f vox lux filmbildSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 25. Juli 2019, Teil 10

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Vielleicht muß man Amerikaner sein, bzw. in Amerika leben, um diesem Film etwas abgewinnen zu können. Sehr fremd fühlt sich das meiste an, was man auf der Leinwand sieht, wenn die gespenstisch zurechtgemachte Natalia Portman quasi um ihr Leben singt, tanzt und eben nicht lebt.

Amerikaner können das deshalb anders anschauen, weil dieser Film eine Geschichte nacherzählt, eine schlimme und dort sehr bekannte Geschichte, in der die durch Portman verkörperte Celeste aus einer tragischen Situation, die nationale Dimensionen hat und die sie gerade so überlebt, wie ein Phoenix aus der Asche zu einem Superstar des Pop aufsteigt. Wir erleben im Film die Jahre von 1999 bis 2017, begleiten die Sängerin also 18 Jahre, wobei diese Jahre aus ihrer Sicht geschildert werden und kulturelles Schlüsselgeschehen zum Inhalt haben. Interessant, daß Regisseur Brady Corbet, der seinen ersten Film, der auf der Biennale von Venedig groß herauskam - „The Childhood of a Leader“ gewann die Preise „Beste Regie“ und „Bester Debütfilm“ - auf die Methode der Innensicht von Robert Musil - siehe seine Darstellung im vorherigen Artikel – bezieht, diesen Film als ein historisches Melodram bezeichnet. Tatsächlich ist es seine Absicht, mit beiden Filmen das ganze 20. Jahrhundert einzufangen, weshalb er auch das Drehbuch selber schrieb.

1999 ist Celeste noch ein Teenager, gespielt von Raffey Cassidy, als an ihrer Schule durch einen Mitschüler, der erst seine Familie erschießt, ein furchtbares Blutbad angerichtet wird, ein Schulmassaker, das an den Amoklauf an der Columbine High School im selben Jahr angelehnt ist, das Celeste überlebt. Als nun im Gedenkgottesdienst der Schule sie zusammen mit ihrer älteren Schwester Eleanor (Stacy Martin) den Song Wrapped Up vortragen darf, den sie als Traumaverarbeitung selber geschrieben und komponiert hatte, ist dies der Beginn einer sagenhaften Karriere. Denn sie trifft mit ihrem Song jeden Ton der Gefühlswelt der Anwesenden, denen sie in ihrer Verzweiflung die Schönheit der Klänge als Transzendenz zu Höherem ins Herz singt. Und hier fängt unsere Unsicherheit schon an, denn es heißt, daß die Songwriterin Sia ihn geschrieben hat, wir also nicht der originalen Geschichte folgen, sondern ihrer Aufbereitung in diesem Film. Daß ihn die junge Darstellerin der Celeste selber singt, tut gut. Alles in allem tritt sie nicht nur in engelshafter Erscheinung auf, sondern auch ihre Stimme kann das himmlische Licht – vox lux – evozieren.

Dies also ist der Beginn dieser sagenhaften Karriere, der nicht nur die Schwester den Unterbau gibt, sondern die zudem durch einen Manager (Jude Law) wirtschaftlich erfolgreiche Strukturen erhält. So entscheidet er gleich, daß aus dem „ich“ in Wrapped Up ein „wir“ wird, was genau der Stimmungslage der amerikanischen Nation entspricht. Die Jahre des Erfolgs kann man kurzfassen. Der Film tut es auf jeden Fall und wir sind unvermittelt im Jahr 2017. Längst ist aus dem jungen Mädchen der Star geworden, der aber nicht mehr engelsgleich daherkommt. Und sich auch nicht so verhält. Die erwachsene Celeste hat all die Dramen, die wir von Popstars kennen durchexerziert: Männer, bzw. Frauen, Drogen, Absturz, Wiederauferstehung, Absturz, denen Natalie Portman mit Tanz- und Singwut beikommt und dann auch ein Comeback schafft. Dazwischen liegen noch die persönlichen Dramen von Liebe und Mutterschaft. Eigentlich ist das eine nette Entscheidung, daß die großgewordene Tochter von Celeste dann wieder von Raffey Cassidy gespielt wird, aber sie führt zu nichts.

Der Film kann sozusagen vor lauter gesellschaftlicher Bedeutung nicht geradestehen und erst recht nicht laufen, sondern kommt auf hölzernen Stelzen daher. Alles in allem, das haben wir schon verstanden, haben wir es mit einem Doppelphänomen zu tun: dieselbe Person, die zum Symbol für die Glitzerwelt, für Erfolg und Kult steht, wird von den Begleitumständen dieser Medienmaschinerie zermalmt. Die Revolution frißt nicht nur ihre Kinder, sondern läßt auch den Kindeskindern wenig Chancen.

Foto:
© Verleih

Info:
25. Juli 2019
Drama, Musik
USA, 2018
114 min.
Regie: Brady Corbet
Mit: Natalie Portman, Jude Law, Stacy Martin
FSK: ab 12 freigegeben