Claus Wecker
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Mit romantischen Komödien wird das Arthousekino seit Jahren bis zum Überdruss versorgt, und es gibt ja auch unzählige amüsante Möglichkeiten der Paarbildung. »Juliet, Naked« ist auf den ersten Blick nicht einmal als ein Werk dieser Kategorie zu erkennen. Der Film entwickelt sich dann aber doch in die bekannte Richtung, allerdings auf höchst originelle Weise, was nicht so sehr überrascht, wenn man erfährt, dass ein Roman von Nick Hornby als Vorlage diente.
Nick Hornby ist nicht nur ein produktiver Autor, sondern auch ein begeisterter Fan – von Arsenal London, Filmen und der Rockmusik. So steckt in seiner Hauptfigur Duncan, im Film von dem Iren Chris O'Dowd verkörpert, ein gutes Stück von ihm selbst. Allerdings in einer Extremform, denn Duncan schenkt seine ganze Zuneigung dem amerikanischen Singer/Songwriter Tucker Crowe, der schon seit 20 Jahren nicht mehr aufgetreten ist und keine Platte veröffentlicht hat. Duncan lebt mit seiner Lebensgefährtin Annie (Rose Byrne) in dem fiktiven englischen Seebad Sandcliff. Während sie tagein tagaus seine Schwärmereien ertragen muss, fragt sie sich, wie es mit dem Dozenten für Film und Fernsehen an ihrer Seite weitergehen soll, zumal er auch keine Kinder in diese furchtbare Welt setzen will (womit er sich klar von seinem Schöpfer unterscheidet).
Annie nimmt ein an Duncan adressiertes Päckchen entgegen und kann der Versuchung, es zu öffnen, nicht widerstehen. Es enthält eine CD, die sie sogleich abspielt. »Juliet, Naked« besteht aus bislang unveröffentlichtem Material zu Tuckers Meisterwerk (Originalton Duncan) »Juliet«. Dass Annie vor ihm die CD gehört hat, empört den Fan natürlich. Doch umso größer ist seine Begeisterung über die exklusive Entdeckung. Sogleich muss er in seinem Tucker-Crowe-Internet-Blog eine Hymne einstellen.
Daraufhin schreibt Annie einen Verriss und bekommt eine beipflichtende E-Mail von keinem geringeren als Tucker Crowe (Ethan Hawke) höchstpersönlich, der zu seiner musikalischen Vergangenheit eine stärker gestörte Beziehung hat als die von Duncan genervte Annie. Das verbindet natürlich.
Dazu kommt, dass Tucker keine Probleme damit hatte, Kinder in die Welt zu setzen. Ja, er ist geradezu ein Paradebeispiel für einen New-Age-Vater, der mit verschiedenen Frauen mehrere Kinder gezeugt hat, ohne sich um sie zu kümmern. Nur seinem jüngsten Sohn Jackson (Azhy Robertson) versucht er ein guter Vater zu sein. Von weiteren Verpflichtungen befreit, wohnt er mietfrei in einer Garage neben dem Haus der Ex in der amerikanischen Provinz. Aber immerhin gibt es Ansätze zu seiner Läuterung, etwa den unbeholfenen Versuch, mit Jacksons schwangerer Halbschwester Lizzy (Ayoola Smart) ins Reine zu kommen.
Der kleine Jackson wird zu einer wichtigen Figur in diesem Film, wenn er mit großen Augen die neuesten Entwicklungen im Leben seines Vaters verfolgt (»Erwachsenen-Filme« neigen oft dazu, Kinder aus den Augen zu verlieren). Er findet die kinderliebe Annie jedenfalls sympathisch. So folgt dem Hin und Her zwischen England und den USA, das in Jesse Peretz’ Film durch laut vorgetragene E-Mails elegant gestaltet ist, Tuckers und Jacksons Flug nach London, wo Lizzy den einen zum Großvater und den anderen zum frühen Onkel macht.
