f mm2Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 15. März 2018, Teil 11

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Auf diesen Film müßte man vorbereitet werden. Es langt überhaupt nicht, einfach in ihn wie in jeden x-beliebigen Film hineinzugehen. Denn dann wird viel verschenkt. Eigentlich ist der Filminhalt nämlich eine gehörige Sensation. Der Film stellt uns die bisherige Maria Magdalena, die immer als Dirne und gesellschaftlicher Abschaum wenngleich gläubig vorgestellt wurde, als dreizehnte Jüngerin Christi vor.

Schon immer war auffällig, daß in den Geschichten um Jesu Christus diese Magdalena von ihm sehr viel empfindsamer behandelt wurde, als die übrigen Gesellschaft es tat. Aber: Halt! Hier handelt es sich ja nicht um biblische Evangelien, sondern um die vielen Geschichten, die als Apokryphen weitererzählt wurden, aber in unserem kulturellen Gedächtnis haften bleiben, so daß zwischen echter Bibel und dem Drumherum nicht weiter unterschieden wird. Dabei ist wichtig, daß ja auch die Bibel selbst nicht ein wissenschaftliches Geschichtswerk ist, sondern eine Konstruktion.

f mm1Konstruktionen sind fast alle Figuren, aber der Maria Magdalena hat, so die These des Films, die Katholische Kirche besonders übel mitgespielt. Denn es ist überhaupt nicht belegt, daß sie ein leichtes Mädchen war und durch ihren Glauben die Sünden des Fleisches reinwaschen mußte. Das sei schon sehr früh eine Erfindung der Kirche. Das glaube ich gerne, daß die Kirchenmänner eine Frau, die öfter in den Geschichten auftauchte, als Gegenbild der Gottesmutter Maria modellierten, völlig unabhängig von den Beweisen für ihr Dirnenleben.

Kommen wir zum Film, wo Rooney Mara als Maria Magdalena eine ganz andere Geschichte erzählt, die uns noch viel lieber wäre, also besser gefiele, wenn nicht schon wieder ein so typischer Bibelfilm dabei herausgekommen wäre, wo weihevolle Stimmung, getragene Bewegungen, viel Stille und hohe Bedeutung uns dauert sagt: Guckt hin, hört zu, hier geht es um heilige Dinge! Als ob ‚heilig‘ ein Synonym für Getragenheit, leichte Langeweile und sich ewig Hinziehendes wäre. Damit haben wir gleich die Schwachpunkte des Films angesprochen, der uns dauernd mit dem Holzhammer die Bedeutung seiner Personen ans Herz und ins Hirn legt.

So sehr diese Maria Magdalena der Rooney Mara ein Kraft entwickelt, wie oft in blaßen Typen gezähmte Leidenschaft sich dann Bahn bricht, so ist doch genau dieser Typ der stillen Frau schon wieder eine Zuschreibung von Männern. Dabei stimmt das gar nicht, das Drehbuch haben zwei Frauen geschrieben, aber das langt nicht in einer Filmwelt, wo Männer immer noch allein das Sagen haben. Eine solche sanfte Maria Magdalena ist einfach viel leichter als Filmfigur durchzusetzen, als wenn diese Jüngerin des Jesu renitent und aufmüpfig wäre.

Es stimmt, daß Maria Magdalena zentrale Auftritte mit Jesu teilt, die kommen auch alle im Film vor, insbesondere die Kreuzigung und Grablegung. Aber dann, bei der wichtigsten Szene, ihrem Dabeisein bei der Auferstehung, als sie die einzige ist, der er sich zeigt, bzw. die da ist, als er nach drei Tagen dem Grab entsteigt, da sehen wir im Film den wiederauferstandenen Jesus (Joaquin Phoenix), der sie sieht, aber eben nicht zu ihr sagt: „Noli me tangere!“, was einem einfach in Fleisch und Blut übergegangen ist, daß sie ihn nicht berühren soll (Warum eigentlich nicht?), was auch eine der meistgemalten Jesusszenen geworden ist.

