Bildschirmfoto 2019 07 18 um 02.49.15Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 17./18.  Juli 2019, Teil 4

Redaktion

Paris  (Weltexpresso) - Woher stammt Ihr Wunsch, einen Film über die asiatische Gemeinde in Paris zu schreiben?

Ich begann 2006, im Jamel Comedy Club zu spielen. Oft wurden mir klischeehafte Rollen angeboten: Kellner, illegaler Einwanderer, Informatiker oder Charaktere, die KungFu machen, die einen starken Akzent haben..... Kein Casting entsprach dem, was ich machen wollte. Damals bemerkte ich, dass die größten Hits an den französischen Kinokassen oft Komödien über Gemeinschaften waren: ZIEMLICH BESTE FREUNDE, LA VÉRITÉ SI JE MENS, WILLKOMMEN BEI DEN CH‘TIS.... Aber es gab noch keinen Film über die asiatische Gemeinde. Also beschloss ich, eine entsprechende Rolle zu schreiben. Dann traf ich meine Produzenten Florian Genetet-Morel und Sandra Karim, die sofort von der Geschichte, die ich erzählen wollte, berührt waren.


Dies ist das erste Mal, dass Sie ein Drehbuch für einen Spielfi lm geschrieben haben. Wie lief der Schreibprozess?

Ich habe mit Kamel Guemra zusammengearbeitet. Er ist derjenige, der die Geschichte auf der Grundlage der Elemente strukturiert hat, die ich ihm gegeben habe. Er verbrachte viel Zeit damit, mir zuzuhören. Gemeinsam defi nierten wir die Herausforderung meiner Figur François, der mit seinem besten Freund Bruno ins 13. Arrondissement von Paris zurückkehren sollte. Es war notwendig, dass mit Bruno ein frischer Blick auf die Menschen in der Gemeinde ins Spiel kam.


Inwieweit spiegelt dieser Film Ihre Erfahrungen wider?

Diese Fragen nach Identität und Herkunft spiegeln absolut meine persönliche Erfahrung wider. Ich denke insbesondere an die Kluft zwischen der Art und Weise, wie die Menschen mich ansahen, weil ich anders aussehe, obwohl ich mich zutiefst französisch fühle, in meiner Erziehung und in meinem täglichen Leben. Wie François lehnte ich meine Herkunft für eine Weile ab, besonders als ich ein Kind war, denn diese Stigmatisierung und Verhöhnung war mit meiner Herkunft PRESSEHEFT MADE IN CHINA 20 verbunden. Ich wollte akzeptiert werden wie alle anderen auch. Als ich mich weiterentwickelte, wurde mir klar, dass alles, was mir passiert war, auf meine Wurzeln zurückzuführen war. So versöhnte ich mich mit ihnen, wie François, als er im 13. Arrondissement sein Comeback feiert und erkennt, dass er etwas verpasst hatte. Seine Familiengeschichte ist auch von der meiner Eltern inspiriert: Sie sind Chinesen aus Kambodscha, die vor dem Völkermord der Roten Khmer geflohen sind.


Kann man sagen, dass François für die zweite Generation asiatischer Einwanderer in Frankreich repräsentativ ist?

Der Weg, den Francois geht, ist sein eigener Weg. Ich hatte nie das Ziel, im Namen der asiatischen Gemeinde zu sprechen. Aber vielleicht werden sich einige Menschen, die ebenfalls Schwierigkeiten mit ihrer Herkunft haben, mit François identifizieren. Wie ich setzten auch meine Eltern, die vor mehr als 35 Jahren nach Frankreich kamen, die alten Traditionen fort und versuchten gleichzeitig, die lokalen Bräuche zu übernehmen, ein Gleichgewicht, das nicht immer leicht zu finden war. Als jemand, der in Frankreich aufgewachsen ist, suche ich natürlich seit langem nach mir selbst. War ich Franzose oder Chinese? Es war sehr schwierig für meine Eltern, meinen Beruf zu akzeptieren. Wir sind von diskreter Natur. Meine Eltern hatten sehr hart gearbeitet, um mich unter den besten Bedingungen aufzuziehen und sicherzustellen, dass ich jede Chance hatte, die sie bei ihrer Ankunft in Frankreich nicht hatten. Ich hätte Ingenieur oder Arzt werden sollen, nicht Schauspieler! Aber ich hatte beschlossen, mich vom Gewicht der Traditionen zu befreien und von den Plänen, die meine Eltern für mich hatten. Heute habe ich ein Gleichgewicht in meinem Leben gefunden. Ich sehe mich selbst gerne als das Bindeglied zwischen diesen beiden Kulturen. Ich lebe mein französisches Leben in vollen Zügen und baue dabei auf mein großartiges Erbe auf.


