Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 21. März 2019, Teil 17
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Doch, wenn man es weiß, daß dem Film ein Theaterstück zugrundeliegt, dann versteht man auch das manchmal Bühnenhafte in den Dialogen. Alexandra Helmig ist die Autorin, sie hat auch das Drehbuch geschrieben und verkörpert im Film Nela, eine der drei Frauen, die im Film die Mütter aus ganz unterschiedlichen Gesellschaftsschichten geben.
Nela ist wie eine der beiden anderen keine ganz junge Mutter (40). Aus soziologischen Untersuchungen weiß man, daß späte Mütter besonders besorgt um ihre Kinder und besonders besorgt sind, selber alles richtig zu machen. Streß ist schon mal angesagt, erst recht, wenn die junge späte Mutter berufstätig ist wie Nela, die als erfolgreiche Werberin eine neue Stelle in einer Werbeagentur angetreten hat, wo sie Höchstleistung bringen muß. Denkt sie. Da passen Babys und Kleinkinder einfach nicht. Also verschweigt sie besser ihr Söhnchen Leo. Und dann hat sie auch noch die richtige Idee für einen Kunden, einen sehr wichtigen Kunden der Agentur, dessen Werbekampagne sie jetzt konzipieren soll. Eine ehrenvolle Aufgabe und ein nächster Schritt auf der Karriereleiter.
Das heißt aber, noch mehr Arbeit im Beruf, noch längere Abwesenheit von zu Hause, was Ehemann Lutz (Florian Karlheim) gar nicht schmeckt, der seine Mutter Gisela (Gundi Ellert) zu Hilfe holt. Das verstärkt den Druck auf Nela, denn die Schwiegermutter ist für sie eine Nervensäge, die immer ihre Erziehungsversuche unterwandert. Und dann kommt es zum Supergau, als der Junge krank wird und beide Eltern nicht frei nehmen können.
Diese Probleme hat die sechsunddreißigjährige Marie (Julia Jentsch) nicht. Sie gehört zu den Muttertieren, die beim auch beim zweiten Kind hundertprozent Mutter sind und zwar jede Sekunde am Tag. Sie kann es sich leisten, ihr Mann verdient genug und diese Arbeitsteilung motiviert sie, eine perfekte Mutter zu sein, die alle Eventualitäten miteinbezieht und in jeder Situation die entsprechende Ausrüstung dabei hat. Für die anderen ein druckmachendes Vorbild, für sie selbst dann doch zu wenig, denn ihr mit Auslandsgeschäften beschäftigter Ehemann Udo (Matthias Weidenhöfer) läßt sich kaum blicken und sie würde Ansprache und Wärme dringend brauchen. Und Liebemachen auch. Und wenn sie sich in Schale wirft, was heißt, möglichst wenig anhat und ein schwarzes Spitzennegligé wirken lassen will, dann rührt sich eines der Kinder lautstark und stört. Und am nächsten Tag ist er wieder unterwegs zum anderen Ende der Welt.
Wir kennen das alles, aber es macht Spaß Julia Jentsch in ihrer Verzweiflung zu erleben, die zu großen Teilen durch ihr Perfektionsstreben selbstgemacht ist. Meist spielt sie nämlich ganz andere Rollen und beim Ausflippen kann sie immer wieder die Sau rauslassen, was vor allem dann für die Szenen im Supermarkt gilt, die sicher beim Drehen besonderen Spaß machten.
Bleibt Tine (Kristin Suckow), mit 22 jahren die Jüngste und nicht unter dem Druck, eine gute Mutter zu sein, sondern unter dem, neben ihrer nervenaufreibenden Tätigkeit in einem Biomarkt, die durch die anspruchsvolle Filialleiterin (Annette Frier) extrem anstrengend ist, auch noch ein eigenes Leben zu haben, auszugehen, Freunde zu haben, statt Abend für Abend das Kind ins Bett zu bringen. An Tine kann gut gezeigt werden, daß solche wie sie das alles nicht schaffen können, weil sie über die institutionellen Modalitäten von Krippen und Kitas nicht informiert sind, daß man die Kinder möglichst schon vor der Geburt dort anmeldet. So bekommt sie keinen Platz für ihr Kind und wenn nicht die gute Oma wäre, könnte sie weder arbeiten gehen, noch abends ausgehen. Das bedeutet aber gleich das nächste Problem. Sie kann keinen Mann mit nach Hause bringen, wo Oma und Kind auf sie warten.
Da ständig Kinder geboren werden, also auch ständig Mütter sich um diese kümmern, bleibt ein Stoff wie dieser immer aktuell. Und leider wohl auch, daß Väter mehr als zurückhaltend sind, ihren Anteil an der Kinderbetreuung ("Aufzucht") zu übernehmen.
Man kann dem Film gut folgen, fragt sich aber dann doch, warum das alles so brav erzählt wird, denn auch die aufgedrehten Szenen wie das Ausflippen von Marie gehen doch eher in Richtung einer Klamotte, statt subtiler Personenführung. Das, was der Film erzählen wollte, tut er, mehr will er nicht.
Foto:
© Verleih
Info:
BESETZUNG
Marie JULIA JENTSCH
Nela ALEXANDRA HELMIG
Tine KRISTIN SUCKOW
Gisela GUNDI ELLERT
Lutz FLORIAN KARLHEIM
Udo MATTHIAS WEIDENHÖFER
Heidi ULRIKE ARNOLD
Gitti ANNETTE FRIER
Ariane BRIGITTE HOBMEIER
Hannes MICHAEL KRANZ
Julia Kaiser KATHARINA MARIE SCHUBERT
Jenny MARLENE MORREIS
Rebecca MIRA MAZUMDAR
Petra TINI PRÜFERT
Melinda MAREILE BLENDL
Dr. Ferdinand v. Racknitz MAX VON THUN