f calla2Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 17. Mai 2018, Teil 4

Kirsten Liese

Berlin (Weltexpresso) - Über eine so berühmte Primadonna sollte längst alles veröffentlicht und gesagt sein, ließe sich annehmen. Keine andere wurde mit so vielen Büchern und Fotobänden geehrt wie Maria Callas, ihre Plattenaufnahmen füllen ganze Regale und wurden mehrfach in stets noch besserer Qualität neu aufgelegt.

Und doch gibt es noch 40 Jahre nach dem Tod der „Tigerin“ immer noch etwas zu entdecken. Jedenfalls konnte sich der Filmemacher Tom Volf Zugang zu Archiven mit kostbaren Materialien verschaffen, die erstaunlicherweise noch unveröffentlicht blieben: Fernsehinterviews, TV-Reportagen anlässlich von Tourneen und Auftritten, Negative, Fotos, sogar nie gesehene Videomitschnitte mit Auszügen aus Konzerten. Allein schon dieser Fundus lohnt diese dokumentarische Collage. Einen vergleichbar anspruchsvollen, kunstvollen, eleganten, erstklassigen Film auf dem Gebiet der klassischen Musik hat man lange nicht gesehen.

Das fängt schon damit an, dass in „Maria by Callas“ niemand außer der Diva selbst zu Wort kommt, kein wichtigtuerischer Kommentar eines Kritikers, keine Fachsimpelei schleicht sich in dieses authentische, intime Porträt ein. Zudem hütet sich Volf davor, die Musik zu verstümmeln, alle ausgewählten Arien aus Opern wie „Norma“, „Carmen“, „Cavalleria Rusticana“ oder „Tosca“ darf die Assoluta in ganzer Länge aussingen.

Und dann sind da noch diese wunderbaren, unbekannten Briefe, die Maria Callas an ihre Lehrerin Elvira de Hidalgo schrieb, aus denen Fanny Ardant (in der deutschen Synchronfassung Eva Mattes) mit sanfter schöner Stimme vorträgt. Sie bringen einem die Sängerin in ihren ganz privaten Gedanken und Empfindungen näher als jede Biografie.

Mit großer Zärtlichkeit spricht die Griechin da von der Liebe und offenbart sich in ihren Enttäuschungen und Verletzbarkeiten. So verdichtet sich der Eindruck, dass Presse und Intendanten, die ihr im Zuge von Skandalen schlecht nachredeten, ihre hohen künstlerischen Ansprüche mit Allüren verwechselten. Die nicht zustande gekommene Vertragsverlängerung mit der New Yorker Met hatte beispielsweise ganz andere Gründe: Maria Callas mochte die altmodischen Inszenierungen nicht, sie wollte bessere Regisseure. Und dass sie einmal in Rom die Vorstellung einer „Norma“ abbrach, geschah wohl weit weniger aus einer Laune heraus als aus der Notwendigkeit, die Stimme angesichts einer schweren Bronchitis nicht vollends zu ruinieren.

Weitere spannende Einsichten beschert ein TV-Interview mit David Frost, das sich wie ein roter Faden durch den Film zieht. Darin finden sich auch Äußerungen, die für ein irritierend altmodisches Frauenbild stehen, etwa, dass sie viel lieber Mutter als eine Sängerin geworden wäre. Und dass sie und der Milliardär Aristoteles Onassis, den sie so sehr liebte, bis zu dessen Tod gute Freunde blieben, wiewohl er sie so sehr enttäuschte, als er ohne es ihr zu sagen, Jackie Kennedy heiratete.

Nur eines ist schade: Dass Volf den Film musikalisch überfrachtet, indem er ihn komplett untermalt. Die Musik wäre stärker zu ihrem Recht gekommen, wenn es bei den von Callas gesungenen Arien geblieben wäre, einen weiteren Soundtrack braucht es nicht. Aber das ist Kritik auf hohem Niveau.

Foto:
© Verleih

Info:

Drehbuch und Regie
Tom Volf

Ausführende Produzenten
Emmanuelle Lepers
Gael Leiblang
Emmanuel Chain
Thierry Bizot

Koproduzent Tom Volf

Briefe gelesen von
Eva Mattes (Deutsche Synchronisation)
Fanny Ardant (Französisches Original)