hwk catrin striebeck martina und entfuehrer „8. Kurdische Filmfestival“ in Berlin-Kreuzberg (Tagebuch 2)

Hanswerner Kruse

Berlin (Weltexpresso) - Seltsame Momente zwischen Kino und Realität: Die Streifen des Festivals zeigen (meist) kurdische Menschen und sobald das Licht nach dem Ende des Films angeht, ist man mitten unter ihnen. Auch wenn das Publikum multikulturell und altersgemischt ist - so sind doch immer sehr viele kurdische Filmemacher, Schauspielerinnen und andere Künstler dabei. Das Festival ist auch - oder gerade - zwischen den Vorführungen ein Ort zum Treffen und Diskutieren der Kulturschaffenden untereinander oder mit dem Publikum.

„Das Milan Protokoll“, ein spannender Politthriller von Peter Ott (D 2018) den ich gestern sah, entführt in das wilde Kurdistan in Syrien und im Irak. Die dort arbeitende und fest verwurzelte deutsche Ärztin Martina (Catrin Striebeck) wird bei einer medizinischen Hilfsaktion von unbekannten Kämpfern verschleppt. Unerbittlich bewachen sie die martialischen Männer, betonen aber ständig, sie gehörten nicht zum Islamischen Staat (IS). Zwischen ihnen gibt es dennoch häufig heftigen Streit über den richtigen Umgang mit der Geisel. Wie sich irgendwann herausstellt, wollen sie sich vom IS lösen und dazu die Entführte nutzen, um einen Deal mit deutschen Behörden zu machen. „Ihr überschätzt meinen Wert“, sagt die Ärztin.

Die IS-Führung, die von der Geschichte Wind bekommt, ruft in Mossul zur tödlichen Jagd auf die „Spionin“ auf. Immer mehr Gruppen versuchen die Entführte zu befreien oder als Handelsware in ihre Gewalt zu bringen, der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) mischt sich ein und auch die Türken wollen dabei sein...

Die Geschichte der entführten Martina wird nicht linear erzählt, sondern beginnt gleich nach der Entführung mit ihrer Auslieferung an den BND: Ein Geheimdienstler verhört die Ärztin und erstellt das „Milan-Protokoll.“ Zahlreiche Rückblenden und Parallelhandlungen machen den Film vielschichtig und dennoch sehr spannend, auch wenn man ja bald weiß, dass die Frau überlebt. In dieser Struktur des Streifens spiegelt sich auch die Komplexität der Situation im Nahen Osten wider. Ganz nebenbei werden zahlreiche Themen angeschnitten, etwa die Situation und Rolle der Kurden oder die Behandlung der Frauen durch die Islamisten (ganz selbstverständlich kämpfen in der Peschmerga-Armee unverschleierte selbstbewusste Frauen). Und natürlich geht es letztlich um die Flugkörper des hochklemplexen und sehr effektiven Panzerabwehrsystems Milan, mit dem die Deutschen die Peschmerga beliefern.

Niemand steckt in den Auseinandersetzungen zurück um seine Interessen durchzusetzen: John le Carré auf kurdisch. Das Geiseldrama kam Anfang 2018 in ausgewählte Kinos und ist kein überfrachteter Politfilm sondern ein spannende, sehenswerter Thriller. Als DVD und Streaming erhältlich!


Foto:
Catrin Striebeck als „Martina“ © REALFICTION

Info:
Trailer unter https://www.youtube.com/watch?v=ScDZtGp4eNI