f dogman 2Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 18. Oktober 2018, Teil 13

Matteo Garrone

Rom (Weltexpresso) - Wie bei vielen meiner Filme stand am Anfang von DOGMAN eine visuelle Anregung, ein Bild, eine Umkehrung der Perspektive: ein paar in Käfige gesperrte Hunde, die eine Explosion menschlicher Bestialität miterleben. Dieses Bild hatte ich vor über zehn Jahren im Kopf, als ich erstmals darüber nachdachte, diesen Film zu drehen. Aber ging es dabei wirklich um diesen Film? Das ist schwer zu sagen, denn im Laufe der Zeit hat sich DOGMAN mit mir verändert, wurde ein immer wieder neuer, anderer Film.

Manche der ursprünglichen Ideen sind in den fertigen Film eingeflossen, aber ich glaube nicht, dass sie den tiefsten Kern der Geschichte ausmachen, die ich erzählen wollte: So ist DOGMAN nicht nur ein Film über Rache, obwohl Rache – oder besser gesagt: Erlösung – eine wichtige Rolle spielt. Ebenso wenig handelt es sich um eine bloße Variation des (äußeren) Themas eines Kampfes zwischen den Schwachen und den Starken. Vielmehr ist DOGMAN ein Film, der uns, wenn auch durch eine „extreme“ Geschichte, mit etwas konfrontiert, das uns alle betrifft: mit den Konsequenzen der Entscheidungen, die wir täglich treffen, um uns über Wasser zu halten; mit den Jas, die ein späteres Nein ausschließen; mit dem Unterschied zwischen dem, was wir sind und was wir zu sein glauben. Indem DOGMAN solch tiefgehende Fragen und den Verlust menschlicher Unschuld thematisiert, ist er ein universeller Film, wie ich finde, „ethisch“ und nicht moralisierend: Deshalb möchte ich mich entschieden von den Nachrichten-Schlagzeilen distanzieren, die lediglich eine vage Inspiration waren. Alles wurde umgestaltet, angefangen bei den Orten, den Charakteren und ihrem Innenleben.

Schließlich möchte ich unterstreichen, wie wichtig es war, den Hauptdarsteller Marcello Fonte zu treffen: Seine Liebenswürdigkeit und sein historisch anmutendes Gesicht, das aus einem Italien zu kommen scheint, das im Verschwinden begriffen ist, haben entscheidend dazu beigetragen, dass mir klar wurde, wie ich mit diesem düsteren Thema umzugehen habe, das mich jahrelang ebenso angezogen wie abgestoßen hat – und mit der Figur, die ich zeigen wollte: einem Mann, der sich nach einem Leben voller Demütigungen zu erlösen versucht und schließlich der Illusion hingibt, nicht nur sich selbst befreit zu haben, sondern auch seine Umgebung, vielleicht sogar die ganze Welt. Die aber bleibt immer die gleiche – und nahezu teilnahmslos.


Über Matteo Garrone

Matteo Garrone wurde 1968 in Rom geboren. Nach dem Schulabschluss 1986 arbeitete er zunächst als Kameraassistent und widmete sich dann eine Zeit lang ausschließlich dem Malen. Nachdem er zum Film zurückgekehrt war, gewann er 1996 mit dem Kurzfilm „Silhouette“ beim Sacher Festival. Im folgenden Jahr drehte er mit seiner eigenen Produktionsfirma Archimede seinen ersten Spielfilm TERRA DI MEZZO (englischer Titel: „Land In Between“). Er wurde beim Torino Film Festival mit dem Spezialpreis der Jury und dem Ciputti Preis ausgezeichnet. 1998 drehte Garrone den Dokumentarfilm ORESTE PIPOLO, FOTOGRAFO DI MATRIMONI über einen neapolitanischen Hochzeitsfotografen, und im selben Jahr feierte sein zweiter Spielfilm OSPITI („Guests“) Premiere bei den Filmfestspielen Venedig.

Der Film erhielt eine lobende Erwähnung beim Angers Festival, den Kodak Award beim Messina Film Festival und wurde beim Valencia Film Festival als bester Film ausgezeichnet. Auch mit seinem dritten Spielfilm ESTATE ROMANA („Roman Summer“, 2000) wurde Garrone zu den Filmfestspielen Venedig eingeladen. Mit L’IMBALSAMATORE („The Embalmer“) nahm er 2002 am Regiewettbewerb „Quinzaine des Réalisateurs“ der Filmfestspiele von Cannes teil. Der Film wurde mit dem italienischen Filmpreis „David di Donatello“ für das beste Drehbuch und den besten Nebendarsteller ausgezeichnet, mit dem Silver Ribbon und dem Golden Ciak für den besten Schnitt, dem Fellini Preis für Produktion, Produktionsdesign, Kamera, Drehbuch und Distribution sowie mit dem Spezialpreis der Jury bei den Pasolini Awards. 2004 gewann Garrones Film KÖRPER DER LIEBE („Primo Amore“) bei der Berlinale den Silbernen Bären für den besten Score.

2008 nahm Matteo Garrone mit GOMMORHA – REISE IN DAS REICH DER CAMORRA („Gommora“) erstmals am Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes teil – und gewann den Großen Preis der Jury. Der Film gewann außerdem den Europäischen Filmpreis in gleich fünf Kategorien: bester Film, beste Regie, bester Darsteller, bestes Drehbuch und beste Kamera. Er wurde zudem mit sieben David di Donatellos ausgezeichnet, mit zwei Silver Ribbons und dem Silbernen Hugo für das beste Drehbuch beim Chicago Film Festival. Bei den Golden Globes, den BAFTAs und den Césars wurde GOMMORAH – REISE IN DAS REICH DER CAMORRA als bester ausländischer Film nominiert.2008 produzierte Matteo Garrone außerdem DAS FESTMAHL IM AUGUST („Pranzo di Ferragosto“) von Regisseur Gianni Di Gregorio, der bei den Filmfestspielen von Venedig als bester DebütSpielfilm ausgezeichnet wurde.

2012 war Garrone mit REALITY wieder im Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes vertreten und gewann den Großen Preis der Jury. Außerdem wurde der Film mit drei David di Donatellos ausgezeichnet und gewann drei Mal den Nastro d’argento, den Filmpreis der italienischen Vereinigung der Filmjournalisten (SNGCI). DAS MÄRCHEN DER MÄRCHEN („Il racconto dei racconti“) mit Salma Hayek, Vincent Cassel, Toby Jones und John C. Reilly lief 2015 ebenfalls in Cannes und gewann sieben David di Donatellos. Matteo Garrones neuer Film DOGMAN feierte ebenfalls in Cannes Premiere.

Foto:
© Verleih

Info:
Darsteller:
Marcello Fonte
Edoardo Pesce
Alida Baldari Calabria
u.a.