f ausgebranntSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 8. März 2018, Teil 6

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Die Filmidee ist auch schön schräg, aber das eigentliche Ereignis dieses Films ist die Hauptdarstellerin Lina Beckmann, die die Luisa darstellt, die dann auch als Ann ein zweites Mal aufersteht, regelrecht geklont. Und wie sie das macht, wie sie uns Zuschauer erst einmal eher vor den Kopf stößt und dann mit ihrer Schauspielkunst regelrecht einwickelt, das ist hohe Kunst.

Zuerst einmal finden wir diese Luisa doch etwas merkwürdig. Sie ist ständig unterwegs, LOLA RENNT ist nichts dagegen. Sie hat ja auch ein gewaltiges Programm zu absolvieren und will immer perfekt sein. Sie lebt mit ihrem Mann Richard (Charly Hübner) in einem Ausstellungshaus, in das also immer wieder Fremde kommen, weshalb es immer aufgeräumt sein muß. Er ist Makler, für den das Private nicht politisch ist, sondern und daß sie eine Paartherapeutin ist, hätte man auch nicht gedacht, denn sie könnte ihre eigene und wichtigste Patientin sein. Doch ihr Streß und gleichzeitig auch ihre Stressbewältigung, die hat mit dem Chef ihres Mannes zu tun, mit Leopold (Benno Fürmann), der ihr Liebhaber ist – und nicht nur das, zunehmend füllt er nicht nur die erotische Lücke, die Ehemann Richard inzwischen läßt, sondern gefällt ihr so gut, daß sie zum einen unvorsichtig wird und zum anderen, immer mehr, mehr, mehr will.

Darum freut sie sich auch wie verrückt – und Lina Beckmann zeigt ihre Gefühle in einer so ausgesprochenen Körpersprache, die lange im Gedächtnis bleibt, weil sie unverkrampft und vor guter Laune sprühend, nie danach schielt, wie sie wohl auf der Leinwand wirkt, sondern einfach ist. Sie freut sich also wie verrückt auf das geplante Wochenende mit Leopold im Süden, aber – und hier setzt der Film ein – Hausmann Richard, ein ungelenker Mensch, hat sich bei den Gartenarbeiten einen Hexenschuss zugezogen. Kennen Sie das? Wenn ja, dann wissen Sie, wie schmerzhaft das ist – und so ist klar, daß Richard in dem Zustand auf keinen Fall zum angesagten Klassentreffen wegfahren kann, denn genau das war ja der Grund, weswegen sie ihr Liebeswochenende plante.

Viel zu viel Worte, im Film geht das viel schneller, denn das, was die Psychoanalyse eine Wunscherfüllung nennt, das passiert vor unseren Augen. Luisa wacht morgens auf und sieht sich selbst, eine Zweitausfertigung, die sie Ann nennt, die sie zuerst für einen Wachtraum hält, dann aber mehr und mehr merkt, daß es ein Geschöpf aus Fleisch und Blut ist. Nur ist sie nicht so clever, eben auch nicht so schnell wie Luisa selbst. Die war zuerst irritiert, wollte kein zweites Ich, aber sofort fällt ihr ein, daß sie ja diese Ann als Ehefrau instrumentalisieren müsse.

Wem beim Zuschauen in den Sinn kommt, wie man sich im selben Fall verhalten täte, was also bei einem selbst die hervorstechendsten Eigenschaften sind, die der Ehemann gewohnt ist, der ist hier richtig. Denn Luisa lehrt die etwas uninspirierte, sehr naive, aber liebe und anpassungsfähige sowie willige Ann, sich zu geben wie sie selbst, also nicht nur wie Luisa auszusehen, sondern sich wie diese zu verhalten. Echt witzig.

Es geht alles seinen Gang, die beiden verreisen, aber beim Zurückkommen, da bemerkt auch Luisa, was wir mitverfolgen konnten, wie urig die Situation im zuvor so sterilen Haus geworden ist, wie diese Ann alle Fünf gerade sein läßt, sich dem Genuesisch genauso hingibt, wie dem Liebemachen mit Richard, der sich an den Beginn seiner Ehe zurückversetzt fühlt. Er ist glücklich und Ann auch. Das erbost dann natürlich Luisa. Denn Ann sollte zwar ihre Doppelgängerin sein, aber doch dabei nicht glücklich sein und schon gar nicht ihren Richard glücklich machen.

Wer glaubt, er hätte jetzt die Filmhandlung „aha Doppelgänger“ verstanden, der weiß nicht, daß er es mit Lola Randl zu tun hat, verantwortlich für Buch und Regie, die in diesem Film ein Feuerwerk von so hinterfotzigen wie sinnigen sowie sinnlichen Ideen abfackelt, daß man von einem Sehvergnügen ins andere fällt. Einen so originellen, liebevoll überlegten, intelligent grundierten deutschen Film sieht man selten. Wozu, wie gesagt, noch diese herrlich komödiantische Lina Beckmann hinzukommt, bei der man jedes Speckröllchen lieben lernt, einfach, weil sie es liebt und das Gegenteil heutiger 08/15 Verkörperungen einer modernen Frau ist.

Wenn man tiefer schaut, dann fällt einem auf, daß die beiden: Luisa und Ann natürlich die zwei Seiten ein und derselben Person sind. Luisa ist das Über-Ich und versucht, ihren gestrengen Ansprüchen nach zu leben und Ann ist das Es, das tut, was ihm gefällt. Also ist hier für Luisa eine Auseinandersetzung fällig zwischen Über-Ich und Es, was keinem erspart bleibt. Und wie hier innerpsychische Konflikte mit leichter Hand zur sozialen Wirklichkeit wird, ist hinreißend ausgedacht und phantasievoll auf die Leinwand gebracht.

P.S.: Diese Schauspielerin Lina Beckmann wollen wir so schnell wie es geht, auf der Leinwand wiedersehen. Daß sie zudem mit ihrem Filmpartner und Filmehemann Charly Hübner auch im wirklichen Leben verheiratet ist, das entnahm ich einer Talk Show, wo Lina Beckmann genauso beeindruckte wie im Film.

Foto:
© Verleih

Info:
DARSTELLER
Luisa          Lina Beckmann
Richard      Charly Hübner
Leopold      Benno Fürmann
Ann             Lina Beckmann
Kassiopeia  Traute Hoss
Miriam         Inga Busch
Nachbar      Sebastian Weber
Dr. Lasalle    Rainer Egger
Steffi            Lina Beckmann

Filmteam
Regie: Lola Randl
Drehbuch: Lola Randl
Kamera: Philipp Pfeiffer
Schnitt: Andreas Wodraschke