f asphaltneuSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 30. August 2018,  Teil 7

N.N.

Berlin  (Weltexpresso) – Zu sehr Gorilla-untypischer Zeit um 9 Uhr morgens telefoniert Viola von München nach Berlin, um über den Film zu sprechen. Das erste, was in einem Gespräch mit der Produzentin auffällt, ist: Die ist schnell! Schon um 9 Uhr morgens! Eine Qualität, die für die Produktion von ASPHALT- GORILLAS nur von Vorteil sein konnte.

Hallo Viola, erinnerst du dich an deine ersten Gedanken, als Buck mit dem Stoff auf dich zukam?

Buck hat mir das Buch während der Berlinale gegeben, ein Jahr bevor wir gedreht haben. Er sagte, kannst du was damit anfangen, das ist sehr außergewöhnlich, ich brauche einen Produzenten, der darauf richtig Lust hat. Für mich war das ein wirklich besonderes Ding – so eine Konstellation, also ein so außergewöhnlicher Stoff mit so einer Regie - so eine Herausforderung kriegst du nicht oft.


f asphalt3Was hat dich daran gereizt?

Ich habe nie einen Schirach so umgesetzt gesehen. Und was mich natürlich total gereizt hat, war die weibliche Perspektive. Die starken Frauen da drin zu erzählen. Wir haben ein Jahr später angefangen zu drehen. Nicht viel Zeit - aber wir haben uns darauf geeinigt und haben gesagt: Vollgas. Jeder Film braucht seine eigene Zeit – aber das Ding sollte schnell gehen. Da braucht es eben auch einen Produzenten, der so was mitmacht, diesen Rock‘n‘Roll


Das Projekt gab es zu diesem Zeitpunkt ja schon eine Weile. Wie war dein Einstieg?

Als ich zu dem Projekt kam, hatte Buck schon in ziemlich viele verschiedene Richtungen überlegt, was für ein Film aus dem „Schlüssel“ werden kann. In der Kurzgeschichte geht‘s einfach um diese zwei Jungs, die sich verheben. Die ist lustig und gut geschrieben, bietet jetzt aber keinen emotionalen Bogen, den du über 90 Minuten spannen kannst. Ich fand es reizvoll, jetzt eben nicht diese Kurzgeschichte auf 90 Minuten aufzublasen, sondern sich von der Vorlage zu entfernen und zu überlegen, was für eine eigene Geschichte man drum herumerzählen könnte.


Und dazu gab‘s dann schon Ideen?

Buck hatte mit Cüneyt und Constantin da schon verschiedenste Ideen und etliche Buchfassungen geschrieben. Daraus hätte man ganz unterschiedliche Filme machen können. Ich habe geschaut, was interessiert mich daran, worauf hätte ich Bock? Und ich habe meinen Fokus ganz klar auf die Frauenfiguren gelegt.


Was an den Frauen im Film hat dich so fasziniert?

Für mich sind die Frauen diejenigen, die die Geschicke lenken. Klar sind die Jungs die Motoren, die loslaufen, aber in entscheidenden Momenten stellen doch die Frauen in unserem Film die Weichen. Und das finde ich als Frau natürlich brillant: Einen Film zu machen, in dem ich endlich mal Frauen sehe, die dem entsprechen, was ich vielleicht auch gern wäre, oder in mir selbst sehe, die einfach Chuzpe haben.


Damit nehmen die Frauen wesentlich wichtigere Rollen ein, als man im Gangster-Action-Genre vielleicht vermuten würde ...

Klar ist ASPHALTGORILLAS ein Gangsterfilm, aber eben auf eine andere Art. In den klassischen Gangsterfilmen, die sich ernst nehmen, vor allem die in Berlin spielen, kannst Du viel Rap hören - aber du kannst nicht Gangsterrapper nehmen, die Frauen als „Pussies“ abstempeln und in eine Richtung drängen, in die unsere Frauenfiguren einfach nicht gehören. Bei uns haben sie eine Stärke.


Du hast den Soundtrack angesprochen – welche Rolle spielt Musik für den Film?

Eine ganz starke! Buck kam irgendwann mit der Idee um die Ecke, wir könnten Pierre Baigorry treffen. Er wollte gerne mal einen Film machen. Wir hatten im Prozess der Zusammenarbeit durchaus viele Diskussionen, wie er was wahrnimmt, was ihn wie interessiert. Das war jetzt kein Schnellschuss. Aber darauf haben wir uns eingelassen. Wir haben gesagt, wow, wenn so ein Typ Lust hat, mal einen Film zu machen, dann ist uns das wichtig. Seine Musik hat ja auch Kraft.


