Kurdische Filmfestival“ in Berlin-Kreuzberg (Tagebuch 3)
Hanswerner Kruse
Berlin (Weltexpresso) - Todesmärsche in die Wüste. Brutal vergewaltigte Frauen. Männer mit durchgeschnitten Gurgeln. Erschlagene Kinder... Fatih Akin mutet den Zuschauern in seinem Melodram „The Cut“ zunächst einiges zu. Darin geißelt er die Türken für Ihren Genozid am armenischen Volk im frühen 20. Jahrhundert, bei dem Hundertausende Menschen starben. Später versackt der endlos lange Film (138 Minuten) im Betroffenheitskitsch - es ist kein cineastisches Meisterwerk, aber eine engagierte und solidarische Hommage an die Armenier. „The Cut“ von 2004 war der letzte Streifen, den ich beim Kurdischen Filmfestival in der Reihe „Fokus Armenien“ sah.
Eine berührende Szene zeigt den weinenden Armenier Nazareth, der jahrelang verzweifelt seine Zwillingstöchter sucht: 1918 in Aleppo sieht er, wie auf eine Backsteinmauer Charlie Chaplins „The Kid“ projiziert wird. Bereits in der Frühzeit des Films gab es also schon Lichtspiele im Orient. Doch die Filme dort, auch in den kurdischen Ländern, „kamen immer von außen“, meint ein Schauspieler im Making-off-Streifen zum „Milan Protokoll“: „Kino als Beruf und Kultur war lange nicht vorhanden. Doch mittlerweile haben wir gute Schauspieler und Regisseure.“
Unter den 40 Filmen des kleinen Festivals sind viele Arbeiten, die Unterdrückung, Flucht und Krieg thematisieren. „Im ganzen 20. Jahrhundert gab es für uns Kurden nichts anderes als Kampf und Widerstand“, meint dazu ein anderer Schauspieler, „das hat uns geprägt. Sicher werden wir eines Tages auch andere Filme machen...“ Die westeuropäischen Kurden im Exil können das durchaus, wie ich bei den Kurzfilmen sehen konnte.
Inwieweit das ganze Festival martialisch geprägt war, so wie der Teaser, der vor jedem Film lief, kann ich nicht beurteilen. Dazu habe ich zu wenige Filme gesehen. Mein persönliches Fazit ist, dass ich mich mehr mit den politischen Differenzen innerhalb der kurdischen Freiheitsbewegung und der kurdischen Kultur beschäftigen möchte.
Die Festspiele waren schon sehr kurdisch geprägt und im wesentlichen wohl (oder auch) ein wichtiger Meeting Point von Filmschaffenden, für die es auch entsprechende „Panels“ gab zu den hochinteressanten Themen: „Weibliche Perspektiven im kurdischen Filmschaffen“, „Filmschaffen in „Kriegszeiten“ oder „Digitale Distribution – Die Zukunft des kurdischen Films?“ Die Veranstalter selber meinen, „das Kurdische Filmfestival Berlin ist einer der wichtigsten Treffpunkte für kurdische Filmschaffende aus aller Welt.“
Foto:
Immer wenn Nazareth erschöpft ist, aufgeben will, nicht mehr weiterkann, dann erscheinen ihm seine vermissten Zwillingstöchter wie Mut machende Engel (Szenenbild aus „The Cut“ © Pandora-Film)
Info:
www.kurdisches-filmfestival.de