dvd fritz bauerHeute zeigt PHOENIX zum 5. Mal den Fritz Bauer Film von Ilona Ziok TOD AUF RATEN, 21.45, Teil 1/2

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Weltexpresso versucht seit vielen Jahren die historisch für die junge Bundesrepublik vielleicht wichtigste, weil gegen den Zeitgeist des Nachnazitums widerständige Person, Fritz Bauer, ins kulturelle Gedächtnis unseres Landes zurückzuholen, in dem er in den 50er und 60er Jahren eine so ehrenvolle Rolle spielte. Denn für ihn galt fürwahr: Viel Feind, viel Ehr. Die weit über 200 Artikel in Weltexpresso zeugen davon. Nun wird sein 50. Todestag zum ersten Mal ganz offiziell in der Frankfurter Paulskirche mit einer Rede des Bundespräsidenten Steinmeier gewürdigt.

Das tut uns allen, die wir ja nicht nur an die Person Fritz Bauer erinnern wollen, sondern an seine politische Funktion, unendlich gut, weil in diesem Rahmen sicher auf die Trivialisierungen und Verleumdungen verzichtet wird, die leider aus durchsichtigen Gründen gerade von dem Institut vor Jahren ausgingen, das seinen Namen trägt. Denn ausgerechnet dieser heute gezeigt Dokumentarfilm, der 2010 auf der Berlinale mit einem Schlag Fritz Bauer dem Vergessen entriß, wurde anschließend vom Fritz Bauer Institut zuerst ignoriert und dann bekämpft. Über das Warum haben wir sehr lange gerätselt, aber dann schälte sich die Absicht heraus. Das Institut – wichtig: wir reden von der Vergangenheit, als Raphael Gross das FBI und das Jüdische Museum Frankfurt leitete und im Archivar des FBI, Werner Renz, einen willigen und fleißigen Initiator fand – wurde nach Fritz Bauer benannt, weil dieser spätestens mit dem Auschwitzprozeß die ungeheuerliche deutsche Schuld und deren notwendige gesellschaftliche Aufarbeitung und Reue zum Thema Deutschlands machte. Das Institut selbst dient dem Zweck der wissenschaftlichen Erforschung des Holocaust und leistet hervorragende Arbeit, jetzt unter der Leitung von Sybille Steinbacher.

Wäre sie schon 2010 im Amt gewesen, das glauben wir fest, wäre sicher nicht das eingetreten, was dann der Fall war. Statt als Institut froh und stolz zu sein, daß mit dem Film FRITZ BAUER – TODE AUF RATEN von Ilona Ziok nun endlich eine Grundlage gegeben war, an der Person Fritz Bauers und vor allem den 50er und 60er Jahren der jungen Bundesrepublik in ihrer Verharmlosung der Naziverbrechen, der Verfolgung, Deportation und Vergasung von Millionen Menschen in den KZs anzuknüpfen, den Film also zu nutzen und ihn als Material einzusetzen, stattdessen wurde er als Quantité négligeable behandelt. Es kam noch schlimmer. Der Film hatte dem Institut klar gemacht, daß es selbst bisher nichts Vorweisbares zu seinem Namensgeber an die Öffentlichkeit gebracht hatte. Denn eine weitere Frau, Irmtrud Wojak, die sogar damals Stellvertretende Leiterin des FBI war, hatte doch mit FRITZ BAUER. 1903-1968. Eine Biographie auf 600 Seiten im Jahr 2009 vorgelegt und eine Ausstellung zur Person und dem Wirken von Fritz Bauer konzipiert und gezeigt.

Aber die Ausstellungsobjekte wurden nach Ende der Ausstellung gegen den Widerstand der Macherin unter der Verantwortung von Raphael Gross vernichtet, was vielleicht ein Grund ist, daß Irmtrud Wojak das FBI verließ. Das ließ nun als Antwort auf Wojak-Biographie und Ziok-Film ein eigenes Bauerbild backen, das nicht mehr den politischen Bauer in den Mittelpunkt stellte, sondern einen trivialisierten: zum einen eine durch einen Journalisten (und nicht Wissenschaftler) flott geschriebene und nur 300 Seiten umfassende Lebensbeschreibung mit allerlei Andeutungen unter der Gürtellinie, zum anderen durch die Initiierung und Unterstützung von spektakulären Spielfilmen, die Bauer teils zu einer Karikatur machen sowie einer neuen Ausstellung, die seit Jahren durch Deutschland tourt, im Kern eigentlich gut ist, aber in drei wichtigen Bereichen Lügen auftischt und verbreitet.

