Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 31. Januar 2019, Teil 6
Margarete Frühling
München (Weltexpresso) - Frank Anthony Vallelonga, genannt Tony Lip (Viggo Mortensen), arbeitet 1962 als Rausschmeißer in dem bekannten New Yorker Club Copacabana. Er ist mit Dolores (Linda Cardellini) verheiratet und hat zwei kleine Söhne Nick und Frank. Er ist recht einfach gestrickt und lebt aber gut im Kreise seiner italienisch stämmigen Familie in der Bronx.
Als das Copacabana wegen Umbaus für einige Monate schließen muss, braucht Tony dringend einen neuen Job. Da Tony seinen Chef aus dem Club auch immer mal wieder fährt, bekommt er über einen Freund das Angebot einen gewissen Dr. Don Shirley als Fahrer zu begleiten.
Als er Don Shirley (Mahershala Ali) zu ersten Mal trifft, ist er doch etwas überrascht, denn Shirley ist kein Arzt, sondern ein schwarzer klassischer Pianist, der in einer riesigen Wohnung über der Carnegie Hall wohnt. Tony soll den Musiker vom vergleichsweise toleranten New York bis in den tiefrassistischen Süden von Auftritt zu Auftritt zu fahren. Außerdem soll er als Tourmanager dafür sorgen, dass alles wie abgesprochen vorbereitet ist (z.B. muss immer ein Steinway-Flügel vorhanden sein). Tony muss seine Frau Dolores mit den Kindern zurücklassen, hofft aber Weihnachten wieder zu Hause zu sein. Shirleys zwei weiße Mitmusiker, der Bassist George Dyer (Mike Hatton) und der russische Cellist Oleg (Dimiter D. Marinov), nehmen für die Tournee ihr eigenes Auto.
Während der zweimonatigen Fahrt muss sich Tony am sogenannten Negro Motorist Green Book orientieren, einem Reiseführer der die Unterkünfte, Restaurants und Tankstellen aufgelistet hat, in denen auch schwarze Gäste bedient werden.
Während der Fahrt lernen sich die beiden grundverschiedenen Männer näher kennen. Zuerst stößt Tonys laute und aufbrausende Art den kultivierten, korrekten und nachdenklichen Don vor den Kopf, doch während sie immer tiefer in den Süden fahren, wächst auch ihre Freundschaft. Tony wundert sich zwar, dass der Pianist mit dem Doktortitel noch nie etwas von schwarzen Musikern wie Little Richard und Aretha Franklin gehört hat, erkennt aber auch schnell mit welchen Problemen sich der schwarze Musiker herumschlagen muss. Don beginnt dagegen dem doch recht ungebildeten Tony beim Schreiben der Briefe an seine Frau zu helfen, die Dolores und den Rest der Familie stark beeindrucken.
Während die Probleme immer größer werden, je weiter sie in den Süden vordringen, desto mehr wächst aber auch ihre Freundschaft. Sie beginnen, ihre Differenzen beiseitezulegen und ein Verständnis für die Lebensweise des jeweils Anderen zu entwickeln.
Meist erträgt der gebildete Dr. Shirley klaglos die Demütigungen, nicht essen, schlafen oder auf die Toilette gehen zu dürfen, wo er will. Als sich Don in Kansas allein in eine Bar wagt, wird er allein wegen der Tatsache, dass er schwarz ist, von Rednecks verprügelt. Tony taucht gerade rechtzeitig auf, um Shirley zu retten. Als bei einem anderen Zwischenfall die Polizei die beiden verhaftet, erlebt Tony allerdings eine riesige Überraschung, wenn er erfährt, wen der Pianist so alles kennt.
Beim letzten Konzert hat dann aber auch Don Shirley endlich genug von den arroganten Einschränkungen und er verlässt den Saal ohne das Konzert gegeben zu haben, allerdings wird er an diesem Abend doch noch spielen...
Donald Walbridge (Don) Shirley (1927 - 2013) war ein in Jamaika geborener klassisch ausgebildeter US-amerikanischer Konzertpianist und Komponist, der in seiner Musik klassische Musik mit Jazz verbunden hat.
Frank Anthony Vallelonga (1930 - 2013), der später seinen Spitznamen Tony Lip als Künstlernamen angenommen hat, kehrte nach der Reise wieder ins Copacabana zurück, arbeitete später aber auch immer wieder als Schauspieler meist als Mafioso z.B. in Filmen von Martin Scorsese oder Frances Ford Coppola. Auch seine beiden Söhne Nick und Frank Vallelonga sind inzwischen Schauspieler. Beide haben kleinere Rollen in dem hier besprochenen Film, ebenso wie Tony Lips Bruder Rudolfo, der seinen eigenen Großvater Nicola spielt.
Nick Vallelonga hat nicht nur eine Rolle im Film, sondern er hat auch zusammen mit Brian Hayes Currie und Regisseur Peter Farrelly das Drehbuch geschrieben und den Film auch mit produziert. Regisseur Peter Farrelly ist vor allem durch derbe Comedy-Filme wie "Dumm und Dümmer" (1994) oder "Verrückt nach Mary" (1998) bekannt geworden. Hier hat er sich sehr erfolgreich an einem anderen Genre versucht.
