Redaktion
London (Weltexpresso) - Joan Stanley führt ein glückliches, unaufgeregtes Rentnerdasein im Umland von London. Doch über den Verlauf einer einzigen Woche wird ihr Leben und das ihrer Familie bis ins Mark erschüttert, als der MI5 die vermeintlich ganz normale Seniorin verhaftet und ihr vorwirft, als Spionin für Russland tätig gewesen zu sein.
Diese bemerkenswerten Vorwürfe führen uns zurück aus der Gegenwart ins Cambridge der 1930er Jahre, wo die junge Joan an der Universität ein Verhältnis mit einem charismatischen Kommilitonen aus Russland hat, sowie ins darauffolgende Jahrzehnt, als die begabte Wissenschaftlerin – schockiert von der zerstörerischen Kraft der Atombombe – beschließt, ihr Möglichstes zu tun, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen.
Ein starkes Ensemble rund um eine gewohnt eindrucksvolle Judi Dench bringt die Adaption des preisgekrönten Romans „Red Joan“ von Jennie Rooney auf die Leinwand, der wiederum von einer bemerkenswerten, wahren Geschichte inspiriert wurde. Erzählt wird darin nicht zuletzt die Geschichte der Cambridge-Spione, die während des Zweiten Weltkriegs Geheimnisse an die Russen weitergaben.
Für den renommierten Regisseur Trevor Nunn stellte GEHEIMNIS EINES LEBENS eine spannende Gelegenheit dar, eine faszinierende Spionage-Geschichte zu erzählen, die Romanzen, Gefahr, Drama und moralisches Dilemma in sich vereint. Dass der Roman das Zeug zum Kinofilm hatte, war für den preisgekrönten Theatermacher schon beim Blick auf den Klappentext klar, der ihm beim Stöbern im Buchladen auffiel. Und das Buch konnte er nach dem Kauf kaum aus der Hand legen, wie er sich erinnert.
„Wenn man heutzutage am Ende eines Buchs ankommt, findet man dort meist nicht nur einen kurzen biografischen Text zu dem oder der Verfasser*in, sondern auch eine Email-Adresse für Feedback“, berichtet Nunn. „Dorthin wandte ich mich und schrieb, dass die Filmrechte sicherlich längst vergeben seien, aber man diese Geschichte unbedingt ins Kino bringen müsse. Beinahe postwendend antwortete mir die Autorin Jennie Rooney, dass die Rechte noch zu haben seien – und sie sich niemand besseren dafür vorstellen könne als mich.“
Nunns Interesse war geweckt, und so kontaktierte er den Produzenten David Parfitt, zu dessen zahlreichen erfolgreichen Filmen auch der Oscar®-Gewinner Shakespeare in Love (Shakespeare in Love, 1998) gehört: „Als ich David die Idee vorschlug, zeigte er sich sofort begeistert. Er las umgehend das Buch und war danach noch mehr Feuer und Flamme.“
„Als er ins Büro kam, hüpfte Trevor quasi vor Enthusiasmus, so wie nur er es kann“, lacht Parfitt. „‘Das hier ist ein Film, das musst du lesen!‘, rief er. Also tat ich das – und natürlich hatte er vollkommen recht.“
Rooneys Roman erzählt zwar eine fiktive Geschichte, die allerdings inspiriert ist von der ebenso außergewöhnlichen wie kontroversen wahren Geschichte von Melita Norwood, einer britischen Wissenschaftlerin und Staatsbeamtin, die beruflich den Bau der Atombombe erforschte und über vier Jahrzehnte hinweg Geheimnisse an die Russen weitergab.
„Wir begegnen Joan im Film im Jahr 2000, als Frau von über 80 Jahren, die sich um ihr kleines Vororthäuschen kümmert, als plötzlich der MI5 auftaucht, sie verhaftet und zum Verhör mitschleppt“, beschreibt der Produzent den Einstieg in den Film.
„Es stellt sich heraus, dass sie gemeinsam mit einem gewissen Sir William Mitchell studierte, der kürzlich verstarb und womöglich zu einem Spionagering in Cambridge gehörte. Die Agenten des Geheimdiensts sind davon überzeugt, dass sie eine Verbindung zwischen Joan, William und dem KGB gefunden haben. Unsere Geschichte erzählt also von der Befragung der älteren Joan sowie – dank Rückblenden in die Zeit von 1938 bis 1947 – von ihrem Leben als Studentin in Cambridge und später als Wissenschaftlerin beim streng geheimen Tube Alloys Project.“
Eine große Rolle in GEHEIMNIS EINES LEBENS spielt die Tatsache, dass Joan nicht aufgrund einer kommunistischen Ideologie zur Spionin wurde, sondern unter dem Eindruck der verheerenden Bombenabwürfe von Hiroshima und Nagasaki, um zu verhindern, dass sich Vergleichbares wiederholt. Wenn alle Länder im Besitz der gleichen Geheimnisse sind, so ihre Überlegung, wäre die Welt sicherer. Da sie eine Frau war, kam man überhaupt nicht auf die Idee, dass sie in ihrer Position eine Gefahr darstellen könnte.