War es eines der Ziele des Films, eine mögliche Versöhnung zwischen diesen verschiedenen Generationen von Einwanderern aufzuzeigen? 

Ich hoffe, dass dieser Film eine Verbindung zwischen der ersten und der zweiten oder dritten Generation herstellen wird. Ich denke, dass diese erste Generation verstehen wird, wohin sich die gegenwärtigen Generationen entwickeln, und dass diese wiederum die existentiellen Probleme der ersten Generation verstehen werden: Woher kommen sie? Was haben sie durchgemacht, um dorthin zu gelangen? Für mich sind die wahren Helden des Films die Eltern. Das Problem ist, dass sie schweigend sterben und die Dinge jahrelang vergraben lassen. Ich persönlich lernte die Geschichte meiner Familie im Alter von 26 Jahren durch eine Fernsehdokumentation über die kambodschanische Gemeinde kennen....


Unter den Charakteren des Films gibt es eine gewisse Vielfalt an asiatischen Identitäten.

Ich fand es interessant, mit Lisa eine Frau zu zeigen, die europäisch und asiatisch geprägt ist, und zu schauen, welche Effekte das auf ihr Verhältnis zu sich selbst hat. Sie ist genauso asiatisch wie französisch. Die Figur, die ich spiele, ist fasziniert von ihr, denn sie ist trotzdem völlig im Einklang mit sich selbst. Sie akzeptiert die Vielzahl ihrer Herkünfte im Gegensatz zu François, und sie erschafft gleichzeitig ihre eigene Identität.


Diese Frage der Verbindung stellt sich auch, wenn François erfährt, dass er ein Kind bekommt, das ebenfalls europäisch und asiatisch sein wird.

Er denkt an die Traumata, die er erlebt hat, und will vermeiden, dass sein Kind die gleichen Prüfungen bestehen muss wie er. Seine Frau Sophie hat nicht den gleichen Blickwinkel: Sie kann sich nicht einmal vorstellen, dass François durch diese Identitätsfragen traumatisiert wurde. Sie sieht eher die exotische Seite und ist sich bewusst, dass Vielfalt ein Reichtum ist, dass das Kind asiatische Züge haben wird und dass es keinen Sinn macht, das zu leugnen. Deshalb möchte sie es in beiden Kulturen erziehen. Er möchte hingegen, dass dieses Kind durch und durch französisch wird, denn er befindet sich in diesem Moment des Films noch in der Phase der Ablehnung seiner Herkunft. Als meine eigene Tochter auf die Welt kam, stellte ich mir die gleichen Fragen.


Wie waren die Dreharbeiten in diesem Viertel?

Haben die Bewohner das Filmprojekt positiv aufgenommen? Eine Kamera im Chinatown im 13. Arrondissement zu platzieren, war sehr kompliziert, weil die Bewohner befürchteten, dass wir den zigsten Film über sie drehen wollten, der die immer gleichen Klischees bedient. Ich habe Zeit mit ihnen verbracht – mit Firmenchefs, «Tang Frères», Verbänden wie Entreprise 13, um ihnen zu zeigen, dass ich ihre Geschichte darlegen wollte. Der Verband Entreprise 13 hatte sich bereits zuvor mit mir in Verbindung gesetzt, als ich meinen Kurzfilm UN PAS VERS ELLE (2016) schrieb und inszenierte, der sich auch um die asiatische Gemeinde drehte. Sie wollten Teil des Films sein. Als der Film fertig war, haben wir im 13. Arrondissement eine Preview gezeigt – auch um ihnen zu danken. Sie waren sehr berührt.


Und zum Abschluss noch die Frage: Was möchten Sie beim Publikum auslösen mit dem Film?

Natürlich möchte ich, dass der Film sein Publikum findet. MADE IN CHINA ist eine Komödie, die viele Themen anspricht, darunter die komplexe Beziehung, die ich mit meinen Eltern und meiner Herkunft hatte, bevor ich erkannte, dass sowohl chinesisch als auch französisch zu sein eine Stärke ist. Der Film zeigt diese Suche nach Identität, aber auch die Entdeckung und Bedeutung der Weitergabe meiner Kultur und der meiner Eltern an zukünftige Generationen. Dieses Projekt ist ein Weg, meine Liebe zu meiner Gemeinde zu bekunden und ihr für alles zu danken, was sie mir schenkt. Ich hatte immer vor, einen authentischen und wahren Film zu machen. Ich hoffe auch, dass MADE IN CHINA dazu beitragen wird, die Sichtweise der Menschen auf die Asiaten in Frankreich zu verändern: Das wäre mein schönster Erfolg.