f madame aurora und der duft von fruehling aurora bild 03 JPG I6TiberiusFilmSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 26. April 2018, Teil 11

N.N.

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Sie bringen die Erzählung systematisch zum Schwingen, indem Sie zwischen sehr bewegenden und slapstickartigen Szenen abwechseln. Wie etwa die Szene, in der Pascale Arbillot mit einem Fremden auf der Straße aneinandergerät und die Diskussion imKinderladen zwischen den beiden zukünftigen Großmüttern...

Ich liebe es, zwischen Emotionen hin und her zu wechseln. Für mich ist das sehr wichtig, weil das genauso in unserem alltäglichen Leben passiert. Bei der filmischen Umsetzung verlangt es sehr viel Fingerspitzengefühl und Zurückhaltung. Umso mehr, weil auf den Charakteren in meinen Filmen immer ein größerer Schwerpunkt liegt als auf der Story selbst. Es handelt sich um eine sehr diffizile Balance, die hier geschaffen wird. Ich musste in der Postproduktion sehr viel schneiden und auch akzeptieren, mich von gewissen Szenen oder bestimmten Rollen zu trennen.

Man kann eine unglaubliche Solidarität zwischen allen Frauen im Film spüren.

Ich glaube stark an die weibliche Solidarität untereinander: Eine Solidarität, die mich ohne Ausnahme durch alle Phasen und Stationen meines Lebens begleitet. Tatsächlich war es in meinen Augen von größter Wichtigkeit, dass jedes Lebensalter in diesem Film repräsentiert wird.


In Bezug auf die Stationen des Lebens beziehen Sie sich im Film auf Ausschnitte eines Interviews mit der feministischen Anthropologin und Ethnologin Françoise Héritier. Sie erklärt darin, dass noch vor nicht allzu langer Zeit die gesellschaftliche Wahrnehmung war, dass eine Frau aufhört, als weibliches Wesen zu existieren, sobald sie in die Menopause kommt.

Genau wie ich Christine Delphy in meinem Film „Zouzou" zitiert habe, sollte MADAME AURORA UND DER DUFT VON FRÜHLING auch unbedingt eine Hommage an Françoise Héritier sein. Dieses war auch mit der Unterstützung von PatrickJean möglich, der mir bereitwillig einen Ausschnitt aus seinem Interview mit ihr zur Verfügung gestellt hat. Wie auch Thérèse Clerc, Maya Surduts und Benoîte Groult, die alle kürzlich verstorben sind, gehörte sie zu einer Generation von Frauen, die enorm viel zum Fortschritt des politischen Denkens und zur Gleichberechtigung von Frauen beigetragen hat.

Hatten Sie sofort Agnès Jaoui für die Rolle der Aurora im Kopf?

Ich wollte eine Schauspielerin für die Rolle, deren Gesicht in der Öffentlichkeit bekannt war, die sich mit ihrem Alter wohlfühlt und alle Vorteile, die es bringt, für sich nutzt. Agnès ist sehr feminin und attraktiv, zugleich ist sie aber auch erwachsen geworden. Für mich war es wichtig, dass die Hauptdarstellerin keiner ewigen Jugendlichen ähnelt. Agnès mochte den Charakter von Aurora sofort sehr gerne und gab mir nach zwei Tagen eine Zusage.


Wie hat sie sich auf die Rolle vorbereitet?

Die Kostümbildner haben sich viel mit ihrer äußeren Erscheinung beschäftigt. Agnès wird im Film nicht so angezogen, wie sie sich in ihrem realen Leben kleidet. Ich wollte durch enganliegende Outfits das Beste aus ihrer weiblichen Figur herausholen. Eine Frau mit Hüften, Busen und einem Hinterteil ist wunderschön, aber Frauen mit weiblichen Rundungen sehen wir in Filmen nur selten. Auch wenn Agnès es persönlich eher bevorzugt, weitere Kleidung anzuziehen, verstand sie, worauf ichhinauswollte. Immer wieder wiederholte ich während unserer Gespräche: „Du bist eine selbstbewusste, selbstsichere Frau, die stets in Verbindung zu ihren Mitmenschen steht. Aurora ist vielleichtkeine große Feministin, aber sobald sie Frauen kennenlernt, die sich gegenseitig solidarisch zeigen, realisiert sie, dass ihre persönliche Erfahrung tatsächlich sogar eine gemeinschaftliche Erfahrung ist.“ Nicht das Verliebtsein rettet sie, sondern erst einmal, dass sie in der Lage ist, ihre Würde wieder zu finden, was ihr dann erlaubt, sich erneut zu verlieben.

