f cleaners1Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 17. Mai 2018, Teil 9

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Dieser Film, der von den Menschen handelt, die das Internet im Auftrag bestimmter sozialer Netzwerke von bösen, von gefährlichen Bildern reinigt, den sogenannten Content Moderaten, dieser Dokumentarfilm ist wie das Internet selbst: unüberschaubar, überfordernd und bildgewaltig.

Ganz gut also, sich im Kopf schon zuvor Schneisen zu schlagen. Und die erleichtern die beiden Filmemacher,nHans Block und Moritz Riesewieck, die nach ihrem Drehbuch den Film erstellten. Denn in vielen Interviews, sogar am Abend vor dem Filmstart in der ZDF-Sendung MARKUS LANZ geben sie den Kontext vor, der zu verstehen nötig ist, damit man diesen Film als die Sensation zu werten, die er in der Tat ist.

Zum Kontext gehört, daß es in diesem Film nicht darum geht, über die Bilder und Videos, die im Internet pro Tag millionenfach erscheinen, zu urteilen, also Kriterien zu erstellen, welche Bilder für die Allgemeinheit zuträglich sind, welche verboten gehören.

Nein, es geht um die heutige Realität, von denen fast alle Internetnutzer keine Ahnung haben. Daß nämlich die großen sozialen Netzwerke wie Facebook, You Tube, Twitter & Co eine richtige und riesenhafte Schattenindustrie errichtet haben, die ohne daß wir das wissen, über die Bilder bestimmen, die von den Nutzern auf der ganzen Welt in ihren Systemen hochgeladen worden sind, nämlich ob sie gelöscht (delet!e) oder ignoriert (Ignore!), also zugelassen werden und daß diese Arbeit zum einen in eigenen Gesellschaften, den sogenannten Outsourcingfirmen organisiert sind und zum anderen weit weg in Manila, der Hauptstadt der Philippinen stattfinden.

Am Beispiel von fünf solchen Content Moderators wird deren Tätigkeit als digitale Reinigungskräfte gezeigt, wobei sie in Gespräche verwickelt werden, welche Bilder sie aus welchen Gründen löschen, weil sie für unsere Augen ungeeignet sind und welche als geeignet, also zugelassen werden. Das sind Saubermänner und Sauberfrauen und man hält beim Schauen immer wieder den Atem an, so unglaublich ist, was man hört und sieht.

rie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 17. Mai 2018, Teil 5Um das zu begreifen, muß man einfach mehr über die Philippinen wissen. Dieses gebeutelte Land, das für Europa durch den Portugiesen Ferdinand Magellan für die spanische Krone entdeckt wurde, blieb 300 Jahre unter spanischer Herrschaft, was die Missionierung für die Katholische Kirche einschloß. Daß aber die Religiosität auf den Philippinen eine andere ist, als hierzulande, hat mit dem Animismus zu tun, der trotz der Christianisierung mit diesem ein Amalgam einging. Daraus entstand gewissermaßen eine kindliche Sicht auf die Welt, eine klare Einteilung in Gut und Böse und eine sehr schlichte Sexualmoral nach den selben Grundsätzen.

Dies wird am deutlichsten bei den Interviews mit Maria, über die wir im Zusammenhang mit dem allein von Moritz Riesewieck herausgegebenen Buch DIGITALE DRECKSARBEIT. Wie uns Facebook & Co. Von dem Bösen erlösen berichten wollen, die nämlich am deutlichsten zeigt, wie ihr kleinbürgerlicher und kleinmädchenhafter digitaler Sauberkeitswahn zu reiner Zensur führt.

Entscheidend ist für alle Saubermacher, daß die Bilder ohne jeden Kontext angeschaut werden. Weder Kunst, noch Satire, noch beispielsweise aufklärende Absicht werden überhaupt erwogen, sondern alles wird über einen Kamm geschert. Die Entscheidung, solche digitalen Säuberungen in Manila durchführen zu lassen, ist angesichts der fundamentalen kulturellen Unterschiede schon ungeheuerlich, der noch gesteigert wird, daß diese Leute zu billigen Löhnen weder für ihre Arbeit geschult werden, also auch nicht klare Kriterien erhalten, noch ihnen durch psychologische Beratung geholfen wird, wenn sie z.B. über die Enthauptungsvideos urteilen sollen. Es ist unglaublich, wenn man einen Menschen dann über scharfe und Küchenmesser reden hört, mit welchem nämlich das Kopfabschneiden schneller und langsamer geht.

Dem gegenüber sind dann Redebeiträge von Mark Zuckerberg geschnitten, die deutlich machen, daß dieser naiv und gerissen gleichermaßen für Facebook die Weltherrschaft übernehmen will, wenn er verkündet, er werde mit seinem sozialen Netzwerk die Welt verändern.

Ein wichtiger Film, zu dem das angesprochene Buch eine wichtige Ergänzung und Vertiefung ist, weshalb es besprochen wird.

Foto:
© Verleih

Info:
STAB
Regie & Kamera Hans Block, Moritz Riesewieck
Buch Hans Block, Moritz Riesewieck
Sound Karsten Höfer
Musik Paradox Paradise (John Gürtler, Jan Miserre, Lars Voges)
Post-Produktion Xavier Agudo
Schnitt Philipp Gromov, Hansjörg Weißbrich, Markus CM Schmidt