f FOXTROT 08 NFP Foto Giora BejachSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 12. Juli 2018, Teil 8

Hannah Wölfel

Berlin (Weltexpresso) - Der exzellente israelische Film „Foxtrot“, unter anderem 2017 mit der Silbernen Palme in Venedig ausgezeichnet, wurde soeben auf dem Jüdischen Filmfestival Berlin in Deutschland uraufgeführt und kommt heute in die Kinos.

„Sind sie Frau Feldmann?“ fragen die uniformierten Soldaten. Sofort fällt die Frau, die ihnen die Tür öffnet, in Ohnmacht. Sie weiß, was die Frage bedeutet und die Uniformierten wissen, was sie auslöst. Routiniert bekommt sie eine Spritze und wird ins Bett geschafft, dann widmen sich die Militärs dem Mann: „Ihr Sohn ist gefallen...“ Unaufhörlich wird dem versteinerten Vater versichert, es werde für alles gesorgt, er brauche sich keine Sorgen zu machen. Die ersten langen Szenen überwältigen den Zuschauer nicht, sondern lassen ihm Raum zum Mitschwingen.

Doch die groteske Professionalität der militärischen Helfer schafft auch Distanz zum Geschehen: Sein Handy werde ihn jede Stunde erinnern, ein Glas Wasser zu trinken, bekommt Feldmann (Lior Ashkenazi) mehrfach zu hören. Nach leidvollen Stunden stellt sich heraus, dass alles nur eine Verwechslung war. Dennoch schäumt der Vater vor Wut, schreit nach seinem Sohn. „Es ist doch ein anderer gewesen“, beschwichtigt ihn seine Frau (Sarah Adler), „Panikattacke“, murmelt mehrmals ein Helfer.

Ein harter Schnitt: Ein einsamer, heruntergekommener Grenzposten irgendwo im Ödland, den vier blutjunge Soldaten bewachen. Sie bewohnen einen verrotteten Container, der jeden Tag tiefer im Schlamm versinkt. Einer von ihnen ist Jonathan Feldmann (Yonatan Shiray), der hinter dem Maschinengewehr hockt, wenn er nicht gerade zeichnet oder lustlos mit den Kameraden Bohnen aus Dosen isst. Durch den Übergang fahren selten Zivilautos, deren Insassen akribisch überprüft und auf absurde Weise schikaniert werden: Ein Spielzeugroboter darf nicht einreisen und muss vor der Station stehenbleiben. Ab und zu wird die Grenze auch von einem Kamel überquert, für das die Posten gefällig die Schranke öffnen. Eines Tages kommt es zu einem versehentlichen Massaker an Zivilisten. „Im Krieg passiert so etwas“, rechtfertigt das später ein hoher Offizier, bevor er Jonathan nach Hause fährt.

Im dritten Teil des Filmes begegnen sich seine Eltern, Dafna und Michael Feldmann, nach ihrer offensichtlichen Trennung wieder. Sie streiten, diskutieren, rauchen das Haschisch des Sohnes, nähern sich einander an. Erst ganz behutsam erfährt man, was eigentlich passiert ist - so wie die Akteure in dem verstörenden Film ist man auch als unwissender Zuschauer lange auf sich geworfen. Das kafkaeske Drama-Puzzle fügt sich erst am Schluss des Films zusammen. Mehr wird hier nicht verraten, denn es gibt einige spannende Wendungen in „Foxtrot“. Diese Wenden könnte man auch Drehungen nennen, weil der - im Englischen mit nur einem t geschriebene - Tanz dafür steht, dass man am Ende seiner Schrittfolge wieder am Start anlangt.

„Foxtrot ist der Tanz eines Mannes mit seinem Schicksal“, sagt Regisseur Samuel Maoz über sein Werk, das sich gängigen politischen Stereotypen des Nahostkonfliktes verweigert, aber auch keine bedrückenden cineastischen Klischees von Anti-Kriegsfilmen nutzt. Eigentlich ist er ein zeitloser und geografisch nicht lokalisierbarer Film mit universellen, eher bildhaften als moralischen oder belehrenden Aussagen über Kriege und Menschen, die Angehörige verlieren. Maoz erklärt dazu, „Realismus interessiert mich nicht! Eine Idee entzündet sich bei mir immer am visuellen Aspekt, an einem Bild im Kopf und dieser Auslöser dient dann der Geschichte.“



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© NFP Giora Bejach

Info:
„Foxtrot“ Israel/Deutschland/Frankreich/Schweiz 2017, Spielfilm, 108 Min, Filmstart 12. Juli 2018
Regie: Samuel Maoz mit Lior Ashkenazi, Sarah Adler, Yonaton Shiray, Shira Haas u.a.

JÜDISCHES FILMFESTIVAL Berlin

Diese alljährlichen Festspiele engagieren sich seit fast einem Vierteljahrhundert für die Wiederbelebung der jüdischen Kultur in der Hauptstadt. Es werden Filme aus Israel gezeigt oder Streifen, in denen jüdische Menschen - auch fröhlich überzeichnet - vorkommen. Das soeben beendete Festival setzte mit seiner Losung „No Fake Jews“ ein deutliches Zeichen gegen den wachsenden Antisemitismus in der Stadt: In Berlin werden neuerdings jüdische Menschen nicht mehr nur in muslimisch geprägten Stadtteilen wie Neu-Kölln bedroht, sondern auch in bürgerlichen Stadtteilen angepöbelt und angegriffen.