Und jetzt ist der Soundtrack ja sehr divers und nicht gerade klischeehaft.

Das ist auch ein Potpourri. Man sagt ja, so ein Soundtrack muss eine einheitliche Richtung haben, damit sich das verkauft. Bei uns ist das aber ein kreatives Durcheinander, was eben hervorragend zu diesem Film passt. Es ist kein Chaos, aber es ist eben auch nie nur das eine, sondern immer auch das andere. Und das spiegelt sich in der Musik wieder. Wir haben nicht geschaut, was sich verkauft, sondern uns gefragt, was finden wir eigentlich gut?


Gilt das auch für den Film? Dieser Ereignisstrudel durch- bricht ja sicher die eine oder andere Sehgewohnheit ...

Natürlich will ich immer so viele Zuschauer wie möglich erreichen. Aber sagen wir mal so: Ich hätte es falsch gefunden das mit der Begründung, man müsste das jetzt für den Zuschauer einfacher machen, anders zu erzählen. Ich glaube, da hast du bei so einer Nummer am Ende dann gar nichts. Bei so einem Film musst du echt in die Vollen gehen und sagen: Geil, wie können wir noch mehr von dem, was wir wollen, erzählen, reinpacken und rüberbringen. Und nicht, wie können wir es einfacher oder klassischer machen. Das wäre der völlig falsche Ansatz.


Wie lief denn die Besetzung ab?

Als ich dazu kam, waren Jannis, Samuel und Kida bereits an Bord. Zusammen mit Wenka von Mikulicz, die viele Filme mit Buck gemacht hat, haben sie gemeinsam gesucht. Und Buck kennt die Typen ja auch alle. Du sitzt mit ihm am Tisch, dir fällt einer ein – und Buck ruft den sofort an und sagt danach, ist geklärt, er kommt morgen. Und dann kommt der morgen oder manchmal auch gleich und wir essen miteinander. So läuft das! Und bei Stefanie haben wir gesagt, okay, da brauchen wir echt eine Granate. Wir hatten für ihre Rolle auch tolle Schauspielerinnen im Casting, aber Buck wollte mal was Neues ausprobieren und damit hat er ja auch Erfahrung. Es ist einfach eine andere Art des Arbeitens.


Merkt man das den Castings an?

Das ist einfach nicht so verkopft. Das war für mich auch nochmal eine neue Qualität, das so zu erleben – im Casting ging es weniger darum, zu sagen, jemand spielt jetzt super oder mittelgut. Sondern es geht um die Energien, die die Leute mitbringen. Ella Rumpf zum Beispiel, die bringt einfach eine Haltung mit: Die scheißt sich nix. Die sagt, hey Jungs, was wollt ihr eigentlich von mir?! Wir haben sehr früh gecasted und über den Kontakt der SchauspielerInnen mit den Rollen hat sich der Film auch nochmal verändert. Und das ist natürlich super. Dass man nicht das Buch fertigmacht und anschließend besetzt, sondern dass das ineinander übergeht. Es geht um Energien und das, was die Leute mitbringen ...


Kommen wir zu den Dreharbeiten. Du hast ja schon gesagt, ihr hattet eine sehr kurze Vorbereitungszeit ...

Wir haben bewusst im Winter gedreht, da sind die Nächte lang. Der Film sollte die Stadt erzählen, wir wollten keine grünen Bäume. Wir haben gesagt, lass es uns nachts drehen, lass es uns schnell drehen. Und Buck ist irre flexibel. Buck braucht „den ganzen Schnickschnack“ nicht. Die Devise war, wir fangen früh an, sobald es dunkel ist, und haben um 3 Uhr morgens Schluss. Sonst wäre das der Killer gewesen. Aber natürlich ist es jetzt auch nicht unanstrengend, um zwei Uhr morgens im Februar im Regen in der Kälte am Kotti zu stehen. Aber dadurch, dass man ein hohes Energielevel fährt, wird das nicht zäh.


Das hört sich ziemlich straight an.

„Simplicity“ war echt die Marschrichtung – alles im Bild sehen zu wollen, sich aber nicht zu verkünsteln. Und ohne so einen Regisseur wie Buck kannst du das gar nicht machen. Der sagt „nee, brauch ich nicht, ich will das so und ich will das so“ – so, dass ich schon manchmal sagen musste, ich brauch das oder das aber schon, oder lass uns das nochmal so und so denken.


Wie ist denn Buck als Regisseur so?