Auch "Green Book" ist trotz des dramatischen Hintergrundes eine Komödie, das als Buddy-Road-Movie inszeniert wurde. Das funktioniert hervorragend, da die beiden Hauptdarsteller Viggo Mortensen als latent rassistischer Macho Tony Lip und Mahershala Ali als gebildeter klassischer Musiker Dr. Don Shirley wunderbar miteinander harmonieren.
Doch der Film hat auch einen makabren Hintergrund, denn das "Green Book", der Reiseführer für Afroamerikaner, der Unterkünfte in den USA empfahl, in der auch Schwarze geduldet wurden, gab es als ein beschämendes Zeitdokument des in den USA herrschenden alltäglichen Rassismus wirklich bis weit in die 1960er Jahre.
Deshalb zeigt der Film auch immer wieder dramatische Szenen, bei denen man aus heutiger Sicht wegen der Verbohrtheit nur noch den Kopf schütteln kann, auch wenn man einige der rassistischen Diskriminierungen im Süden der USA schon in "The Help" (2011) zu sehen bekam.
Dreh- und Angelpunkt des Films ist Viggo Mortensen, der Tony Lip als leicht übergewichtigen, trickreichen, resoluten, schnell sprechenden aber auch mit Vorurteilen behafteten Mann spielt, der erst während der Reise lernt, dass es außerhalb seines italo-amerikanischen Hintergrundes eine Welt gibt, von der er bisher noch nichts wusste. In der Originalfassung spricht er Tony Lip mit einem typischen Akzent der Bronx. Der zweifach Oscar-nominierte Viggo Mortensen, der vor allem als Aragorn in den drei "Herr der Ringe"-Filmen (2001 - 2003) bekannt wurde, liefert hier eine außergewöhnliche und charmante Darstellung als liebenswürdiges Arschloch ab.
Seine komischen Momente bezieht der Film vor allem aus dem Kontrast zu Mahershala Alis charismatisch aber zurückhaltend gespielten Don Shirley. Denn auch der Musiker lernt auf der Reise einiges dazu. Vor allem taut auch er langsam auf und kommt von seinem einsamen und engstirnig gebildeten Ross herunter. Zu den nettesten Szenen gehört sicher als die beiden gemeinsam Kentucky Fried Chicken im Auto essen und die Knochen aus dem Autofenster werfen, Tony allerdings anhält als Don auch den Kaffeebecher hinterher wirft.
Trotz der vielen witzigen Szenen vergisst der Film niemals den ernsten Hintergrund der Story. Denn je weiter die beiden in den Süden kommen, desto größer sind die Probleme wie die vornehmen Gastgeber, die nett mit ihrem Musikstar reden, ihm aber die Toilette im Haus verweigern, ein Kleidergeschäft, in dem Schwarze Anzüge nicht anprobieren dürfen oder ein Nachtfahrverbot für Afroamerikaner (selbst mit einem weißen Fahrer). Das sind Diskriminierungen gegen die auch Tonys großes Mundwerk nichts ausrichten kann. Doch die beiden Hauptdarsteller überzeugen gerade auch in diesen Szenen. Hier zeigt der Film deutlich, welche Nachricht der Regisseur den Zuschauern mitgeben will.
Der Film hat zu Recht fünf Nominierungen für die Golden Globe Awards 2019 erhalten und zwar als Bester Film - Komödie oder Musical, Peter Farrelly für die Beste Regie, Brian Hayes Currie, Peter Farrelly und Nick Vallelonga für das Beste Drehbuch, Viggo Mortensen als Bester Hauptdarsteller - Komödie oder Musical und Mahershala Ali als Bester Nebendarsteller. "Green Book" konnte drei Golden Globes gewinnen und zwar als Bester Film - Komödie oder Musical, für das Beste Drehbuch und Mahershala Ali als Bester Nebendarsteller.
Bei den 91. Academy Awards wurde der Film 5 mal für einen Oscar nominiert, und zwar als Bester Film, Viggo Mortensen als Bester Hauptdarsteller, Mahershala Ali als Bester Nebendarsteller, Nick Vallelonga, Brian Currie und Peter Farrelly für das Beste Drehbuch sowie Patrick J. Don Vito für den Besten Filmschnitt.
Insgesamt ist "Green Book - Eine besondere Freundschaft" bewegendes und vergnügliches politisches Kino. Der Film ist heute genauso aktuell wie die Erlebnisse von Tony Lip und Don Shirley vor mehr als 50 Jahren. Es ist eine warmherzige, lakonische und ur-komische Antirassismus-Tragikomödie entstanden, die man sich unbedingt ansehen sollte.
Foto: Don Shirley (Mahershala Ali) und Tony Lip (Viggo Mortensen) © eOne Germany
Info:
Green Book - Eine besondere Freundschaft (USA 2018)
Originaltitel: Green Book
Genre: Komödie, Drama, Biografie
Filmlänge: 130 Minuten
Regie: Peter Farrelly
Drehbuch: Nick Vallelonga, Brian Hayes Currie, Peter Farrelly
Darsteller: Viggo Mortensen, Mahershala Ali, Linda Cardellini u.a.
Verleih: Entertainment One Germany (eOne)
FSK: ab 6 Jahren
Kinostart: 31.01.2019