Und das alles, weil Männer im Fritz Bauer Institut nicht ausgehalten haben, daß Frauen in und außerhalb des Instituts das Bild von Bauer nun bestimmten? Uns fällt keine andere Deutung ein, denn der ganze Kampf und Krampf gegen den Ziokfilm, den insbesondere der Diener seines Herrn, der inzwischen pensionierte Werner Renz, längere Zeit zu seiner Hauptbeschäftigung gemacht hatte, hat keine inhaltlichen Gründe, sondern ist nackte Konkurrenz, eine völlig irre zudem, den sie nützt überhaupt niemandem und hat sehr vielen geschadet.

Am meisten dem Gedenken an Bauer in den Aspekten seiner Tätigkeit, die ihm die wichtigsten waren: «Nichts gehört der Vergangenheit an. Alles ist Gegenwart und kann wieder Zukunft werden.» Natürlich können wir auch diese Aussage von Fritz Bauer im Film von ihm selbst hören, denn FRITZ BAUER – TOD AUF RATEN ist ein Dokumentarfilm, der zum einen seinen Protagonisten sprechen läßt, zum anderen Zeitzeugen zu ihm befragt und sie vielfältig über ihn reden läßt, aber an keiner Stelle einen eigenen Kommentar zur Person Bauers abgibt – im Gegensatz zu den Spielfilmen, die aufbauend auf wirklichen Geschehnissen aber eigene, teil abwegige Interpretation der historischen Figur Bauer erfinden.

Umso peinlicher für die ARD, das sie selbst am 50. Todestag, dem morgigen 1. Juli, nicht endlich Zioks TOD AUF RATEN aufführt, sondern einen der Spielfilme, den spektakuläreren zudem, nicht den besseren. Weltexpressoautor Kurt Nelhiebel hat monatelang recherchiert, weil er herausbekommen wollte, woher das Verdikt in der ARD rührt, den Ziokfilm, der ja immerhin von zwei Fernsehanstalten, dem Saarländischen Rundfunk und dem Hessischen Rundfunk Geld bekommen hatten und abgenommen worden waren, nicht mal zum 50. Todestag auszustrahlen. Sie können das Prozedere nachlesen, die Winkelzügerei und das Nichtbeantworten von Briefen und Bitten um Erklärungen. Dabei ist es ganz einfach, denn die Entscheidung in der ARD führt sich auf eine Abstimmung im Geschichtlichen Arbeitskreis zurück, die wiederum auf Fehlinformationen zweier Personen beruht, der nun schon sattsam bekannte Werner Renz vom FBI und Esther Schapira vom Hessischen Rundfunk, die auch mir gegenüber Vorwürfe gegen den Film erhob, die einfach nicht stimmen.

Aber um das zu wirklich zu klären, müßte die ARD ein Interesse daran haben. Sie müßte konkrete Gründe, die gegen den Film sprechen, anführen. Ich weiß nur, wie ich vor Wut schäumte, als ich vor Jahren mir einen endlos langen Film über die – in diesen Tagen gestorbene - Tochter von Heinrich Himmler anschauen mußte, die ihren Vater verehrte und sicher war, daß er keinem etwas zu leide tat – ist ja alles nur erfunden, das mit den Nazis und den KZs. So was wird einem von einem Geschichtlichen Arbeitskreis stundenlang zugemutet, aber der Film, der den unermüdlichen Aufklärer Fritz Bauer zeigt, dessen Ausstrahlung verhindert die ARD.

Ungeheuerlich – aber der Zahn der Zeit nagt. Da ist noch nicht das letzte Wort gesprochen. Denn solche durchsichtigen Machenschaften laufen eine gewisse Zeit, aber dann kommen neue Leute und eine neue Zeit. Wir sind sicher, das noch zu erleben, denn der Vorgang ist nachgerade widerlich. Leider wird keiner der Herren und Damen meine Worte zum Anlaß nehmen, gegen mich wegen Falschaussage zu klagen. Denn dann müßten ja nicht nur die Argumente auf den Tisch, sondern die Namen fallen von den Personen, die die Ausstrahlung von FRITZ BAUER – TOD AUF RATEN im ersten Programm unbedingt verhindern wollen, nicht nur die Namen, sondern auch ihre Argumente. Wäre das schön.

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www.fritz-bauer-film.de