Buck ist ungeduldig. Buck ist nicht einer, der ausschweift. Man kommt ans Set und man dreht. Man kann jetzt nicht stundenlang aufbauen, da sagt Buck schon „langweilig!“. Er bricht sehr schnell ab, weil er so ein alter Fuchs ist und ganz genau weiß, ob der Take was wird oder nicht. Der lässt jetzt nicht zwei Minuten die Kamera laufen und probiert nochmal oder versucht, die Schauspieler dann noch irgendwohin zu führen. Du musst natürlich vorher mit den Schauspielern gut vorgearbeitet haben, und alle müssen wissen, worum es geht. Buck kommt, will schnell drehen und dann aber auch fertig sein. Und das ist toll, wenn du so einen Film mit engem Budget machst. Das ist nicht so ein sanftes „wir gucken und tasten uns mal ran“, sondern das ist „BÄM – ich will drehen“ und „ZACK!“ wird‘s gemacht.


Dafür braucht man ein eingespieltes Team, oder?

Du musst flexibel sein, schnell reagieren und brauchst Leute, bei denen es ausschließlich um Kreativität geht. Es ging nur um die Sachen, warum was geil ist und geil aussieht. Guck dir die Kamera von Marc Achenbach an! Marc war ein großer Motor für diesen Film, weil der immer gesagt hat, ich will das machen!


Auch bemerkenswert, dass ihr die alle gekriegt habt trotz der kurzen Vorbereitungszeit ...

Ich konnte erst im November sagen, ob wir im Februar drehen, weil dann erst die Finanzierung da ist. Könnte also auch sein, dass wir im November sagen: Wir kriegen das nicht hin. Wenn du da nicht Leute hast, die sagen „wir sind einfach da“, bist du als Produzent auch aufgeschmissen. Das ist eine Gemeinschaftsarbeit von allen Gewerken. Buck ist natürlich der Kopf und das Herz, aber diese übergreifende kreative Gemeinschaftsarbeit war einfach sensationell. Eine der tollsten Arbeiten, die ich überhaupt je gemacht habe.


Also war Buck genau der Richtige für diesen Film?

Klar, ASPHALTOGORLLAS ist ein echter Buck! Buck, das ist nicht nur eines, das ist ja vieles! Und das kann man entweder unklar oder reichhaltig finden. Es ist halt einfach viel mehr. Buck ist ein Mensch, der nicht urteilt. Er betrachtet die Dinge. Menschen neigen gerne dazu, Sachen abzuwerten, und das kenne ich von ihm gar nicht. Er betrachtet die Welt und spürt dem nach, was ihn interessiert. Aber liebevoll und mit viel Humor. Und das spiegelt sich auch in dem Film wider.


Was macht dieses Projekt für dich so besonders?

Mit Buck zu arbeiten, weil er schnell und flexibel im Kopf ist! Weil nichts sein muss und alles sein kann. Und in diese Buck-Welt einzutauchen; in dieses kreative Team, das er sich aufgebaut hat, das inhaltlich und in der Ausführung so ineinandergreift. Du hast als Produzent ja auch die Aufgabe, zu schauen, dass in allen Gewerken verstanden wird, worum es geht, dass die Rahmenbedingungen geschaffen werden, dass es nicht aus dem Ruder läuft. Ich hatte da Leute, die auf so hohem Niveau kreativ arbeiten konnten mit den Mitteln, die sie zu Verfügung hatten. Das war intensiv und das war toll. Und erzählerisch bin ich wirklich stolz, dass das auch ein Schirach der anderen Art ist. Das ist einfach ein total außergewöhnlicher Film. Und so eine Chance hast du nicht so oft.

Vielen Dank für das Gespräch!


Fotos:
El Keitar (Kida Khodr Ramadan) ist extrem sauer: Seiner Meinung nach bringt ihm Atris' (Samuel Schneider, m.) neue Begleiterin Marie (Ella Rumpf) nicht genügend Respekt entgegen.
Die Mongolin (Uisenma Borchu) ist sehr entschlossen - und äußerst gefährlich.
© 2018 Constantin Film Verleih GmbH

Info:
BESETZUNG
ATRIS GHAREB      Samuel Schneider
MARIE ............        Ella Rumpf
FRANK.............       Jannis Niewöhner
EL KEITAR.........      Kida Khodr Ramadan
MO................          Oktay Özdemir
MONGOLIN .........   Uisenma Borchu
OXANA ............       Stefanie Giesinger
RONNY.............       Georg Friedrich
KOTTI-BOSS .......   SSIO
HASSAN ...........      Erdogan Atalay
BODYGUARD OMAR  Stipe Erceg

Interview übernommen aus dem Presseheft