Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 4. Oktober 2018, Teil 1
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Armes Tier, das dafür herhalten muß, eine Metapher für problematische Beziehungen zwischen einem jungen Ehepaar zu sein, wobei die beiden als Menschen gar nicht so jung sind, aber die Ehe ist eben jung. Doch die Probleme, die wir miterleben, die sind uralt. Und sie sind auch nicht nur Probleme zwischen Mann und Frau, miteingeschlossen sind die kulturellen Unterschiede zwischen Lebenssituationen, hier: dem Iran und Deutschland.
Wenn ich nicht eine Freundin hätte, die einmal aus ähnlichen Motiven aus dem Iran nach Deutschland kam, weil ihr Mann – die beiden waren blutjung – in Deutschland studieren wollte, dann aber mit dem Mannsein und dem Frausein hierzulande nicht zurecht kam und in Deutschland eine iranische Frau so haben wollte, wie sie im Iran gewesen wäre, tja, wenn ich das nicht alles kennte, wer weiß, ob ich so genau hingeschaut hätte bei diesem Film, der oberflächlich einfach eine Ehegeschichte zu sein scheint, aber natürlich das ganze Leben meint mit all den Veränderungen, die wir erfahren: etwas Vorgegebenes leisten müssen, gleichzeitig widerständig zu sein, damit wir nicht nur als jeweils angepaßte Figur durch die Welt laufen, im Iran also so und in Deutschland anders, sondern eine persönliche Entwicklung nehmen können, um langsam herauszufinden, wer man eigentlich ist, was man vom Leben will und was man will, was das Leben von einem wollen sollte.
Mithin es geht um alles. Aber sehr schlicht und in langsamer Abfolge. Die Regisseurin Susan Gordanshekan hat sich auch das Drehbuch geschrieben und da sie noch nicht allen bekannt ist, etwas mehr über ihren Hintergrund. Sie stammt aus Kassel, wo sie 1978 als Tochter iranischer Immigranten geboren wurde. Sie studierte erst einmal Kommunikationsdesign – nein, keine Ahnung, was man da macht – in Hannover und Frankreich, erst nach ihrer Mitarbeit beim NDR, setzte sie ein Studium an der Filmhochschule München drauf, was sie offiziell 2015 abschloß, aber schon zuvor durch Filmbeiträge aufgefallen war, was sie mit diesem Film, der im Rahmen der BERLINALE zu sehen war, fortsetzt, so gut kam er beim Publikum an.
Was dem Zuschauer bei diesem Film auffällt, ist, wie leise er erzählt wird, leise deshalb, weil die beiden Darsteller, die attraktive Mina aus dem Iran (Pegah Ferydoni, einst aufgedreht in TÜRKISCH FÜR ANFÄNGER ) und der in Deutschland zum Arzt gewordene persische Kian (Hadi Khanjanpur, bekannter geworden durch BAD BANKS) hier sehr verhalten agieren, was zu den jeweiligen Rollen genau paßt, denn es sind zwei unsichere Menschen, denen wir hier in der schwierigen Situation einer arrangierten Ehe begegnen. Und darauf wollten wir hinaus, daß das, das Arrangieren, viel häufiger vorkommt, als wir es gemeinhin annehmen. Denn immerhin wäre doch der in Deutschland lebende Kian, der also Arzt geworden ist, gar nicht darauf angewiesen, auf ein Arrangement. Er könnte doch hier....Das sagte sich so leicht, aber wie viele junge Männer – ein Migrant zu sein, vergrößert das Problem noch, aber es ist es nicht die alleinige Ursache – lange und manchmal sogar für immer ohne eine Frau leben, weil es sich einfach nicht ergeben hat, sie nicht wußten, wie und was, das wird nie gesellschaftlich reflektiert. Auch nicht, wenn eine Frau alleine bleibt.
Und bei einem wie Kian verschärft seine Herkunft das Problem, Frauen kennenzulernen, denn erst dann kann man ja unterscheiden lernen, welche Frau man gerne für ein ganzes Leben an seiner Seite hätte. Da liegt es für Kian nach einigen Mißerfolgen mit seinen Anbahnungsversuchen doch nahe, auf ein bewährtes Prinzip aus der Heimat zurückzugreifen: die arrangierte Ehe. Um diese kümmern sich die Verwandten, vorwiegend die Eltern, die oft auch Heiratsvermittler beauftragen. Warum auch die attraktive Mina und als Elektroingenieurin Ausgebildete sich auf eine arrangierte Ehe einläßt, hat mit den persönlichen Erfahrungen zu tun. Denn sie hatte einen Mann, allerdings hatte der eine andere Frau, gesetzlich. Und auf Dauer tut die Funktion einer Geliebten einfach weh...
Dem entzieht sich Mina durch eine solche Ehe, die sie zudem nach Deutschland bringt, wohin sie mit viel Hoffnung nun als Ehefrau zieht. Allerdings ist die Beziehung zwischen beiden erst einmal tröge. Sie beschäftigt sich im Haushalt, ist unzufrieden, weil alle ihre Versuche, eine Stelle zu finden, nichts fruchten. Und dann die Katze. Genau. Die Metapher. Und das Hilfsmittel zugleich. Als sie den Ausspruch von der defekten Katze losläßt, sagt ihr naturwissenschaftlicher gebildeter Arztmann nur: „Aha, Du meinst Gendefekt“. Und die Metapher ist also ihre gendefekte Ehe, denn die ist irgendwie gestört/verstört, was die Zuschauer durch das subtile Spiel der beiden verunsicherten Eheleute merken, aber eben auch mitbekommen, wie beide kleine Schritte aufeinander zu tun, wie jede gemeinsame Unternehmung eine stabilere Beziehung zur Folge hat.
Wichtig ist auch der Assimilierungsprozeß, den Mina durchläuft, wozu das Erlernen der deutschen Sprache gehört, was wir auch miterleben, vor allem aber die Freizügigkeit in der Kleidung, was ihr gut paßt, wenn sie im Bikini im Schwimmbad Blicke auf sich zieht. Aber alles sehr dezent, denn dies ist das Markenzeichen dieses Films, der darum auch nicht anders enden kann, als daß wir GLAUBE, LIEBE, HOFFNUNG mit nach Hause nehmen, weil die beiden Eheleute auf diesem Trip vorwärts gekommen sind...
Foto:
© Verleih
Info:
Darsteller
Pegah Ferydoni (Mina)
Hadi Khanjanpur (Kian)
Henrike von Kuick (Sophie)
Constantin von Jascheroff (Lars)
Arash Marandi (Masoud)
Kianoosh Sadigh (Maryam)
Azar Shahidi (Frau Torabian)
Mahdokht Ansari (Rawi)
Marzieh Alivirdi (Frau Faridani)
Massud Rahnama (Herr Faridani)