„Das ist ein durchgängiges Thema in unserem Film: dass Frauen damals in den Hintergrund verbannt wurden. Man betrachtete sie als unwichtig und ignorierte sie, weswegen sie geradezu schattenhafte Existenzen führten, die es ihnen letztlich recht leicht machten, in Spionage oder ähnliches involviert zu sein“, erklärt Parfitt und fährt fort: „Ich habe wirklich bemerkenswerte Dinge über die damalige Zeit erfahren. Beispielsweise wusste ich nicht, dass es in Cambridge dieses wunderschöne Newnham College voller brillanter Frauen gab, die bei ihrem Abschluss nur ein Zertifikat statt, wie die Männer, ein echtes Diplom bekamen. Und diese Praxis wurde auch noch nach dem Krieg beibehalten!“
Ähnlich empört zeigt sich Regisseur Nunn: „Ich finde es schockierend, dass eine Unterscheidung überhaupt getroffen wurde. Aber was ich während meiner Recherchen am unglaublichsten fand, war die Tatsache, dass dieses Vorgehen bis 1951 beibehalten wurde. Es ist doch wirklich nicht zu glauben, dass alle die gleichen Prüfungen zu absolvieren hatten, aber die Frauen am Ende als weniger qualifiziert galten.“
Der Film wirft zwar ein Schlaglicht auf die Welt der Cambridge-Spione, doch letztlich ist es Joans Geschichte, die hier erzählt wird, betont Parfitt: „Ein bisschen war ich vertraut mit diesem Spionage-Ring, dessen Mitglieder Geheimnisse an Russland verrieten, um ihren kommunistischen Prinzipien treu zu bleiben. Aber darum geht es hier nicht. Joan interessiert sich eigentlich nicht sonderlich für den Kommunismus, sondern sie hat sich nur in einen sehr attraktiven jungen Mann verguckt, der es tut. Allen Versuchen, sie für die Sache zu gewinnen, widersteht sie trotzdem. Am Ende geht es bei ihr um eine moralische Frage im Kontext von nuklearer Kriegsführung. Was sie getan hat oder auch nicht, hat nur damit zu tun, nicht mit einer politischen Gesinnung.“
„Letztlich kann man es wohl ganz einfach so ausdrücken: dies ist eine sehr kleine Geschichte über ein gigantisches Thema“, meint Nunn. „Wir sehen hier sehr glaubhafte Menschen in einem sehr spezifischen Moment unserer Geschichte, und gerade durch diesen Kontext können wir ihre Schwächen, Träume und Sehnsüchte auch heute noch nachvollziehen.“
Erstmals beginnt Joan mit dem Weitergeben von Geheimnissen an die Russen, während sie als Sekretärin beim streng geheimen Tube Alloys Project arbeitet, wo an der möglichen Entwicklung einer Atombombe geforscht wird.
„Schon bei den nur unter der Hand vermittelten Vorsprechen für die Jobs beim Tube Alloys Project wird ihr mit dem Unterschreiben des so genannten Official Secrets Acts klar gemacht, dass es sich bei diesem Projekt um ein höchst geheimes handelt“, erklärt der Regisseur. In der Zusammenarbeit mit ihrem Vorgesetzten Max erfährt sie, worum es konkret geht – und dass die britischen Wissenschaftler unter Hochdruck an ihrer Forschung arbeiten, während die Deutschen unter Hitler das gleiche tun.
„An der Dringlichkeit dieses Projekts bestand nicht der geringste Zweifel“, fügt Nunn hinzu. „Die Arbeit dieser Menschen wird den Verlauf der Menschheitsgeschichte verändern. Oder zumindest verhindern, dass die Geschichte der Welt eine katastrophale Wendung nimmt. Dieser Gegensatz zwischen dem Kleinen, Persönlichen und Glaubwürdigen auf der einen Seite und diesen potentiell so weitreichenden Konsequenzen ist einer der spannenden Aspekte dieses Films.“
Foto:
© Verleih
Info:
BESETZUNG
Joan Stanley JUDI DENCH
Joan Stanley, jung SOPHIE COOKSON
Max STEPHEN CAMPBELL MOORE
Leo TOM HUGHES
Sonya TEREZA SRBOVA
Nick BEN MILES
William Mitchell FREDDIE GAMINARA
Abdruck aus dem Presseheft
Foto:
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BESETZUNG
Joan Stanley JUDI DENCH
Joan Stanley, jung SOPHIE COOKSON
Max STEPHEN CAMPBELL MOORE
Leo TOM HUGHES
Sonya TEREZA SRBOVA
Nick BEN MILES
William Mitchell FREDDIE GAMINARA
Abdruck aus dem Presseheft