Serie: DIE BERLINALE 2019. Die 69. Internationalen Filmfestspiele von Berlin vom 7.-17. Februar 2019, Teil 18
Roman Herzig
Berlin (Weltexpresso) - Das Motto der diesjährigen Filme in der Sektion GENERATION heißt: Wild entschlossene Frauen – vor und hinter der Kamera. Dazu sind die ersten Filme unten aufgelistet. Bei der 42. Ausgabe von Generation sind aktuell in die beiden Wettbewerbe Kplus und 14plus bereits 16 Langfilme aus 16 Produktions- und Koproduktionsländern eingeladen.
Gewohnt vielfältig in ihrer formalen Bandbreite zeigt die bisherige Auswahl junge Menschen auf der Suche nach Sinn und Identität im Leben angesichts ungewisser Zukunftsaussichten in einer aus den Fugen geratenen Welt. Ungewohnt auffällig ist die Diversität weiblicher Perspektiven - solidarisch gegenüber Schwächeren, trotzig, rebellisch und wild entschlossen. Im Mittelpunkt stehen häufig Mädchen und junge Frauen, die ihr Schicksal, unbeirrbar gegen alle äußeren Widerstände, selbst in die Hand nehmen.
„Es sind mutige Filme von couragierten Filmemacher*innen, nah am Puls der Zeit und mit feinem Gespür für gesellschaftliche und politische Entwicklungen der Gegenwart. Ihre weiblichen wie auch männlichen Protagonist*innen überwinden überkommene Strukturen, lösen klassische Rollenmodelle auf und vermitteln die Dringlichkeit zeitgemäßer Vorbilder, nicht nur für ein jüngeres Publikum“, kommentiert Sektionsleiterin Maryanne Redpath die bisherige Filmauswahl.
Das vollständige Generation-Programm wird Mitte Januar veröffentlicht.
Generation 14plus
Beol-sae (House of Hummingbird)
Republik Korea
von Bora Kim
Europäische Premiere - Debütfilm
Sie streift mit ihrer besten Freundin durch die Nachbarschaft, versucht sich zu verlieben, muss mit einer unklaren Diagnose ins Krankenhaus. Losgelöst von der Welt schwebt die 14-jährige Eunhee durch Seoul. Das Langspielfilmdebüt der Regisseurin Bora Kim findet in niemals langweilig werdenden Bildern Zeit und Raum für die großen Themen, um feinfühlig und intim von den unmittelbaren Wendungen eines jungen Lebens zu erzählen.
The Body Remembers When the World Broke Open
Kanada / Norwegen
von Elle-Máijá Tailfeathers, Kathleen Hepburn
Weltpremiere
Einen Nachmittag und Abend währt die intensive Begegnung zweier indigener Frauen in den Straßen von Vancouver. Mit großer Empathie für ihre Protagonistinnen entwickeln die Regisseurinnen Elle-Máijá Tailfeathers und Kathleen Hepburn eine nahezu in Echtzeit stattfindende und in lediglich drei Einstellungen gefilmte Studie über Gewalt gegen Frauen, Rassismus und Schwesternschaft.
Bulbul Can Sing
Indien
von Rima Das
Europäische Premiere
Wie schon in Village Rockstars (2017) begibt sich die indische Filmemacherin Rima Das in ihrem neuesten, ebenfalls unabhängig produzierten Werk in ihre Heimatregion im Nordosten Indiens. In poetischen Momentaufnahmen zwischen Schule und Landleben porträtiert sie die drei Freund*innen Bulbul, Bonny und Sumu, deren jugendliche Unbeschwertheit, bedroht von den Traditionen der patriarchalen Dorfgemeinschaft, auf eine harte Probe gestellt wird.
Goldie
USA
von Sam de Jong
Weltpremiere
Für ihre kleinen Schwestern ist Goldie, gespielt vom polarisierenden US-Model und Nachwuchstalent Slick Woods, schon jetzt ein Star. Doch als ihre Mutter verhaftet wird, muss Goldie zunächst dafür sorgen, dass das Jugendamt die Geschwister nicht auseinanderreißt. In dem unter anderem von VICE produzierten Film erzählt Sam de Jong (Prins, Eröffnungsfilm Generation 14plus 2015) mit viel Herz eine Geschichte über Ehrgeiz und unverwüstlichen jugendlichen Glauben an die eigenen Ideale und Ideen.
