Die nächste Woche im Deutschen Filminstitut & Filmmuseum Frankfurt
Siegrid Püschel
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Bei jeder Umsetzung eines Filmes gehe die Perfektion des Drehbuchs verloren, sagt Michael Haneke. Seine Werke wie FUNNY GAMES (AU 1997), DIE KLAVIERSPIELERIN (AU/FR/DE 2001), DAS WEISSE BAND (DE/AU/ FR/IT 2009) und AMOUR (AU/FR/DE 2012) sind längst moderne Klassiker. Nun publiziert der gefeierte europäische Autorenfilmer seine gesammelten Drehbücher in einem 1.400 Seiten starken Werk im Verlag Hoffmann und Campe und stellt sie exklusiv an zwei Abenden in Berlin und Frankfurt vor.
Die Drehbücher bestechen durch ihre außergewöhnliche erzählerische Qualität, erlauben eine Vertiefung in die Charakterzüge der Figuren und zeugen von furchtloser Menschenkenntnis. Ganz nebenbei verdeutlichen sie Hanekes präzise Arbeitsweise und handwerkliches Können.
Mittwoch, 16. Januar, 18:00 Uhr
Buchvorstellung: "Die Drehbücher" und Filmabend
Um 18 Uhr läuft Hanekes Film HAPPY END aus dem Jahr 2017, anschließend spricht Urs Spörri mit dem Filmemacher über dessen Drehbücher. Um 21 Uhr läuft mit CACHÉ (FR/AU/DE/IT 2005) ein weiterer Film Hanekes.
Mittwoch, 16. Januar, 18:00 Uhr
HAPPY END
Frankreich/Deutschland/Österreich 2017. R: Michael Haneke
D: Isabelle Huppert, Jean-Louis Trintignant, Franz Rogowski. 108 Min. DCP. OmU
Der alternde, wohlhabende Georges Laurent lebt mit seiner Bauunternehmer-Familie im französischen Calais. Gemeinsam bewahren die Laurents eine perfekte Fassade, während im Hintergrund alles zu zerfallen beginnt. Nach einem Arbeitsunfall eines Bauarbeiters denkt Anne über den Verkauf des Familienunternehmens nach. Eve erfährt, dass ihr Vater ein Doppelleben führt, Pierre leidet unter Depressionen, und der im Rollstuhl sitzende Georges denkt an den Tod ...
Nach dem Film spricht Urs Spörri (Deutsches Filminstitut & Filmmuseum) mit Michael Haneke über "Die Drehbücher".
Mittwoch, 16. Januar, 21:00 Uhr
CACHÉ
Frankreich/Österreich/Deutschland/Italien 2005. R: Michael Haneke
D: Juliette Binoche, Daniel Auteuil, Annie Girardot. 119 Min. 35mm. OmU
Der Familienvater Georges, Moderator einer literarischen Sendung im französischen Fernsehen, erhält eines Tages anonyme Videos, die ihn und seine Familie zeigen. Obwohl die Filme nicht offen aggressiv sind, geht von ihnen eine ungreifbare Bedrohung aus.
Donnerstag, 17. Januar, 20:15 Uhr (Filmbeginn: ca. 21:15 Uhr)
LECTURE & FILM
Akermans Dispositionen
Lecture von Tim Griffin in englischer Sprache
Ursprünglich wollte Chantal Akerman einen Film über William Faulkner drehen. Was sie im US-amerikanischen Süden fand, brachte sie dazu, das Projekt neu zu disponieren. Der Dokumentarfilm sucht nach den Auswirkungen des Lynchmordes an James Byrd Jr. in der Stadt Jasper, Texas.
Tim Griffin ist Leiter und Chefkurator des New Yorker Kunst- und Performanceraums The Kitchen, wo er u.a. 2013 Chantal Akermans Ausstellung „Maniac Shadows“ verantwortete. Griffin erwarb seinen Abschluss in Literatur am Bard College und war von 2003 bis 2010 Chefredakteur der Zeitschrift Artforum.
SUD Süden
Frankreich/Belgien 1999. R: Chantal Akerman
Dokumentarfilm. 71 Min. Digital. OmeU
Bei der Premiere in der „Quinzaine des Réalisateurs“ in Cannes 1999 verließen zahlreiche Besucher/innen den Kinosaal. Mehr noch als das digitale Format brach der Stil von Chantal Akerman mit den Sehgewohnheiten all jener, die noch keine Bekanntschaft mit Filmen wie D’EST (Lecture-Programm Dezember 2018) gemacht hatten. Die kontemplative Film-Reise SUD führt durch die Südstaaten der USA: von Georgia westwärts durch Alabama, Mississippi, Louisiana und Texas. Dort, in der Kleinstadt Jasper, wird Akerman mit der brutalen Ermordung des 49-jährigen Afroamerikaners James Byrd Jr. konfrontiert. Der Film erspürt eine Atmosphäre, die sozial und historisch extrem aufgeladen ist. Es handelt sich auch hier um Geschichten aus Amerika, aber ganz verschieden von den Erzählungen, die Akerman in HISTOIRES D’AMÉRIQUE: FOOD, FAMILY AND PHILOSOPHY (BE/FR 1989, Teil der Begleitreihe im Januar S. 31) zehn Jahre zuvor in New York gedreht hatte.
