f toni kroosDie anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 4. Juli 2019, Teil 8

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Ein Film für die ganze Familie, für Fußballfans sowieso, aber das Wichtige an diesem Film ist, daß er das Fußballspielenkönnen nur als herausragende Eigenschaft des Toni Kroes betrachtet, als Hintergrund sozusagen, als Berechtigung, über einen Spitzenfußballer einen Film zu drehen.

Im Nachhinein kann man Manfred Oldenburg schon verstehen, warum er gerade einen Film über diesen so erfolgreichen wie zurückhaltenden Ostdeutschen machen wollte. Denn vordergründig liegen doch erst einmal Filme über solche Nummern und Spaßmacher, ja schräge Typen wie Lukas Podolski, erst recht die beiden (gewesenen) Bayernstars

Arjen Robben und Franck Ribéry  viel näher, denn sie haben ja schon auf dem Platz Unterhaltungswert. Toni Kroos nicht. Doch, doch, er spielt vorbildlich, aber das ist für einen Dokumentarfilm nicht tragend, aber – und darauf kommt dann jeder – das wären die oben erwähnten Personen erst recht nicht. Die taugen für einen Kurzfilm, exaltiert wie mancher von ihnen ist, oder mit einer besonderen Persönlichkeit gesegnet.

Von all diesem ist Toni Kroos das Gegenteil und das schon angesprochene Foto beim WM-Sieg 2014 in Brasilien, wo die ganze Mannschaft mit Angela Merkel posiert – sie so stolz wie die ganze Mannschaft, und diese wie sie - , da sitzt Kroos im Schatten auf dem Podest und bindet sich die Fußballschuhe. Ein solches Bild müßte erfunden werden, wenn es es nicht schon gäbe.

Bevor eine noch stärkere Werbung dafür kommt, sich diesen Film anzuschauen, sogar dann, wenn man keinen Fußball mag, noch ein Hinweis darauf, wie viel auch ganz echte Fußballfans beim Zuschauen dazulernen können. Denn daß Toni Kroos gut ist, schon gut war in seiner Karriere in Deutschland und der WM und nun seit Jahren schon als verläßlicher Spieler bei Real Madrid – trotz der englischen Superliga mit den höchsten Gehältern immer noch der Spitzenverein auf der Welt -, das ist weithin bekannt, was aber seine besondere Qualität angeht, was es ist, das es ihn zu einem Fußballspieler macht, von dem anderen sagen, er sei das größte Talent, das Deutschland je hervorgebracht habe, das erfährt man im Detail im Film.

Und tatsächlich waren es diese Erklärungen seiner Spielzüge – Motto: erfolgreicher Fußball beginnt im Kopf - , die für mich den Film hinreißend machten. Denn man lernt an Kroos, wie man beim Fußballspielen den Überblick behält.

Alles andere stimmt trotzdem. Es ist wirklich angenehm und glaubwürdig auch, wenn einer mit großer Begabung und viel Geld normal daherkommt, normal lebt – auf hohem finanziellen Niveau, versteht sich, mit Eigenheim in Spanien mit Pool – und sich dann aus seiner privilegierten Situation heraus mittels einer Stiftung um die kümmert, die normalerweise am letzten drankommen: nicht nur Kinder, sondern kranke Kinder. Wir verstehen das so, vor allem kranke Kinder, die keine reichen Eltern haben.

Also von vorne, am meisten haben uns die Fußballanalysen begeistert, aber das Entscheidende am Film sind dann sicherlich all die Familienporträt, von denen allein der Opa eine ganze Serie in Gang hielt. Ein Original, ohne eins sein zu wollen. Was schließlich für die ganze Familie gilt. „Von mir hat er das nicht“, ist eine Nummer, die beliebig weitergeben kann und so verknüpft Manfred Oldenburg sehr geschickt die Familienszenen mit dem Verhalten des Superspielers, der mit seiner Bescheidenheit nicht prahlt, sondern sie einfach verkörpert.

Natürlich ist das alles dick aufgetragen, Familie vorne und hinten, aber – und das ist das Entscheidende – es ist dem Spitzenfußballer abzunehmen, daß für ihn das Fußballern zwar die Existenzgrundlage abgibt, er unter existentiell aber nicht Gewinnen oder Verlieren versteht, sondern er vor der Haustüre nicht nur seine Fußballschuhe abgibt, sondern mit ihnen das ganze aufgeregte Getue, den Streß, ob es nun eine Niederlage oder ein Sieg war. Gut, das muß man nicht ganz glauben, denn natürlich wirken Spiele in jedem Spieler (und Zuschauer) länger nach, aber – und das ist wiederum das Glaubwürdige – sie beschweren nicht seine Person als Vater und Ehemann. Umgekehrt wird ein Schuh daraus, je länger sich Toni Kroos im Umfeld der Spiele von Real Madrid bewegt, hat seine Ruhe, seine Übersicht, seine Kontrolle über die Spiele zugenommen.

Er selbst erklärt das viel besser, als wir es könnten, daß nämlich gerade seine innere Unabhängigkeit vom Fußballgeschehen ihn prädestiniert, auf dem Feld so abgeklärt, vorausschauend, umsichtig und zielorientiert zu spielem. Das alles paßt perfekt zur Position auf der er überwiegend spielt: die eines Spielmachers im zentralen Mittelfeld. Das sind die Spieler, die nach vorne und hinten agieren müssen, buchstäblich vorne und hinten Augen haben müssen, wollen sie beide Belange vereinen. Sie sind in jeder Mannschaft eigentlich die wichtigsten Spieler, auch wenn die Stürmer, die meist die Tore schießen, dann stärker beklatscht werden, wie auch die Verteidigung nebst Tormann, wenn sie Tore verhindern.

Alles in allem ein sehr sehenswerter Film. Wie gesagt, für Fußballfans eh, aber sicher ist das Besondere an diesem Film, daß er für jeden taugt, für jeden etwas Sehens- und Hörenswertes dabei hat, ohne beliebig zu sein. Es gibt nur einen Toni Kroos, das zeigt dieser Film auch.

Foto:
© Verleih

Info:
Regie Manfred Oldenburg mit Zinédine Zidane, Pep Guardiola, Jupp Heynckes, Uli Hoeneß, Florentino Pérez, Robbie Williams, Wolfram Eilenberger, Marcel Reif, Matthias Sammer, Sergio Ramos, Luka Modric´, Felix Kroos, Jessica Kroos, Roland Kroos, Birgit Kroos, u.v.m.
Abdruck aus dem Presseheft