Guo Chun Tian (The Crossing)
Volksrepublik China
von Bai Xue
Europäische Premiere - Debütfilm
Bai Xues erster Langfilm führt in die Transitzone der Grenzmetropolen Hongkong und Shenzhen. Peipei gehört zu den vielen, die auf keiner der beiden Seiten wirklich zu Hause sind. Mit den Versprechen der Moderne vor Augen und der Schmugglerware im Rucksack betritt sie den riskanten Übergang, der für die 16-Jährige nicht nur eine politische Grenze, sondern den Schritt zu einer ungewohnten Eigenständigkeit markiert.
Hölmö nuori sydän (Stupid Young Heart)
Finnland / Niederlande / Schweden
von Selma Vilhunen
Europäische Premiere
Im kompromisslosen Umfeld einer Gruppe Rechtsextremer glaubt der schmächtige Lenni jene Angst in Stärke verwandelt, die ihn selbst umtreibt: die vor einer unsicheren und damit bedrohlichen Zukunft. Denn Lenni wird bald Vater - seine Freundin Kiira erwartet ein Kind. Gefilmt in naturalistischen Bildern, die eine eindrückliche Nähe zu den Protagonist*innen schaffen, nimmt eine sich immer weiter zuspitzende Verkettung ihren Lauf.
Knives and Skin
USA
von Jennifer Reeder
Weltpremiere
Nach ihren Kurzfilmbeiträgen Blood Below the Skin (Berlinale Shorts 2015) und Crystal Lake (Generation 14plus 2016) ist die Autorin und Regisseurin Jennifer Reeder erstmals mit einem Langfilm bei der Berlinale vertreten. In surrealen Bildern, durchsetzt von bitter-ironischen Brüchen, offenbart sie in Knives and Skin die Abgründe, die sich nach dem Verschwinden einer Schülerin für die Bewohner*innen einer US-Kleinstadt auftun. Entstanden ist eine mysteriöse, unkonventionelle Erzählung, die deutlich macht: Ein Nein ist ein Nein.
We Are Little Zombies
Japan
von Makoto Nagahisa
Europäische Premiere - Debütfilm
Ihre Eltern sind gestorben, nun sollen sie wohl Trauer empfinden, aber sie fühlen sich leer. Geblieben ist ihnen nicht mehr als eine Handheld-Konsole, ein alter E-Bass und ein verkohlter Wok. Genug, um damit eine legendäre Band zu gründen. In einem Kaleidoskop aus popkulturellen Einfällen begleitet Makoto Nagahisas Langfilmdebüt vier durchschnittlich 13½-jährige Japaner*innen auf der Reise durch ihr aufgewühltes Innenleben.
Generation Kplus
Anbessa
USA
von Mo Scarpelli
Weltpremiere – Dokumentarische Form
Asalif und seine Mutter trotzen den in Äthiopien allerorts erbauten modernen Wohnanlagen, indem sie ihr von der Natur und der Gemeinschaft geprägtes Leben fortführen. Die Einschnitte in seine gewohnte Lebenswelt und die Bedrohung durch die vor der Siedlung umherstreifende Hyäne kontert der Junge mit der Selbsterfindung als Held: als Anbessa, Löwe. In einer fantasievollen dokumentarischen Beobachtung lenkt Mo Scarpelli (Berlinale Talents Alumna 2018) ihren Blick auf soziale Realitäten und die Träume ihres zehnjährigen Helden.
Baracoa
Schweiz / USA / Spanien
von Pablo Briones und The Moving Picture Boys
Weltpremiere – Dokumentarische Form
Der Sommer ist lang und heiß in dem kleinen kubanischen Dorf. Der neunjährige Leonel und sein 13-jähriger Freund Antuán sträuben sich gegen die Langeweile: Kaulquappen fangen, über Frisuren streiten, das Meer lockt, ein Umzug nach Havanna steht bevor. Vor dem Hintergrund einer Gesellschaft im Wandel führt Baracoa in lyrisch-flirrenden Bildern mitten in den privaten Kosmos einer kindlichen Freundschaft. Am Ende wird Leonel selbst das Wort ergreifen und fügt sein eigenes Bild hinzu: vom Leben und der Welt, von Freundschaft und vom Filmemachen.