Einer der markantesten Höhepunkte dieser an Ereignissen wahrlich reichen Komödie ist die Begegnung von Fan und Idol, die in einem Eklat endet. Der Fan mit seinem Expertenwissen habe natürlich überhaupt keine Ahnung, muss Duncan erfahren, und Tucker bekommt an den Kopf geworfen, dass ein Kunstwerk ebenso wenig für seinen Schöpfer existiere wie das Wasser für den Klempner. Auch diese Auseinandersetzung liefert einen weiteren Baustein für Tuckers Versöhnung mit seiner Vergangenheit. »Juliet, Naked« sagt eine Menge aus über Beziehungen im Zeitalter der Rockmusik. Von der Schwierigkeit, erwachsen zu werden, wenn man mit dieser Musik aufgewachsen ist. So intelligent und witzig, wie es schon lange nicht mehr in einer romantischen Komödie gelungen ist.
Foto:
Rose Byrne, Ethan Hawke
© Verleih
Info:
Juliet, Naked (Großbritannien, USA 2018)
Originaltitel: Juliet Naked
Genre: Musikfilm, Tragikomödie, Romanze
Filmlänge: 105 Minuten
Regie: Jesse Peretz
Drehbuch: Evgenia Peretz, Jim Taylor, Tamara Jenkins; nach dem gleichnamigen Roman von Nick Hornby
Darsteller: Ethan Hawke, Rose Byrne, Chris O'Dowd, Azhy Robertson u.a.
Kinostart: 15.11.2018
Daraufhin schreibt Annie einen Verriss und bekommt eine beipflichtende E-Mail von keinem geringeren als Tucker Crowe (Ethan Hawke) höchstpersönlich, der zu seiner musikalischen Vergangenheit eine stärker gestörte Beziehung hat als die von Duncan genervte Annie. Das verbindet natürlich.
Dazu kommt, dass Tucker keine Probleme damit hatte, Kinder in die Welt zu setzen. Ja, er ist geradezu ein Paradebeispiel für einen New-Age-Vater, der mit verschiedenen Frauen mehrere Kinder gezeugt hat, ohne sich um sie zu kümmern. Nur seinem jüngsten Sohn Jackson (Azhy Robertson) versucht er ein guter Vater zu sein. Von weiteren Verpflichtungen befreit, wohnt er mietfrei in einer Garage neben dem Haus der Ex in der amerikanischen Provinz. Aber immerhin gibt es Ansätze zu seiner Läuterung, etwa den unbeholfenen Versuch, mit Jacksons schwangerer Halbschwester Lizzy (Ayoola Smart) ins Reine zu kommen.
Der kleine Jackson wird zu einer wichtigen Figur in diesem Film, wenn er mit großen Augen die neuesten Entwicklungen im Leben seines Vaters verfolgt (»Erwachsenen-Filme« neigen oft dazu, Kinder aus den Augen zu verlieren). Er findet die kinderliebe Annie jedenfalls sympathisch. So folgt dem Hin und Her zwischen England und den USA, das in Jesse Peretz’ Film durch laut vorgetragene E-Mails elegant gestaltet ist, Tuckers und Jacksons Flug nach London, wo Lizzy den einen zum Großvater und den anderen zum frühen Onkel macht.
Einer der markantesten Höhepunkte dieser an Ereignissen wahrlich reichen Komödie ist die Begegnung von Fan und Idol, die in einem Eklat endet. Der Fan mit seinem Expertenwissen habe natürlich überhaupt keine Ahnung, muss Duncan erfahren, und Tucker bekommt an den Kopf geworfen, dass ein Kunstwerk ebenso wenig für seinen Schöpfer existiere wie das Wasser für den Klempner. Auch diese Auseinandersetzung liefert einen weiteren Baustein für Tuckers Versöhnung mit seiner Vergangenheit. »Juliet, Naked« sagt eine Menge aus über Beziehungen im Zeitalter der Rockmusik. Von der Schwierigkeit, erwachsen zu werden, wenn man mit dieser Musik aufgewachsen ist. So intelligent und witzig, wie es schon lange nicht mehr in einer romantischen Komödie gelungen ist.
Foto:
Rose Byrne, Ethan Hawke
© Verleih
Info:
Juliet, Naked (Großbritannien, USA 2018)
Originaltitel: Juliet Naked
Genre: Musikfilm, Tragikomödie, Romanze
Filmlänge: 105 Minuten
Regie: Jesse Peretz
Drehbuch: Evgenia Peretz, Jim Taylor, Tamara Jenkins; nach dem gleichnamigen Roman von Nick Hornby
Darsteller: Ethan Hawke, Rose Byrne, Chris O'Dowd, Azhy Robertson u.a.
Kinostart: 15.11.2018