Samstag, 19. Januar, 22:30 Uhr
LATE NIGHT KULTKINO: Auftakt der Frankenstein-Reihe
Das neue Late-Night-Jahr startet mit dem Auftakt einer mehrmonatigen Frankenstein-Reihe zum kürzlichen 200. Jubiläum der Romanvorlage von Mary Shelley.
MARY SHELLEY’S FRANKENSTEIN
USA 1994. R: Kenneth Branagh
D: Robert De Niro, Kenneth Branagh, Helena Bonham Carter. 123 Min. 35mm. OmU
Unter den Dutzenden mal näher, mal nur sehr lose an der Vorlage orientierten Frankenstein-Verfilmungen kommt die Version von Kenneth Branagh Mary Shelleys Romanvorlage wahrscheinlich am nächsten. Die Geschichte des brillanten, aber skrupellosen Wissenschaftlers Dr. Victor Frankenstein, der einen künstlichen Menschen erschafft und die Kontrolle über ihn verliert, wird als üppig ausgestattetes Historiendrama inszeniert, das den Größenwahn des Wissenschaftlers in maßlosen Dekors und Raumgestaltungen spiegelt und die Welt des 18. Jahrhundert zum Leben erweckt. Besonders beeindruckend ist Robert De Niros Darstellung des tragischen Monsters.
Freitag, 18. Januar / Samstag, 19. Januar / Sonntag, 20. Januar
Kinohighlights 2018: GIRL, CALL ME BY YOUR NAME, EX LIBRIS – THE NEW YORK PUBLIC LIBRARY
Wie jeden Januar und Februar gibt der Jahreswechsel eine willkommene Gelegenheit, gemeinsam auf das Kinojahr zurückzublicken. Kino-Highlights aus den vergangenen zwölf Monaten können jetzt noch einmal auf der großen Leinwand genossen werden. Natürlich in der Originalfassung mit Untertiteln.
Freitag, 18. Januar, 18:00 Uhr
GIRL
Belgien/Niederlande 2018. R: Lukas Dhont
D: Victor Polster, Arieh Worthalter, Oliver Bodart. 106 Min. DCP. OmU
Die 16-jährige Lara hat es geschafft: Sie ist an einer der besten Ballettschulen des Landes aufgenommen worden. Doch sie hat sich noch ein anderes Ziel gesetzt: Obwohl ihr Geschlecht von kaum jemandem in Frage gestellt wird, erinnert ihr Körper sie immer noch an ihren früheren Jungenkörper. Lara will unbedingt ein „vollendetes“ Mädchen sein. Lukas Dhonts Transgenderdrama vermeidet geschickt eine generalisierende Antwort auf das komplexe Thema Gender und begleitet mit einfühlsamem Blick den Weg seiner Protagonistin, die sich nach Veränderung sehnt und zugleich „einfach nur“ Mädchen und Tänzerin sein will.
Samstag, 19. Januar, 20:00 Uhr
CALL ME BY YOUR NAME
USA 2017. R: Luca Guadagnino
D: Armie Hammer, Timothée Chalamet, Michael Stuhlbarg. 133 Min. DCP. OmU
Der 17-jährige Elio verbringt den Sommer des Jahres 1983 in der Villa seiner Eltern in Norditalien. Gelangweilt vom süßen Nichtstun freundet er sich mit dem US-amerikanischen Doktoranden seines Vaters, eines Archäologieprofessors, an, der für sechs Wochen zu Besuch ist. Mit der Zeit beginnt sich Elio zu dem einige Jahre älteren Oliver hingezogen zu fühlen – und dieser erwidert seine Gefühle. Die beiden beginnen eine leidenschaftliche Affäre, doch die gemeinsame Zeit verfliegt viel zu schnell. Luca Guadagnino adaptiert mit großem Feingefühl die Geschichte einer intensiven, hochsommerlichen ersten Liebe.
Sonntag, 20. Januar, 17:00 Uhr
EX LIBRIS – THE NEW YORK PUBLIC LIBRARY
USA 2017. R: Frederick Wiseman
D: Ta-Nehisi Coates, Elvis Costello, Richard Dawkins. 198 Min. DCP. OmU
Die New York Public Library ist mit mehr als 55 Millionen Medien eine der größten Bibliotheken der Welt. Frederick Wisemans faszinierendes Porträt der in den USA einmaligen Einrichtung rückt vor allem deren soziale Bedeutung als Ort der Wissensvermittlung in den Mittelpunkt. Wiseman dokumentiert die Arbeit der NYPL samt ihrer 92 Zweigstellen und zeigt Mitarbeiter/innen und Besucher/innen als Mitglieder eines gesamtgesellschaftlichen Mikrokosmos, der auf demokratischer Teilhabe und kultureller Inklusion basiert. Dieses Konzept erscheint dabei als klarer Gegenentwurf zum herrschenden politischen Zeitgeist.
Foto:
Aus Sud
© DIF