f phoenxSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 26. April 2018, Teil 2

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Dieser Film steht und fällt mit seinem Hauptdarsteller, Joaquim Phoenix, den die Regisseurin aus Schottland, Lynne Ramsay buchstäblich als Foto am Rechner befestigt hatte und ihm die so brutale wie zärtliche Rolle auf den Leib schrieb, als sie auch ihre eigene Drehbuchschreiberin war, wobei sie einer Erzählung von Jonathan Ames folgte.

Als der Film im letzten Jahr in Cannes groß herauskam und Phoenix den männlichen Darstellerpreis erhielt und die Regisseurin den für das beste Drehbuch, da hieß er noch YOU WERE NEVER REALLY HERE. Ein dümmliches Anbiedern, den Titel im deutschen Kino auf Englisch zu bringen, wenn er nicht mal im Original so heißt. Und wenn man dann nur kurz hört, daß es um die Entführung der jugendlichen Tochter eines reichen New Yorker Senators geht, die man in einem Edelordell als besonderen Leckerbissen hält, dann ahnt man, daß dieser Titel ironisch bis sarkastisch gemeint ist.

So liegt auf der einen Seite der Fall völlig klar, denn Joe (Joaquim Phoenix) soll im Auftrag von Senator Votto (Alex Manette) die halbwüchsige Nina (Ekaterina Samsonov) aufspüren und befreien. Daß der Vater nicht die Polizei einschaltet, erklärt er damit, daß er mitten im Wahlkampf ist und der Öffentlichkeit keinen Anlaß für Skandale geben will. Auch das leuchtet ein, wie auch die 50 000 Dollar, die Joe erhalten soll, wenn er Nina befreit und ins väterliche Haus zurückgebracht hat. Wir sind sicher, daß er sie finden wird, denn wir lernen ihn erst einmal als den Mann mit dem Hammer kennen, der erst einen Mann damit ermordet und dann das tödliche Werkzeug genauso akribisch säubert wie den Tatort: eom Tatortreiniger seiner eigenen Tat..

Und das gehört zu den besten Teilen des Film, daß er am Anfang den Zuschauer lange im Unklaren läßt, was es mit diesem Joe auf sich hat. Denn man muß, folgt man der Inszenierung, ihn geradezu erst einmal für einen gedungenen Mörder halten. Nicht nur seines Auftretens wegen. Schon das Aussehen tut ein übriges. Dabei gehört er zu den Guten, nämlich denen, die ihr Gewaltpotential für die Auffindung und Rettung jungendlicher Entführungsopfer einsetzen. Und wenn man ihn dann nach seiner Tatortreinigung bei seiner Mutter (Julia Roberts) auftauchen sieht, mit der er scherzt und sie buchstäblich ihre Demenz vergessen läßt, entsteht ein so warmherziges Bild von diesem Menschen, daß man die verschiedenen Teile dieses Mannes nicht so recht zusammenbekommt.

Und eben auch nicht seine Arbeitsweise, die erst einmal aus Verschleierung besteht, bis wir mitbekommen, daß er bei A +B seine Aufträge erhält, aber in einer ganz anderen Gegend wohnt, so daß niemand ihn identifizieren kann. So war es wenigstens bisher und dann tritt das Unwahrscheinliche ein, daß der Sohn seines Auftragsübermittlers ihn beim eigenen Hause sieht und das kurze Erschrecken beider zeigt, daß gerade eine Linie übertreten wurde. Deshalb muß Joe diesem gegenwärtigen Mittelsmann nun eröffnen, daß er nicht mehr über ihn Aufträge annehmen wird, was diesen Einnahmen kostet.

Aber noch ist er ja ganz in der Gegenwart und die erfordert, daß er Nina findet und sie dem Vater zurückbringt. Die Adresse hat ihm der Vater sogar mitteilen können und so macht sich Joe, ja, wieder mit einem Hammer im Gepäck, auf ins Bordell, wo er zeigt, wie man das macht, wenn man unerlaubt eindringen will: einem Kundigen, der herauskommt, den Einlaß-Code abzupressen. Sein Gang durchs Haus ist nett auf die Leinwand gebracht, denn wir erkennen sein Suchen nach der Kleinen durchs Haus auf den Überwachungsbildern. Immer wieder erkennt man kluge Überlegungen der Regie. Joe findet Nina, der Hammer kommt zum Einsatz und er fährt die Befreite in das Hotel Caribe, das er mit dem Vater als Übergabeort ausgemacht hatte. Dort wartet sie in einem Zimmer, aber vergeblich. Denn aus dem Fernsehen erfahren beide, daß ein gewisser Senator Votto sich aus einem Hochhausfenster in den Tod gestürzt hat. Ehe sich Joe noch über die Konsequenzen klar werden kann, werden die Türen aufgerissen und zwei Polizisten schnappten erst Nina, beißen sich aber an Joe die Zähne aus, denn er weiß, wie er seinen Gegnern davonflutscht.

Das hilft ihm nicht lange, denn die Feinde, die ihn suchen, werden mehr und es sind offizielle Einrichtungen wie das FBI, die ihn verfolgen, was zu Aufregungen führt, die man nicht verraten darf. Obwohl der Hauptdarsteller in seiner beschädigten Gedrungenheit uns immer wieder fasziniert, sind doch gerade um ihn Leerstellen nicht zu akzeptieren. Man weiß, daß er ein psychisch beschädigter Kriegsveteran ist, aber da muß noch mehr sein, woher seine seelischen Verletzungen rühren, die immer wieder als Erinnerungsfetzen über die Leinwand huschen. Das ist einerseits zu wenig Information und andererseits zuviel Hinweis. Aber der Film hat etwas.

Foto:
© Verleih

Info:
Darsteller

Joe.................................................... Joaquin Phoenix
Nina .................................................. Katerina Samsonov
Joes Mutter...................................... Judith Roberts
John McCleary ................................. John Doman
Senator Votto.................................... Alex Manette
Senator Williams.............................. Alessandro Nivola
Angel ................................................ Frank Pando
Moises ............................................. Vinicius Damasceno