Daniel fait face (Daniel)
Frankreich
von Marine Atlan
Internationale Premiere – Debütfilm
In einer französischen Schule geschieht Unheimliches. Der zehnjährige Daniel ist auf einmal allein mit Marthe, die Begegnung ist so zart wie aufwühlend und findet in einer Art Vakuum statt. In Marine Atlans traumhaft anmutendem Langfilmdebüt tanzen Kinder in Zeitlosigkeit Tango, rezitieren Gedichte und üben für den Fall eines Anschlags.
Di yi ci de li bie (A First Farewell)
Volksrepublik China
von Wang Lina
Europäische Premiere – Debütfilm
In der Weite des Nordwestens Chinas, zwischen Baumwollfeldern und Wüste, lebt Isa mit seiner Familie in einer uigurischen Dorfgemeinschaft. Seine kranke Mutter und die schlechten Noten seiner besten Freundin machen dem Jungen das Leben schwer. In ihrem einfühlsamen Langfilmdebüt schildert Wang Lina eine Geschichte voller Abschiede vor der eindrucksvollen Kulisse ihrer eigenen Heimat.
Kinder
Deutschland
von Nina Wesemann
Weltpremiere - Dokumentarische Form
Die S-Bahn rauscht durch Berlin und durch das Leben von Emine, Marie, Christian und Arthur. Ihre Wege werden sich wahrscheinlich niemals kreuzen, doch es gibt eine Gemeinsamkeit: Sie sind Großstadtkinder. Ein Jahr lang hat Nina Wesemann den Alltag ihrer jungen Protagonist*innen dokumentiert. Der intime Einblick offenbart die sensible Seelenwelt von Heranwachsenden und fängt die unterschiedlichen Stimmungen der Jugendlichen und ihrer urbanen Umgebung ein.
Lotte ja kadunud lohed (Lotte and the Lost Dragons)
Estland / Lettland
von Janno Põldma, Heiki Ernits
Internationale Premiere
Im dritten Abenteuer ihrer Lotte-Reihe (Generation Kplus 2007 und 2012) schicken Janno Põldma und Heiki Ernits das neugierige Hundemädchen Lotte zusammen mit ihrer kleinen Schwester Roosi auf die Suche nach den feuerspeienden Drachen. Entstanden ist ein farbenfroher Animationsfilm, der nicht nur jede Menge skurriler Überraschungen bereithält, sondern auch die Begegnung mit vielen liebenswürdigen, schrulligen Figuren.
Mijn bijzonder rare week met Tess (My Extraordinary Summer with Tess)
Niederlande / Deutschland
von Steven Wouterlood
Weltpremiere – Debütfilm
Als Jüngster der Familie ist Sam von dem Gedanken getrieben, eines Tages als einzig Überlebender allein zurückbleiben. Auf einem Familienurlaub am Strand begegnet er der unkonventionellen Tess, die ihre eigenen Geheimnisse mit sich herumträgt und ihm zeigt, dass die Gegenwart über Erinnerungen und Zukunftsängste triumphieren kann. Nach dem gleichnamigen Jugendbuch der preisgekrönten Schriftstellerin Anna Woltz erzählt Regisseur Steven Wouterlood in seinem Debütfilm mit leichter Hand von düsteren Themen.
Une colonie (A Colony)
Kanada
von Geneviève Dulude-De Celles
Internationale Premiere – Debütfilm
Im verfänglichen Klima zwischen Schulleben und den ersten Hauspartys tut sich die zwölfjährige Mylia schwer, ihren Platz zu finden. Dann lernt sie ihren eigenwilligen Mitschüler Jimmy kennen. Der Junge aus dem umliegenden Abenaki Reservat bestärkt sie darin, vorgegebene Linien zu überschreiten. Mit feinem Gespür für die Zwischentöne sozialer Beziehungen verfolgt Geneviève Dulude-De Celles‘ Spielfilmdebüt das Heranblühen ihrer Freundschaft und den Weg zu einer eigenen Identität.
Foto:
Émilie Bierre. Une colonie (A Colony). Regie/director: Geneviève Dulude-De Celles
© Danny Taillon