Erzählen Sie uns von Pascale Arbillot, die Mano, Auroras beste Freundin, spielt.

Ich kenne sie schon lange. Ich liebe ihre Intelligenz und ihre Vorstellungskraft. Außerdem mag ich es, Schauspieler um mich herum zu haben, die ich kenne: Marc Citti, NanouGarcia, Philippe Rebbot, Laure Calamy, Florence Muller... Es ist so viel leichter mit Menschen zu arbeiten, die man kennt. Ich bin davon überzeugt, dass Vertrauen und Zuversicht einem Kunstwerk Flügel verleihen. Genauso versuche ich, immer dieselbe Crew um mich herum zu haben. Man versteht sich einfach besser und schneller untereinander. Das ist sehr wichtig.

Sie waren lange Zeit selbst Schauspielerin, bevor Sie Regisseurin geworden sind...

Ich wurde per Zufall Regisseurin. Genaugenommen wollte ich schon immer Regisseurin werden, aber ich habe nicht damit gerechnet, dass es möglich wäre. Und dann, mit zwölf Jahren, stieß ich auf Agnès Vardas Film „Vagabond". Das war Mitte der 80er Jahre und es war das erste Mal, dass ich einen Film über eine Frau gesehen habe, bei dem auch noch eine Frau Regie führte. Das öffnete mir eine neue Tür. Drei Jahre später fiel mir ein Casting-Aufruf für Gaspar Noés „Carne" auf. Ich bin nur mit der einzigen Absicht dorthin gegangen, den Regisseur zu treffen. Gaspar hat sich für mich entschieden und meine schauspielerische Karriere begann. Ich entwickelte ein Gespür für den Beruf während ich mein Studium weiterführte und so viel wie möglich über das Regie führen lernte. Mit fünfundzwanzig Jahren wagte ich den Sprung ins kalte Wasser und schrieb „Avec Marinette", meinen ersten Kurzfilm. Es hat erneut zehn Jahre gedauert, bis ich den Mut aufgebracht habe, meinen ersten Spielfilm zu drehen.

Wie arbeiten Sie?

Zuerst probe ich mit den Schauspielern. Ich will ihnen dabei zuhören, wie sie ihren Text sprechen: Da passieren dann aufregende Dinge, mit denen ich nicht gerechnet hätte. Oder aber andere arbeiten nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe. Manchmal realisiere ich auch, dass eine Geste mehr sagt als eine gesprochene Zeile. Ich verwerfe einige Dialoge, andere ändere ich wieder. Das ist auch eine Möglichkeit, die Energie zu spüren, die sich zwischen meinen Schauspielern ausbreitet. Das ist für uns alle sehr wichtig, um gemeinsam arbeiten zu können.

Warum wollten Sie den Film in der Stadt La Rochelle drehen?

Ich wollte den Himmel sehen und für meine Hauptdarstellerin eine relativ angenehme Umgebung schaffen. Das ist im viel größeren Paris unmöglich, wo man gerade so den Mindestlohn verdient und alles vom Wohnen bis zur Unterhaltung sehr teuer ist. Außerdem drehe ich gerne in kleineren Städten. Dort habe ich die Freiheit, abends mit meinen Schauspielern essen zu gehen, und dort auf versteckte Details zu achten, die ich am darauffolgenden Tag im Film verwenden könnte.

Foto:
©

Info:
Besetzung
Agnès Jaoui                          Aurora
Thibault de Montalembert    Christophe (Totoche)
Pascale Arbillot                     Mano
Sarah                                    Suco Marina
Lou Roy-Lecollinet .              Lucie
Eric Viellard                           Hervé
Philippe Rebbot                    Nana