Bildschirmfoto 2018 05 24 um 08.07.04Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 24. Mai 2018, Teil 6

N.N.

London/N.Y. (Weltexpresso) - Sie haben nicht nur Regie geführt, sondern auch das Drehbuch geschrieben. Wie kamen Sie auf diese Geschichte?

Ich habe Philosophie studiert. Schon damals galt mein Interesse den moralischen Fragen, die sich stellen, wenn Menschen ihr Leben freiwillig beenden. Seitdem wollte ich immer mal etwas darüber schreiben. Inzwischen habe ich in etlichen europäischen Kliniken, die Sterbehilfe leisten, recherchiert. Das ist offenkundig ein sehr kompliziertes Thema, ich wollte sicherstellen, dass ich etwas darüber weiß. Aber ich fälle in meiner Geschichte kein Urteil – ich bin eine Autorin, eine Regisseurin, ich vertrete keinen politischen Standpunkt. Ich erzähle eine Geschichte, und dabei untersuche ich lieber die anfallenden Fragen, als Antworten darauf zu geben.


Die beiden Schwestern sind sich zwar ähnlich, trotzdem gibt es eklatante Unterschiede zwischen ihnen. Wie sieht Emilies Leben aus?

Jede Schwester hat eine andere Art, sich dem Leben zu stellen. Das macht es hoffentlich einfach für den Zuschauer, in beiden einen Teil von sich selbst zu finden. Emilie hat immer Verantwortung übernommen, schon seit der Kindheit beider Schwestern. Sie hat sich auch nach dem Tod der Mutter mit dem Schmerz auseinandergesetzt. Ines hingegen zog es grundsätzlich vor, die Situation zuhause zu ignorieren. Natürlich kann man diejenige verurteilen, die sich heraushält, aber ich denke, das ist zu einfach. Es gibt keine eindeutig richtige oder falsche Methode, wie man mit familiären Katastrophen umgehen soll.


Sie machen bereits den dritten Film mit Alicia Vikander. Was mögen Sie an ihr, und was trägt sie zu Ihren Projekten bei?

Unser erster gemeinsamer Film war DIE INNERE SCHÖNHEIT DES UNIVERSUMS (Till det som är vackert / Pure, 2010), schon da haben wir uns hervorragend verstanden, obwohl wir uns nicht besonders ähnlich sind. Aber uns verbinden die Charaktere, von denen wir erzählen. Alicia ist stark aber sensibel, und genau so eine Persönlichkeit finden Sie bei allen meinen Figuren. Alicia hat deren komplexe Seele.


Sie sehen Alicia nun seit fast zehn Jahren durch das Objektiv einer Kamera. Hat sie sich verändert?

In ihrer schauspielerischen Arbeit ist sie fast die Gleiche geblieben, sie hat immer noch dieselbe Energie. Aber sie zeigt jetzt natürlich mehr Lebenserfahrung und mehr Selbstvertrauen vor der Kamera.


Wie war die Arbeit mit Eva Green?

Eva ist eine beeindruckende Schauspielerin. Es war ein Geschenk, mit ihr die Figur der Emilie auszuarbeiten. Sie wollte stets noch weiter gehen, noch emotionalere Ebenen erkunden. Bei den Charakterdarstellern gehört sie zu den Suchenden, dafür braucht man viel Mut und Hingabe.


Wie war die Zusammenarbeit von Alicia und Eva bei der Charakterentwicklung?

Beide Rollen haben ein großes Gewicht. Alicia und Eva haben sich dafür gegenseitig angeschoben. Oft hatten sie Diskussionen darüber, wie sie ihre Figuren und die Geschichte möglichst lebensnah gestalten können. Das schätze ich als Regisseurin – es ist toll, mit Schauspielern zu drehen, die sich mit Herz und Seele ihrem Film verschreiben.


Wie beschreiben Sie die Figur Marina, und was gab ihr Charlotte Rampling mit?

Beim Schreiben des Drehbuchs befasste ich mich sehr eindringlich mit dieser Figur. Sie steht jenseits der Gesellschaft; sie hat eigenwillige Ansichten, eigentlich ist sie eine Anarchistin. Als Charlotte Ramplings Name zum ersten Mal fiel, dachte ich, sie wäre die perfekte Marina. Ich glaubte anfangs nicht daran, dass sie bei mir mitspielen würde, sie ist schließlich eine der berühmtesten Schauspielerinnen der Welt. Aber sie sagte zu, und durch sie bekam der Film eine ganz andere Dimension. Ihre Arbeit ist wirklich grandios.


Der Film behandelt sehr ernste Themen. Was für einen Tonfall haben Sie ihm dafür gegeben?

Ich habe immer Regisseure bewundert, die auf der Leinwand ihr ganz eigenes Universum kreieren. Ich wollte, dass auch meine Geschichte so eine unkonventionelle Freiheit hat, deshalb habe ich Charaktere und Handlungsort komplett aus der Gesellschaft und deren Regeln herausgenommen.


Geht die Geschichte hauptsächlich um zwei Schwestern und deren Beziehung, oder ist es ein Beitrag zum Thema Sterbehilfe?

Es ist eine Geschichte über zwei Schwestern, aber sie wirft Fragen über den Freitod auf. Je mehr ich dieses Thema untersuchte, desto klarer wurde mir, dass ich darüber kein Urteil abgeben kann. Demzufolge ordne ich meinen Film eher den zwei Schwestern zu, ihrer Art, das Leben unterschiedlich anzugehen.


Sie haben zum ersten Mal in englischer Sprache gedreht. Wie war das?

Es war ein großer Schritt für mich, auf Englisch zu schreiben und auch in dieser Sprache Regie zu führen. Am Anfang war es ziemlich beängstigend, ich habe eine Weile gebraucht, bevor ich mich dabei wohlfühlte. Man verändert sich auch als Person, wenn man seine Sprache ändert. Aber es war eine überraschend positive Erfahrung: man wird weltoffener. Man hat plötzlich die Möglichkeit, mit mehr und anderen Menschen zu arbeiten.


Was sollen die Zuschauer aus Ihrem Film mitnehmen?

Leben und Tod sind keine neuen Themen. Wir alle denken darüber nach, wie wir unser Leben auf die bestmögliche Weise führen können. Diese Gedanken sollten wir auch mit anderen teilen. Das hört sich zwar an wie ein Klischee, aber ich glaube wirklich, dass es für uns notwendig und hilfreich wäre, über diese Themen miteinander zu reden. Dafür bietet mein Film einen Anlass.

Foto:
Lisa Langseth © Verleih

Info:
Abdruck des Interviews aus dem Presseheft

BESETZUNG
Emilie          Eva Green
Ines             Alicia Vikander
Marina         Charlotte Rampling
Mr. Daren    Charles Dance
Aron            Adrian Lester
Brian           Mark Stanley