f wie gut2Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 28. Februar 2019, Teil 19

N.N.

Berlin  (Weltexpresso) –Wir leben in Zeiten des Jugendwahns. Jeder will fitter, schneller, frischer, jünger wirken als er ist. 60 ist das neue 40? Ist dann auch gleich 80 das neue 60? Großmütter machen heute keine Werbung mehr für Haftcreme, sondern für Gelenksalbe, um dann ihre Enkel in Grund und Boden zu tanzen.

70-jährige schwingen sich auf schwere Motorräder und cruisen durch die Städte – vielleicht lernt man bei der Gelegenheit ja noch eine heiratswillige 30-jährige kennen?

Wann fing es eigentlich an, dass sich mittelalte Männer mit kleinen oder auch größeren Bäuchen in „Ganzkörperkondome“ zwängten, sich Helme aufsetzten um dann mit dem nagelneuen Rennrad oder Mountain-Bike Fußgänger aus dem Verkehr zu schubsen? Seit wann ist der Friseur so wichtig, dass er ins Trainingslager der Fußballnationalmannschaft eingeflogen wird? Ich erinnere mich noch an einen aufgebrachten Vater am Spielfeldrand eines D-Jugendspiels vor 15 Jahren, bei dem einem Abwehrspieler der Ball über den Scheitel ins eigene Tor flutschte: „Dit kommt nur von die jejeelten Haare!“ Wahrscheinlich hatte er schon damals Recht...

Und seit wann gibt es eigentlich Nagelstudios? Warum sprießen diese wie Fußpilze aus dem Boden? Gab es die vor 20 Jahren schon? Heute dopen wir uns mit Energy Drinks und einer Auswahl von über 20 Kaffeesorten. Wie gemütlich war es, als wir nur gefragt wurden „Tasse oder Kännchen?“. Die Auswahl an allem wird immer größer, die Verwirrung auch. Denn es ist stressig, im Sandwich-Laden auf gefühlt 25 Fragen antworten zu müssen, bevor man den Snack in Händen halten kann.

Wir leben in einer Massengesellschaft, aber alles wird individualisiert – da stimmt irgendetwas nicht. Auch bei der täglichen Ernährung müssen wir auf der Hut sein. Ein einfaches Müsli reicht nicht mehr – zum Frühstück trinken wir entsafteten Broccoli oder essen „Superfood“, wie fermentiertes Gemüse oder Grünkohl-Chips. Damit im Alltag nichts schief gehen kann, machen wir uns vom Smartphone und unzähligen Apps abhängig. Einfach so joggen gehen, ohne Tracking von Kalorienverbrauch, Herzfrequenz und Atmung? Heutzutage unvorstellbar!

Der „Mann von Welt“ schafft den modischen Trend nicht selbst, sondern lässt sich via Internet komplette Outfits schicken, von Schuhen, über Socken bis zur passenden Krawatte – ganz individuell und doch wieder Einheitsbrei. Frauen haben es noch schwerer, früher wurden Augenbrauen gezupft, heute tätowiert, von Botox und allem anderen Schönheitswahn ganz zu schweigen. In den Läden findet man Skinny Jeans und Crop Tops en masse – aber wer passt da eigentlich rein? Wohl nur Beauty-Gurus und „Germanys Next Topmodel“ Kandidatinnen.

In Zeiten von Vergleichsportalen wird nichts mehr gekauft oder gebucht, ohne dass es nicht mehrfach verglichen und das Angebot optimiert wird – Spontaneität war gestern – wir wollen totale Kontrolle und überlassen die Entscheidung doch Dritten. Ist inzwischen unser ganzes Leben zu einem Vergleichsportal geworden? Messen wir uns nicht permanent mit allen anderen? Wir müssen schritthalten, mit den Kolleginnen und Kollegen, mit den Konkurrentinnen und Konkurrenten, mit den Freundinnen und Freunden, hecheln der Zeit und den Trends hinterher.

Und wie gut ist unsere Beziehung? Ist der Sex noch oft genug, ist der Sex noch gut genug, haben wir überhaupt noch welchen? Auch im Job wird vieles ständig auf den Prüfstand gestellt – Rationalisierung, Optimierung sind die Schlagworte – schließlich wollen die 118.000 Unternehmensberater in über 19.000 Firmen (laut „Statista“ 2018) beschäftigt werden – wer optimiert eigentlich die? Machen wir uns Probleme, wo eigentlich gar keine sind? Suchen wir nach dem kleinen Haar in der Suppe, um dann gleich das große Ganze in Frage zu stellen?

Müssen wir andauernd nach dem Optimum oder dem neuen „Kick“ suchen? Und ist das Optimale in dem Moment, wo wir es erreicht zu haben glauben, nicht schon längst Geschichte? Sisyphos lässt grüßen und wir merken es noch nicht einmal...

Foto:
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Info:
Darsteller
CAROLA     Julia KOSCHITZ
STEVE         Friedrich MÜCKE
BOB            Bastian REIBER
ANETTE      Maja BECKMANN
HARALD     Michael WITTENBORN