinander oder in Dokumentarfilmen werden spezielle Lebensformen vorgeführt, aber ein Film, in dem beispielsweise alle Darsteller in einen Sado-Maso-Club gehen, weil diese Gruppenerfahrung ihnen etwas bringe – da sind wir beim selben Problem. War das für das Schauspielern nötig, nötig für die Filmhandlung oder für die bedürftigen Menschen, die sie im Film darstellen und die eben immer als die Privatpersonen aufscheinen, nicht als Rollenträger.

Handlung? Doch da geht immer etwas weiter und grob kann man zusammenfassen, was zwar stimmt, aber gleichzeitig ist alles ganz anders. Also Laura hat ein Körperproblem. Sie mag sich nicht anfassen lassen. Mein Gott, wie gut kann man das verstehen, wenn man die Männer in diesem Film ansieht. Sie will sich also nicht anfassen lassen. Das versucht sie nun mit Gewalt zu ändern. Es tut mir körperlich weh, wenn die Frau sich zwingt, angefangen mit einem Callboy, in ständige Anfaßsituationen zu geraten. Beim letzen Therapeuten kann sie ihre Wut, ihren Abscheu, ihren ganzen Widerstand, die Widerlichkeit herausschreien – und kann sich in den Arm nehmen lassen. Das ist einerseits Klippsychologie, aber im Kern etwas viel Schlimmeres. Denn der Film suggeriert, als ob es für jeden von uns das Höchste wäre, von jedem angefaßt zu werden.

Als ob derjenige, der unter persönlicher Integrität eben auch seine körperliche Unversehrtheit versteht, der sich nicht von Hinz und Kunz betatschen lassen möchte, sondern selber aussuchen will, von dem er gerne angefaßt werden möchte und von wem nicht, als ob der eine psychische Störung hätte, die man nur durch Handauflegen heilen kann. Den Teufel mit dem Belzebub austreiben. Meine Güte, eine so reaktionäre, antiliberale Verhaltenstherapie, die hier als Film auf der Berlinale im Wettbewerb auftaucht, war aber lange nicht zu sehen. Und man braucht so etwas auch nicht.

Noch einmal: Nichts dagegen, sogar alles dafür, wenn Selbsthilfegruppen mit Hilfe von Kamera und Sich zur Schau Stellen Therapie betreiben und auch nichts dagegen, daß sie für sich einen Film darüber drehen, fertigstellen und anschauen. Aber darf ich gezwungen werden, dies anzuschauen? Dieses Konglomerat aus Fiktion und Erfahrung ist zutiefst unehrlich, hilft vielleicht den beteiligten Menschen, aber ist für unbeteiligte Dritte in vielen Phasen des Films einfach eine Zumutung.

Der Film ist übergriffig und stellt ununterbrochen Übergriffiges dar. Und er müßte eindeutig heißen: "TOUCH ME!!!", denn das fordert er ein. Dann kommt es zu solchen – ebenfalls – übergriffigen Journalistenfragen an Laura Bengson, ausgerechnet an die, die sich als einzige als Rollenträgerin und nicht Privatperson bezeichnet hatte: „Laura sieht so verloren aus in ihrem Körper. Faß mich nicht an...“ und der Frage, ob sie selber auch so sei und sie nicht eine Therapie machen könne.

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