Hanno Lustig
München (Weltexpresso) - Man muß es wirklich sagen, zumindest von denen,die aus der alten Bundesrepublik kommen und zumindest für die, die in Westdeutschland sozialisiert wurden. Lange, lange galt das Zweite Deutsche Fernsehen für eine Art Staatsfernsehen. Damals war das Erste, das lange das einzige war und einen Haufen Kinder mit den Länderfernsehanstalten hatte, die ja die Basis der ARD bilden, damals also war dieses Fernsehen so was von aufmüpfig, daß seine Sendungen im öffentllchen Gespräch waren, sich sogar Bundesländer, ja, ja Bayern, aus einzelnen Sendungen abkoppelten, während das Zweite als brav, angepaßt, als gewollten Untertanenfernsehen galt.
Etwas übertrieben? Nur etwas! Diese Zeiten sind lange lange vorbei. In Sachen politischer Offenheit unterscheiden sich beide wenig. Nur ist die Frage, ob das daran liegt, daß sich das Zweite politisch freigeschwommen hatte oder ob das Erste sehr viel angepaßter an den Mainstream und an öffentlichen Konsens ist, als früher. Sicher liegt eine Wahrheit in der Mitte. Aber um die geht es jetzt gar nicht,sondern um die Fernsehpreise in Bayern, von denen das ZDF profitierte. Und auch das ist gegenüber früher neu. Denn heute ist das eine Auszeichnung, das wäre es in den Anfangsjahren des Fernsehens nicht unbedingt gewesen: ein Preis aus Bayern.
Der ZDF-Korrespondent Ulf Röller ist am Freitag, 24. Mai 2019, mit dem Bayerischen Fernsehpreis ausgezeichnet worden. Auch der ZDF-Film "Aufbruch in die Freiheit" und die ZDF/3sat-Dokumentation "Exodus? – Eine Geschichte der Juden in Europa" wurden bei der Preisverleihung im Münchner Prinzregententheater geehrt.
Ulf Röller wurde in der Kategorie Information für seine USA-Berichterstattung ausgezeichnet. Röller war von Oktober 2010 bis Anfang 2019 ZDF-Studioleiter in Washington, im Sommer übernimmt er die Leitung des Studios in Peking.
"Ulf Röller hat in tausenden von Schaltgesprächen und Filmberichten den deutschen Fernsehzuschauern zu erklären versucht, wie sich die amerikanische Nation von den Obama-Jahren zur Trump-Ära wandelte", begründete die Jury ihre Entscheidung. "Es gelang ihm immer, kritische Distanz zur Regierungspolitik in Washington zu wahren, aber gleichwohl niemals einem wohlfeilen Antiamerikanismus das Wort zu reden."
Schauspielerin Anna Schudt erhielt den Preis für die beste Darstellerin für ihre Leistung im Emanzipationsdrama "Aufbruch in die Freiheit". Der Film von Regisseurin Isabel Kleefeld skizziert die Emanzipation einer Ehefrau auf dem Land in den 70er-Jahren. Das Drehbuch stammt von Andrea Stoll, Heike Fink und Ruth Olshan. Verantwortliche Redakteurinnen im ZDF sind Caroline von Senden und Solveig Cornelisen.
"Anna Schudt gelingt es, mit ihrer Darstellung der Erika Gerlach von der ersten bis zur letzten Minute zu fesseln", heißt es im Urteil der Jury. "Sie verleiht dem Emanzipationsprozess, den der Film zum Thema hat, Würde und Authentizität und erschafft die Stimme einer Frau, die selten im Fernsehen gehört wird."
In der Kategorie Kultur und Bildung wurde Gero von Boehm als Produzent und Regisseur von "Exodus? Eine Geschichte der Juden in Europa" ausgezeichnet. "Exodus?" ist eine von ZDF und 3sat koproduzierte Dokumentation mit Christopher Clark, die im ZDF als "Terra X"-Zweiteiler ausgestrahlt wurde und vorab in 3sat in einer 90-minütigen Fassung zu sehen war. Die Redaktion haben Stefan Brauburger, Georg Graffe und Anja Greulich, die Leitung hat Prof. Peter Arens (ZDF-Hauptredaktion "Geschichte und Wissenschaft").
In "Exodus? Eine Geschichte der Juden in Europa" spanne Gero von Boehm ein Panorama über 2000 Jahre schicksalsschwerer Geschichte auf, urteilte die Jury. "Mit diesem Film ruft uns Gero von Boehm erneut ins Gedächtnis: Was seit jeher gelten sollte, ist heute wichtiger denn je: In unserer Gesellschaft ist kein Platz für Bedrohung durch Hass und Hetze."
Foto:
Ulf Röller mit dem Preis
© ZDF
Info:
Biografie von Ulf Röller: https://presseportal.zdf.de/biografie/Person/ulf-roeller/
"Exodus? Eine Geschichte der Juden in Europa" in der ZDFmediathek: https://zdf.de/dokumentation/terra-x/exodus-eine-geschichte-der-juden-in-europa-100.html