Claus Wecker
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Frankreich hat vor allem mit den Einwanderern aus den ehemaligen Kolonien ein massives Integrationsproblem. Im Kino ist das sicherlich nicht zu lösen, aber immerhin kann dort der Versuch unternommen werden, hüben wie drüben Verständnis füreinander zu wecken. In diesem Kontext ist denn auch ein immer umfangreicher werdendes Subgenre entstanden: die Culture-Clash-Komödie.
»Made in China« von Julien Abraham gehört auf den ersten Blick dazu, und auch das Filmplakat weist in diese Richtung. Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich dieser Film aber als eine Tragikomödie. Denn sein großes Thema ist eine verkorkste Vater-Sohn-Beziehung und wie es zwischen beiden Sturköpfen zu einer Versöhnung kommen kann.
Nun ist ein zerrüttetes Vater-Sohn-Verhältnis schon in einer französischen Familie eine ernste Angelegenheit – in einer chinesischen Familie ist sie ein Ding der Unmöglichkeit. Das wiederum bietet, distanziert betrachtet, eben auch die Möglichkeit, sich als Außenstehender über das Verhalten der beteiligten Personen lustig zu machen. Zudem spricht auch die Besetzung für eine Komödie à la »Monsier Claude und seine Töchter«, spielen doch zwei Schwiegersöhne aus dieser bislang erfolgreichsten Culture-Clash-Komödie erneut männliche Hauptrollen in »Made in China«.
Frédéric Chau, von dem die Idee zu dem Film stammt, gibt den selbständigen Fotografen François als einen Franzosen, der aber wegen seines Äußeren als gebürtiger Chinese angesehen und des öfteren von oben herab behandelt wird. Medi Sadoun, ein weiterer ehemaliger Schwiegersohn, spielt seinen Freund Bruno, der unbekümmert sämtliche Klischees über China und die Chinesen zum besten gibt. Auf François’ genervtes »Ich bin Franzose, ich bin kein Chinese« erwidert er: »Darauf kommt man nicht gleich.«
François lebt mit seiner Lebensgefährtin Sophie (Julie de Bona) in einem gutbürgerlichen Teil von Paris. Das chinesische Viertel, in dem seine Familie lebt, hat er seit zehn Jahren nicht mehr betreten. Als Sophie ein Kind erwartet, François also im Begriff ist, Vater zu werden, scheint der Zeitpunkt der Versöhnung gekommen. Von Sophie gedrängt, die darauf besteht, dass ihr Kind auch den väterlichen Opa kennen soll, macht er sich auf zum Pariser China-Town im 13. Arrondisment. Bruno begleitet ihn und sorgt mit seiner direkten Art für Irritationen bei den Chinesen, die François immer wieder beruhigen muss. Er ist als Elefant im Porzellanladen für die witzigen Momente zuständig.
Und nicht zuletzt hilft er François, über Verdruss und Trauer hinwegzukommen, wenn der Vater stur bleibt und nichts von ihm wissen will. Der Vater kann seinerseits nicht verstehen, dass sein Sohn, statt Ingenieur zu werden, den unsicheren freiberuflichen Weg eines Fotografen eingeschlagen hat und nichts mehr von der Familie wissen wollte (ein kritisches Thema wie die mafiösen Geschäftsstrukturen in den Familien wird nebenbei erwähnt und damit erklärt, dass die Banken keine Kredite an Chinesen vergeben).
Erst als die resolute Großmutter eingreift, weil sie nicht weitere zehn Jahre warten will oder kann, um ihren Enkel wiederzusehen, wendet sich der Vater nicht mehr ab. Schließlich akzeptiert er, dass er bald Großvater wird, und entwickelt den üblichen Stolz.
Besonders in den Nebenhandlungen, in denen Bruno sich in eine besonders attraktive Chinesin verliebt oder Sophie eifersüchtig wird, zollt der Film dem erwähnten Genre Tribut. Doch Regisseur Julien Abraham gelingt es, die Balance zwischen Komik und Tragik zu halten. Der störrische Vater, der nicht mit sich reden lässt, ist natürlich eine unsympathische Figur, und die Verzweiflung, die François immer wieder bei seinen fruchtlosen Versöhnungsversuchen erfasst, ist durchaus zu spüren. So hebt sich »Made in China« von den gängigen Komödien gerade für diejenigen Zuschauer wohltuend ab, die nicht unbedingt einen »Monsieur Claude 3« sehen wollen. Mit dem befriedigenden Gefühl, dass am Ende dann doch alles gutgegangen ist, verlässt man das Kino.
Foto:
©
Info:
MADE IN CHINA
von Julien Abraham, F 2019, 87 Min.
mit Frédéric Chau, Medi Sadoun, Julie de Bona, Steve Tran, Mylène Jampanoï, Clémentine Célarié
Tragikomödie / Start: 18.07.2019