fmf Joe BootsDeutscher Menschenrechts-Filmpreis 2018 in verschiedenen Sparten, Teil 4

Hanno Lustig

Nürnberg (Weltexpresso) -Synopsis: Unter dem Eindruck der Terroranschläge des 11. September entschließt sich Joe, zum Militär zu gehen. Zu diesem Zeitpunkt ist er 17 Jahre alt und verlässt die High-School mit großen Zukunftsträumen. Als er aus der Grundausbildung zurückkommt, geben ihm seine Freunde den Spitznamen Joe Boots. Schon kurze Zeit später schickt man ihn zum Einsatz in den Irak. Nach der Rückkehr in seine Heimatstadt Pittsburgh muss er feststellen, dass ihn seine Erfahrungen im Krieg nicht mehr loslassen. Joe erzählt ohne Scheu von seinem Trauma: wie er die Kontrolle über sein Leben verliert, und vergeblich nach Hilfe sucht. Denn seine Wunden sind unsichtbar. Der Film verwebt Joes Erzählungen mit Bildern, die die vermeintlich heile Welt Amerikas zeigen.

Jurybegründung

Das Menschenrecht auf den „höchsten erreichbaren Stand an körperlicher und geistiger Gesundheit“ gehört seit 1966 zu den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechten, wie sie von der großen Mehrheit der Staaten in den Vereinten Nationen verabschiedet wurden. Ob sich Florian Baron beim Drehen seines 2017 produzierten Dokumentarfilms „Joe Boots“ dieser sperrigen, aber sehr durchdachten Definition von Gesundheit bewusst war? Die Jury des Deutschen Menschenrechts-Filmpreises für Kurz- und Langfilme hat sich bei ihrer Entscheidung für den Film „Joe Boots“ als besten Kurzfilm von diesem Menschenrecht leiten lassen, gerade weil der Film und sein Protagonist, der US-Irakkriegsveteran Joe Boots, nicht ein Menschenrecht bebildern, sondern sich mit filmischen Mitteln und sprachlicher Reflektion einer zentraler Frage heutiger Debatten nähert: Ist das Menschenrecht auf Gesundheit durch die Verteilung von Pillen verwirklicht und erledigt?

Joe Boots verpflichtete sich nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in New York aus Patriotismus für die Armee, wie es viele seiner Familienangehörigen vorher getan hatten. Sie waren einst stolze Arbeiter aus Pittsburgh mit Klassenbewusstsein, das auch Joe Boots noch formuliert. Aber heute gibt es keine Klasse mehr. Die Industrie liegt darnieder. Nur der Einzelne ist den Verhältnissen ausgeliefert. Das erzählt der Film mit den Worten des Kriegsveteranen sehr anschaulich.

Joe Boots kehrt aus dem Irak schwer traumatisiert zurück. Das Trauma äußert sich in Aggression gegen sich selbst und seine Umwelt, in schwerem Alkoholismus und Drogensucht. Für seine Krankheit hat das Gesundheitssystem seit dem Vietnam-Krieg einen Namen: Posttraumatisches Belastungssyndrom und eine Pille. Mehr nicht. Joe Boots weigert sich die Pillen zu nehmen, weil sie ihn noch weiter von seiner Umwelt isolieren, wofür die Kamera von Johannes Waltermann überzeugende Bilder findet. Die Normalität eines Alltags, der die dunkle Seite der Wirklichkeit nicht kennt oder nicht kennen will, kommt in Slow Motion wie abgespalten von der Welt des Protagonisten daher. Viele US-Kriegsveteranen sind an dieser Kluft zerbrochen. Die Selbstmordraten sind ungeheuerlich. Wie sich Joe Boots rettet, macht trotzdem Hoffnung. Seine Fähigkeit zu kritischem Denken und Selbstreflektion trägt den Film und inspiriert zum Weiterdenken.

Foto:
Joe Bots
© Verleih

Info:
https://www.menschenrechts-filmpreis.de/
Preisverleihung am 8.12. in Nürnberg