f zwei herren im anzug 2018 film rcm1200x627uSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 22. März 2018, Teil 16

Claus Wecker

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Schon der Pressetext des Filmverleihs lässt Schlimmes befürchten. Da ist die Rede vom Vater und Bauer Pankraz, der mit seinem 35-jährigen Sohn Semi nach der Beerdigung der Ehefrau und Mutter »in erzwungener Gemeinschaft« beisammensitzt. Sie unterhalten sich über die Vergangenheit, d.h. über den 1. und 2. Weltkrieg, die alliierte Besatzung, den ersten Traktor, Kalter Krieg, Wirtschaftswunder, Flüchtlinge, Studentenunruhen, die Familie.

Man ahnt es schon: der alte Bauer (Josef Bierbichler) hat alle seine Schandtaten verdrängt, die jetzt zur Sprache und ins Bild kommen, und der erwachsene Sohn (Simon Donatz) ist der Lügen und der Heuchelei der Elterngeneration überdrüssig. Und so genau passiert es in dem Film „Zwei Herren im Anzug“ von und mit Josef Bierbichler und nach Motiven seines Romans „Mittelreich“.

Das Ganze ist mundartlich aufbereitet, also in einem Bayerisch, das auch ein Norddeutscher mit Mühe verstehen kann. Dominik Graf hat es gerade in der Frankfurter Sonntagszeitung gefeiert. Der Film sei „wahrscheinlich ein After-Herbert-Achternbusch-Bombeneinschlag ins Kino der Berliner Republik, der sich gewaschen hat".

Der Vergleich liegt nahe, zumal Josef Bierbichler, zusammen mit seiner Schwester, zu Achternbuschs Stammdarstellern gehörte. Doch was beim Vorläufer mit viel Ironie und neben aller trotzigen Kritik auch witzig daherkam, trägt jetzt der Nachfolger mit großem Bierernst vor (Leserin und Leser mögen das Wortspiel verzeihen). Da sind die jungen Burschen in den Krieg gezogen, in Bayern »Die Wacht am Rhein« singend, was wohl eher »Casablanca« als der Zeitgeschichte geschuldet ist, da wurden alle 1933 zu Nazis, was sie später natürlich bestreiten werden, und Pankraz sagt die zugegeben schönen Sätze: „Ich war zwar nie ein Nazi. Doch kein Nazi war ich nie.“

Da entpuppt sich der örtliche Priester natürlich als Päderast, wobei die Mutter schweigend zuschaut. Und am Ende ist Pankraz auch persönlich am Holocaust beteiligt. Kein Wunder, dass Sohn Semi, überwältigt von all diesen sündigen Taten nichts mit der Kirche zu tun haben möchte, in deren Schoß ihn der Vater wieder zurückholen möchte. Stattdessen erwägt Sohnemann seine Selbsttötung. Vielleicht liegt ein Missverständnis vor, wenn man den Film als eine realistische Darstellung der deutschen Geschichte mit viel unterlegter Wagner-Musik sehen will.

Dass Bierbichler in einer Rückblende das moderne Vaterunser mit „unser tägliches Brot gib uns heute“ vortragen lässt, könnte nicht nur auf eine gewisse Sorglosigkeit hindeuten. Auch jene Feier in der Nachkriegszeit mit einer als Hitler geschminkten Frau und einem afroamerikanischen GI, der gegen die Nazi-Anspielung keine Einwände hat. Eine Sequenz, die zwischen Fassbinder und Viscontis „Verdammten“ angesiedelt ist. Vielleicht sind die zwei Herren im Anzug nichts weiter als ein „running gag“. Also ist der ganze Film dann doch eine Gaudi? Wäre er doch nicht öde 140 Minuten lang!

Foto:
© Verleih

Info:
BESETZUNG
Pankraz / Seewirt        JOSEF BIERBICHLER
Theres                          MARTINA GEDECK
Pankraz jung / Semi erwachsen SIMON DONATZ
Philomena                    IRM HERMANN
Hertha                          SARAH CAMP
Spezialist / Herren im Anzug     JOHAN SIMONS
Laie / Herren im Anzug              PETER BROMBACHER