Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 22. März 2018, Teil 11
Margarete Frühling
München (Weltexpresso) - Die dreijährige Tonya wird von ihrer Mutter LaVona Harding (Allison Janney) in Portland zu der bekannten Eislauftrainerin Diane Rawlinson (Julianne Nicholson) gebracht. Die will das Kind eigentlich nicht annehmen, entscheidet sich dann aber anders. Tonya gewinnt noch im gleichen Jahr ihren ersten Wettkampf.
Obwohl sie großes Talent hat, wird sie als Unterschichtkind innerhalb des Verbandes nicht anerkannt. Ihre unkonventionelle Technik, die auffälligen selbstgenähten Kostüme und auch das aggressive Auftreten von ihr und ihrer Mutter führen immer wieder zu Problemen. Trotzdem schafft Tonya (Mckenna Grace) bereits mit 12 Jahren ihren ersten dreifachen Lutz.
Tonya (jetzt Margot Robbie) zeigte 1987 mit 17 Jahren als erste Frau einen dreifachen Axel beim Skate America. Sie ist die erste Frau, die den dreifachen Axel zwei Mal während eines Wettbewerbs springt und die erste Sportlerin, die den dreifachen Axel in Kombination mit einem zweifachen Toeloop zeigt. Sie wird später auch Vizeweltmeisterin und bei den Olympischen Spielen 1992 dann nur Vierte in der Damenkonkurrenz.
Gleichzeitig geht es ab 1991 mit Tonya sowohl sportlich als auch persönlich bergab. Nach 1991 wird sie den dreifachen Axel nicht mehr stehen können. Sie heiratet Jeff Gillooly (Sebastian Stan), der sie regelmäßig schlägt. Da sie Prügel von ihrer Mutter gewohnt ist, schafft sie es nur teilweise sich von ihrem Mann und seinen Freunden zu lösen.
Als Harding Drohbriefe bekommt, will Gillooly Tonyas Konkurrentin Nancy Kerrigan auch unter Druck setzten. Er beauftragt Freunde damit, die Kerrigan am 6. Januar 1994 mit einem Eisenrohr am Knie verletzen, obwohl sie doch eigentlich nur erschreckt werden sollte. Als die Polizei herausbekommt, wer hinter dem Attentat steckt, wird Harding der Titel einer amerikanischen Meisterin wieder aberkannt. Sie kann allerdings gerichtlich erreichen, dass sie bei den Olympischen Spielen 1994 starten darf, da die polizeilichen Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind. Sie wird dort nach neuerlichen Problemen während der Kür nur Achte.
Da man Tonya Harding eine Beteiligung an dem Angriff auf Nancy Kerrigan nicht nachweisen kann, wird sie selbst nur wegen Behinderung des Gerichtes verurteilt. Sie wird allerdings für alle Eiskunstlaufmeisterschaften lebenslang gesperrt. Damit ist nicht nur ihre Karriere vorbei, sondern sie wird durch die Medien plötzlich als "Eishexe" bekannt.
Der Film "I, Tonya" zeigt ein Beispiel, welche Auswirkungen es hat, wenn Menschen alles für ihre vermeintlich einzige Chance tun. Tonya Harding ist so ein Fall. Sie ging in die Sportgeschichte nicht als talentierte Eiskunstläuferin ein, die als erste Frau einen dreifachen Axel stand, sondern als die "Eishexe", deren Ehemann der Hauptkonkurrentin das Knie verletzen ließ.
Regisseur von "I, Tonya" ist Craig Gillespie. Er hat nach dem Drehbuch von Steve Rogers den Film als eine Geschichte voller Hinterhältigkeit, Heuchelei und Zynismus über einen Sportskandal gedreht, der heute noch als einer der medienwirksamsten der 1990er Jahre gilt. Dabei wirft er einen respektlosen und bissigen Blick auf das Leben und die Karriere der Eiskunstläuferin und ihrer Umgebung.