Natürlich höchste Zeit von diesem Jesus zu sprechen. Eine große äußere und äußerliche Änderung hat Phoenix zu seiner letzten Rolle nicht auf sich nehmen müssen, da ist er auch langhaarig und sehr bärtig, aber gegenüber seinem Auftritt im Gus Van Sant-Film der Berlinale, wo er den querschnittgelähmten Cartoonisten John Callahan mit roten Haaren gibt, ist er kaum wiederzuerkennen. Ehrlich gesagt, sieht er so zottelig bärtig aus, daß er allzu sehr den üblichen Jesusdarstellungen gleicht. Nein, man kann nichts dagegen sagen, will es auch nicht, aber es ist eben auch eine Art Charaktermaske, so eine Darstellung.

Was in unseren Augen auch für Rooney Mara gilt. Sie spielt die Maria Magdalena einerseits somnambul, so als ob sie in ständiger Meditation befangen die Umwelt weiter gar nicht mitbekommt, der sie sich zudem entzieht, weil sie ihrer Familie deutlich sagen muß, daß sie nicht zur Verfügung steht für Reproduktion der Nachkommen, was die Kopulation nebst Eheschließung bedeutet, die sie ablehnt, denn sie will ja Jesus folgen. Natürlich gefällt uns die Darstellung einer jungen Frau, die gegen das Establishment und die Zurichtung von jungen Frauen opponiert, die gegen die ihr zugedachte Rolle ihre eigene zu spielen gedenkt und sich diesem Jesus anschließt, eine seiner Jüngerinnen und sogar die wichtigste wird.

Skurril denkt man erst einmal, wenn man in Petrus den schwarzen Darsteller Chiwetel Ejiofor erkennt, der durch 12 Years a Slave, Der Marsianer, Dr. Strange bekannt ist. Aber warum nicht, auch Tahar Rahim darf den Judas als tragische Figur darstellen. Es sind die Szenen mit den Jüngern sowieso nicht im Zentrum. Sie werden zwar im Lauf des Films zunehmend wichtiger, aber auch in der Erinnerung sind es eher die Familienszenen, in denen sich Maria Magdalena gegen ihre Familie behaupten muß und durchsetzen kann.

Also eine gemischte Sache, dieser Film. Einmal möchte man den Hintergrund, die Umwidmung der Figur gerne stärker belegt sehen, dann entwickelt man durch den angeschlagenen Hohen Ton eine gewisse weltliche Widerständigkeit und wünscht sich diese Maria nicht so ätherisch, was wie gesagt, Rooney Mara sehr gut macht, aber....

Und wenn man dann noch liest, daß dieser Jesus, der mildtätig und teflonbeschichtet durch den Film wandert, sich bei den Dreharbeiten in die Hauptdarstellerin verliebt hat, tja dann muß man sich eigentlich fragen, warum es Jesus nicht genauso ging. Aber da sind wir schon bei der Blasphemie angelangt, dabei wollen wir ja nur die Maria Magdalena etwas fleischlicher, etwas weniger schematisch.

Ach so und noch was. Neben der Getragenheit, der Langsamkeit, den Sandalen und ständig wehenden Gewändern, ist immer wieder über den besagten Hohen Ton eine musikalische süße Soße gegossen, die einen ärgerlich macht.


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Info:
BESETZUNG

Rolle                                   Schauspieler                        Synchronstimme

Maria Magdalena               Rooney Mara                         Marie Möller
Jesus                                 Joaquin Phoenix                    Tobias Kluckert
Petrus                                Chiwetel Ejiofor                      Falilou Seck
Judas                                 Tahar Rahim                           Mehmet Ateşçi
Daniel                                Denis Ménochet                      Olaf Reichmann
Rachel                               Ariane Labed                          Katharina Rivilis