Bildschirmfoto 2018 09 21 um 23.23.05Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 20. September 2018, Teil 10

N.N.

Oslo (Weltexpresso) - Die 18-jährige Kaja verbringt mit ihrer jüngeren Schwester Emilie ein paar ausgelassene Ferientage in einem Sommercamp auf der norwegischen Insel Utøya. Es gibt Streit zwischen den Schwestern und Kaja geht alleine zu dem geplanten Barbecue. Angeregt diskutieren die Jugendlichen über aktuelle politische Entwicklungen, als plötzlich Schüsse fallen. Erschrocken suchen Kaja und die anderen Schutz im Wald. Rasend kreisen ihre Gedanken. Was passiert um sie herum? Wer sollte auf sie schießen? Kein Versteck scheint sicher. Doch die Hoffnung auf Rettung bleibt. Und Kaja setzt alles daran, Emilie zu finden. Während die Schüsse nicht verstummen wollen.

Der Film UTØYA 22. JULI befasst sich mit einem Tag, der die Welt fassungslos gemacht und sich ins kollektive Gedächtnis eingeschrieben hat, jedoch bis heute unbegreiflich bleibt. Über die Medien wurden viele Fakten über den Terroranschlag am 22. Juli 2011 publik, doch kaum jemand weiß etwas über die unvorstellbare Panik und Verwirrung, die im Sommerlager herrschten, die unmöglichen Entscheidungen, die getroffen werden mussten, und die Angst und Trauer, die das Leben der Betroffenen für immer prägen werden.


Über den Film

UTØYA 22. JULI wurde anhand von Zeugenberichten und bekannten Fakten geschrieben sowie in intensiven Gesprächen mit Überlebenden entwickelt. Aus Respekt vor den Opfern und ihren Angehörigen sind die Figuren im Film und deren individuelle Erfahrungen jedoch vollständig fiktiv.

Am 22. Juli 2011 werden 500 Jugendliche in einem Ferienlager auf der Insel Utøya von einem schwer bewaffneten Attentäter überfallen – ein Trauma, das Norwegen bis heute tief erschüttert. Um dem Täter die Bühne zu nehmen, stellt Regisseur Erik Poppe die Opfer in den Mittelpunkt seines Spielfilms. Konsequent aus ihrer Sicht inszeniert und in einer einzigen Einstellung gedreht, gelingt ihm eine atemlose Rekonstruktion des Geschehens von ergreifender Wucht. UTØYA 22. JULI bleibt ganz nah bei seiner Hauptfigur Kaja – grandios verkörpert von Nachwuchstalent Andrea Berntzen, deren intensives Spiel uns in den Bann zieht und nicht mehr loslässt. Ein Film gegen das Vergessen und die Sprachlosigkeit.

Ein Großteil der medialen Berichterstattung beschäftigte sich mit dem Manifest des Terroristen und dem Gerichtsprozess. Mit UTØYA 22. JULI will Regisseur Erik Poppe einen anderen Zugang öffnen, den Kampf der Jugendlichen zeigen und die Aufmerksamkeit zu den Opfern zurücklenken sowie zu ihren Angehörigen und Familien.


Der FBW-Hauptausschuss hat dem Film das Prädikat besonders wertvoll verliehen. Auszug aus dem Gutachten vom 10. Juli 2018:

»Angesichts eines so schrecklichen Geschehens wie des Anschlags auf der norwegischen Insel Utøya am 22. Juli 2011 muss man die Frage, ob darüber ein Spielfilm gemacht werden »darf«, mit einem klaren Ja beantworten. Denn die Kunst kann es auch erreichen, dass den Menschen ein anderer, tieferer Blick auf solche Geschehen, die Teil des kollektiven Bewusstseins geworden sind, ermöglicht wird. Aber der Künstler hat natürlich eine besondere Verantwortung, wenn er sich dieser Herausforderung stellt. [...] Zum einen besteht die Gefahr, dass der Film dem Genre Thriller zugeordnet wird und entsprechend als Unterhaltung konsumierbar ist. Zum anderen könnte der Film auf eine perfide Weise im Sinne des Attentäters wirken, denn ein entscheidender Teil der Strategie eines terroristischen Anschlags besteht darin, dass er in der Öffentlichkeit als eine Schreckenstat, mit der der Täter seine Ideologie durchsetzen will, wahrgenommen wird. Poppe hat einerseits konsequent vermieden, den Konventionen des Genres zu folgen. So zeigt er eben nicht, wie Menschen erschossen werden und er folgt keiner gängigen Dramaturgie mit Spannungsbögen und der Art, wie Täter, Helden und Opfer in fiktiven Filmen in der Regel repräsentiert werden. Und Poppe verzichtet ebenso konsequent darauf, vom Täter zu erzählen. Dessen Name fällt im ganzen Film nicht - auch nicht in den abschließenden Textzeilen, die für eine Einordnung des Gesehenen unerlässlich und kein Stilbruch sind, da sie am Schluss des Films aus diesem herausführen. Von diesem Ende und der Collage von Medienbildern des ersten Anschlags in Oslo am Anfang des Films abgesehen, wird in einer einzigen Einstellung von den 72 Minuten erzählt, die der Anschlag gedauert hat. Und zwar aus der Perspektive einer der Schüler*innen, die in dem Ferienlager auf der Insel das Attentat miterleben. Poppe zwingt die Zuschauer geradezu, das Geschehen aus ihrem Blickwinkel mitzuerleben. Sie können so unmittelbar und sehr authentisch nachempfinden, was die Protagonisten Kaja sieht, weiß, tut und vor allem empfindet, denn der Schock, die Angst und das Entsetzen werden nicht durch die in fiktiven Filmen sonst üblichen Distanzierungsangebote wie Stilisierung, Typisierung, Perspektivwechsel oder auch die Montage gefiltert. Sowohl ästhetisch wie auch inhaltlich erzählt Poppe radikal im Sinne der Opfer.«

Foto:
Andrea Berntzen
© Agnete Brun

Info:
„Utøya 22. Juli 2011“, Norwegen 2018, 93 Minuten FSK 16 Jahre
Regie Erik Poppe mit Andrea Berntzen u. a.