Farbe HorizontsSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 12. Juli 2018, Teil 1

Margarete Frühling

München (Weltexpresso) - Die Amerikanerin Tami Oldham (Shailene Woodley) ist 1983 23 Jahre alt und hat sich seit ihrem Highschool-Abschluss rund um die Welt treiben lassen. Gerade mustert sie in Tahiti als Köchin von einem Schiff ab und arbeitet in der dortigen Marina.

Sie lernt den etwa 10 Jahre älteren englischen Segler Richard Sharp (Sam Claflin) kennen, der bisher mit seiner selbstgebauten 36-Fuß Yacht Mayaluga allein um die Welt gesegelt ist. Die beiden verlieben sich und beschließen, gemeinsam nach Japan zu segeln.

Da erhält Richard von einem ihm bekannten reichen älteren Ehepaar das Angebot, deren 44-Fuß Luxusyacht Hazana von Tahiti nach San Diego zu überführen - gegen eine sehr gute Bezahlung und Rückflugtickets. Richard und Tami nehmen das Angebot gerne an. Doch dann geraten sie mit der Hazana mitten im Pazifik, 2000 Seemeilen vom nächsten Festland entfernt, in einen Hurrikan der Kategorie 4 namens Raymond, den sie mit ihrem Boot nicht umfahren können.

In dem starken Sturm schickt Richard Tami unter Deck, während er am Steuer bleibt. Dort wird sie herumgeschleudert, schlägt sich den Kopf an und fällt in Ohnmacht. Als sie 27 Stunden später wieder erwacht, ist ihre Yacht nur noch ein Wrack und Richard verschwunden. Sie stellt auch fest, dass weder der Motor noch die Navigations- und Kommunikationsgeräte funktionieren. Sie kann sich nur noch mit einem Sextanten, ihrer Armbanduhr und den Seekarten orientieren. Etwas später findet sie Richard schwer verletzt am im Wasser schwimmenden Rettungsboot.

Tami muss versuchen, das Boot nicht nach San Diego, sondern mit Hilfe der Strömung nach Hawaii zu manövrieren. Für sie beginnt ein Wettlauf mit der Zeit, denn sowohl die Nahrungsmittel als auch das Trinkwasser sind knapp...


Regisseur vom Film "Die Farbe des Horizonts", der im Englischen übrigens viel korrekter "Adrift" (Treiben) heißt, ist der isländische Extremfilmer Baltasar Kormákur, der auch für das Bergsteigerdrama "Everest" (2015) verantwortlich war.

Der Film basiert auf dem autobiografischen Erfahrungsbericht Red Sky In Mourning: A True Story Of Love, Loss And Survival At Sea, den Tami Oldham Ashcraft gemeinsam mit der Profiautorin Susea McGearhart verfasst und 2002 im Selbstverlag veröffentlicht hat.

Tami Oldham brach zusammen mit Richard Sharp im September 1983 von Tahiti auf, um die Yacht Hazana nach San Diego zu überführen. Nach drei Wochen auf See gerieten sie in einen extrem starken Hurrikan. Am 12. Oktober verlor Tami, die von Richard unter Deck geschickt wurde, dort das Bewusstsein. Nach dem Erwachen fand sie nur noch Richards Sicherheitsleine.

Das Boot war ohne Mast und halb voll Wasser, weder Motor noch Funkgerät waren funktionsfähig, sie hatte kaum noch Trinkwasser und nur noch wenige Lebensmittel. Tami war durch eine Kopfverletzung geschwächt und ihre genaue Position nach dem Sturm unklar. Sie benötigte 41 Tage, um mithilfe eines Sextanten, ihrer Armbanduhr, Seekarten und eines kleinen Vorsegels die hawaiische Insel Hilo zu erreichen.

Nach "All Is Lost" (2013) mit Robert Redford und "Vor uns das Meer" (2017) mit Colin Firth in den Hauptrollen, ist dies der dritte Film, in dem gekenterte Segler mit den Gewalten des Meeres kämpfen müssen. Im Gegensatz zu den beiden anderen Filmen wird aus Seglerkreisen dem neuen Film große Genauigkeit zuerkannt.

Die Dreharbeiten fanden nicht auf Tahiti sondern den Fidschi-Inseln statt. Dabei wurde allerdings bis zu 14 Stunden am Tag auf hoher See und nicht, wie in Filmen normalerweise üblich, in einem Wassertank gedreht. Dadurch sind sehr intensive Bilder auf und unter Wasser entstanden, für die der Kameramann Robert Richardson verantwortlich zeichnet, der 2012 für "Hugo Cabret" mit einem Oscar als bester Kameramann ausgezeichnet wurde. Diese tollen Bilder machen den Film visuell zu einem außergewöhnlichen Erlebnis. Für die Filmmusik war der deutsche Komponist Volker Bertelmann alias Hauschka zuständig, der 2017 für "Lion: Der lange Weg nach Hause" einen Oscar erhielt.

Baltasar Kormákur hat die Story nicht linear erzählt, sondern der Film beginnt, wenn Tami nach dem Hurrikan unter Deck aus ihrer Ohnmacht aufwacht. "Die Farbe des Horizonts" springt immer wieder zwischen Tamis Überlebensbemühungen auf der havarierten Yacht und den romantischen Rückblenden hin und her. Dies führt dazu, dass der Zuschauer von Anfang an am Überlebenskampf auf der Yacht teilnehmen kann und nicht durch die Vorgeschichte, wie die beiden sich kennen und lieben lernen, gelangweilt wird. Dies macht den Film über die ausweglos erscheinende Situation auf dem Pazifik ungemein spannend.

Der Hauptdarstellerin Shailene Woodley, die auch als Produzentin fungiert, gelingt es, die mentale Stärke und den nicht zu brechenden Überlebenswillen von Tami Oldham überzeugend darzustellen. Sie wird im Film zu jeder Zeit als eine autonome, selbstbewusste und entschlossen handelnde Person dargestellt.

Sam Claflins Rolle als Richard ist die eines Zuarbeiters. Er gibt Tami das Selbstvertrauen, berät und bestärkt sie, da Richard durch seine Verletzungen sich selbst nicht bewegen kann, sondern während der ganzen Zeit nur unter einem Sonnensegel auf Deck liegt.

Insgesamt ist der Film, eine gelungene Mischung aus Überlebens- und Liebesfilm. "Die Farbe des Horizonts" ist nicht nur ein spannender Seglerfilm, in dem die handelnde Person endlich einmal eine Frau ist, sondern er hat sich auch bemüht, die Situation mit dem havarierten Boot so realistisch wie möglich darzustellen, wobei er weitestgehend auf übermäßig kitschige Szenen verzichtet. Der spannende Film ist deshalb nicht nur für Segel-Enthusiasten unbedingt sehenswert.

Foto: Sam Claflin als Richard und Shailene Woodley als Tami © Tobis Film GmbH

Info:
Die Farbe des Horizonts (USA 2018)
Originaltitel: Adrift
Genre: Drama, Abenteuer, Romanze
Filmlänge: 96 Minuten
Regie: Baltasar Kormákur
Drehbuch: David Branson Smith, Aaron Kandell, Jordan Kandell - basierend auf dem Buch von Tami Oldham Ashcraft und Susea McGearhart
Darsteller: Sam Claflin, Shailene Woodley u.a.
Verleih: Tobis Film GmbH
FSK: ab 12 Jahren
Kinostart: 12.07.2018