f champSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 18. Oktober 2018, Teil 16

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Eigentlich glaubt man, man kennt das alles, was wir in diesem schönen privaten Garten vor den Toren Paris‘ mitbekommen. Wir kennen es von englischem Bühnen genauso wie aus französischen Filmen, diese Mischung von Privatem mit kaputtmachendem Medienmilieu. Und doch, es gibt tatsächlich immer wieder mal etwas Neues. Dieser zupackende Film auf jeden Fall macht Spaß, weil man auch gerne bei anderen über das lacht, was man selbst täglich erleidet.

Agnès Jaoui (gerade in MADAME AURORA UND DER DUFT VON FRÜHLING) ist hier gleich dreifach tätig. Mit Jean-Pierre Bacri (DAS LEBEN IST EIN FEST), mit dem sie nach langer privater Beziehung nun noch immer souverän zusammenarbeitet, schrieb sie das Drehbuch, sie spielt neben ihm die Hauptrolle und dann ist sie auch noch für die Regie alleine verantwortlich. Ihr also ist in erster Linie zu verdanken, daß ein so amüsanter wie satirischer Film auf die Leinwand kommt, für den man keine Vorerfahrungen braucht, um alles zu verstehen.

f achmp3Es beginnt mit Nathalie (Léa Drucker), die eine erfolgreiche Fernsehproduzentin ist und nun ihre neue Villa und den herrlichen Garten den für den Abend eingeladenen Gästen vorführt, Gäste, die entweder so sozial aufsteigen wollen oder gerade am Absteigen sind, was sie natürlich nicht wollen, was aber dauernd unwägbar geschieht. Im Medienrummel ist das Wichtigste, so zu tun, als ob! Was an diesem Film gefällt, ist, daß er in seiner Absurdität über das Verhalten dieser Einweihungsparty weit über den Rahmen dieser Gutbetuchten und auf jeden Fall einmal Erfolgreichen und denen, die gerne dazu gehören möchte, hinausgeht und eigentlich jede gesellschaftliche und private Beziehungsebene zwischen den Geschlechtern und auch im selben, meinen kann. Das Allgemeinmenschliche menschelt aber nicht, sondern kommt mit geschärften Krallen und süßem Lächeln, das salzig schmeckt daher.

Zur honorigen Villa kommen Nathalies Ex-Schwager Castro (Jean-Pierre Bacri), ein eingebildetes Ekelpaket, der sich schön und erfolgreich wähnt und so benimmt, aber längst abgetakelt als Star-Moderator im Fernsehen bald abserviert wird, weil seine Promi-Sendungen nicht mehr die Zuschauerzahlen bekommen, die seine Prominenz sichern. Nathalies Schwester Hélène (Agnès Jaoui) ist die wohlbekannte soziale Natur, die immer ein Projekt hat, für das sie um Unterstützung wirbt und sie ist die Ex-Frau von Castro. Dann gibt es Nina (Nina Meurisse), die Tochter der beiden, die längst schon ihren eigenen Weg geht und bei ihrem zweiten Roman ihre Eltern als eher peinliche Modelle genommen hat. Doch die wissen noch nichts davon und wie sehr ihre Tochter sie damit öffentlich vorführt.

Wir bekommen im Film alle Personen deshalb so gut mit, weil wir dabei sind, wenn nach und nach die Eingeladenen kommen. Das ist einfach gut gemacht – und im Nachhinein staunt man, wen man alles kennenlernen durfte, was eine Filmbesprechung sprengt, weshalb wir das Filmpersonal in einem weiteren Artikel extra herausstellen und uns jetzt auf die Hauptpersonen konzentrieren. Denn in ihnen erkennen wir einige Personen unserer eigenen Umgebung (Zeitung, Fernsehen, Film...) wieder. Und das Gutgemachte bezieht sich schlicht darauf, daß Agnès Jaoui mindestens zwei Gefahren entgeht: sie hat tolle f champ5Dialoge, die trotzdem nicht nach Theater klingen und sie hat Archetypen innerhalb dieser Klientel aus der Schreib- , der Musik- , der Theater-, der Film- und Fernsehszene, aber auch Youtuber und die neumodischen Influencer, die sich im Internet so aufspielen können, daß sie die dicksten Werbeverträge bekommen, wenn sie vorführen, was sie zum Frühstück essen oder mit welchen Pillen ihre Verdauung am besten klappt.

Doch der heimliche Star des Abends ist dann doch wieder dieser Castro. Ach so, daß seine jüngere Lebensgefährtin ihn betrügt, sollte man noch dazu sagen. Er ist also derjenige im Film, an dem einen der Lauf der Zeit am nahesten gebracht wird. Und genau hier steckt das Raffinement. Nein, das darf man nicht verraten, weil es auch überhaupt nicht um die Details im Ablauf geht – ist ja nur ein Abend - , sondern um das genaue Justieren einer derart oberflächlichen und doch sensiblen Gesellschaft, die je mehr Alkohol getrunken wird, desto mehr sich entlarvt. Daß im Wein Wahrheit steckt, ist ja eine alte Weisheit....


Foto:

© tiberiusfilm.de

Info:

Hélène         AGNÈS JAOUI
Castro         JEAN-PIERRE BACRI
Nathalie       LÉA DRUCKER
Manu           KÉVIN AZAÏS
Nina            NINA MEURISSE
Samantha   SARAH SUCO