Gillespies Biopic ist dabei nicht geradlinig erzählt, sondern es werden Interviews mit den Beteiligten geführt und dabei immer wieder - aus der jeweiligen Sicht - die Ereignisse beschrieben. Er zeigt Tonyas von Gewalt geprägte Kindheit mit einer tyrannischen, prügelnden und arroganten Mutter, aber auch das ehrgeizige Mädchen und die junge Frau, die im Eiskunstlaufen eine Möglichkeit sieht, den amerikanischen Traum zu leben. Tonya ist aber auch eine Frau, die sich regelmäßig mit den Preisrichtern anlegt und durch ihre Verhalten immer wieder unangenehm auffällt.
Der Film macht auch deutlich, dass Tonya eigentlich kaum eine Chance hat, vor allem als sie ihren prügelnden späteren Ehemann Jeff Gillooly kennengelernt hat und sich in der Beziehung ihre von Gewalt geprägten Jugenderlebnisse wiederholen.
Auch wenn es einige gute Eislaufszenen im Film gibt, setzt der Film sein Hauptaugenmerk auf Tonyas Herkunft, ihre Leben, wie es zu dem Vorfall mit der Eisenstange kommen konnte und auch welche Auswirkungen das auf ihr späteres Leben hatte.
Die australische Schauspielerin Margot Robbie, die auch als Produzentin fungiert hat, glänzt mit einer herausragenden Darstellung der Tonya Harding, die ihr eine Oscar-Nominierung als beste Hauptdarstellerin eingebracht hat. Allison Janney ist brillant als Tonyas kettenrauchende, bissige und vom Erfolg besessene Mutter LaVona Harding. Sie hat für ihre Darbietung gerade zu Recht den Oscar als beste Nebendarstellerin erhalten.
Sebastian Stan steht den beiden Darstellerinnen mit seiner Verkörperung von Tonyas impulsivem, prügelndem und etwas beschränktem Ex-Mann Jeff Gillooly in nichts nach. Julianne Nicholson spielt Tonyas langjährige Eislauftrainerin Diane Rawlinson bewusst zurückhaltend. Paul Walter Hauser ist als Shawn Eckhardt, ein übergewichtiger Mann und angeblicher Bodyguard von Tonya Harding zu sehen, der immer noch zu Hause bei seinen Eltern lebt und der als bester Freund von Jeff Gillooly die genauso beschränkten Schläger auf Nancy Kerrigan angesetzt hat. Er behauptet auch angeberisch der Polizei gegenüber, dass er ein anerkannter Spionage-Experte sei.
Vieles in dieser surrealen Komödie wirkt stark übertrieben, aber Regisseur Craig Gillespie hat sich ganz sicher nicht alles ausgedacht, sondern er beruft sich auf biografische Fakten, Aussagen der Beteiligten und Polizeiberichte und zeigt im Abspann Interviewausschnitte mit den realen Personen.
Insgesamt ist "I, Tonya" eine spannende und tragikomische White-Trash Satire mit großartigem Unterhaltungswert. Der Film ist unbedingt sehenswert, auch für Zuschauer, die vom Eiskunstlaufen nichts verstehen oder sich nicht dafür interessieren.
Foto 1: Filmplakat © DCM Filmdistribution
Foto 2: Sebastian Stan als Jeff Gillooly und Margot Robbie als Tonya Harding © DCM Filmdistribution
Info:
I, Tonya (USA 2017)
Originaltitel: I, Tonya
Genre: Tragikomödie, Biografie
Filmlänge: 120 Min.
Regie: Craig Gillespie
Drehbuch: Steven Rogers
Darsteller: Margot Robbie, Allison Janney, Sebastian Stan, Julianne Nicholson, Bojana Novaković, Paul Walter Hauser, Mckenna Grace u.a.
Verleih: DCM Filmdistribution
FSK: ab 12 Jahren
Kinostart: 22.03.2018