f lotta6Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 29. August 2019, Teil 14

Redaktion

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Was fällt Ihnen spontan ein, wenn sie LOTTA hören?

Das hängt davon ab, ob mein Blick vor oder nach den Dreharbeiten gemeint ist. Nach dem Dreh fällt mir zu LOTTA unsere wunderbare Meggy ein, die mir nicht mehr aus dem Kopf geht, weil sie uns allen so ins Herz gesprungen ist und erobert hat mit ihrem bezaubernden Wesen und ihrer ganz offenen und unbekümmerten Art, Lotta zu spielen. Vor dem Dreh war es die Verrücktheit, in den Kopf eines Mädchens zu springen und die Welt aus Kinderaugen betrachten zu dürfen. Die normalen Dinge des Lebens, die einem als Erwachsener gar nicht mehr weiter auffallen, bekommen eine ganz andere Bedeutung, sind dadurch auf einmal eben nicht mehr normal. Das fand ich spannend.


Was macht die Bücher anders als andere Bücher für Kinder? Was macht sie zu LOTTA?

Wir sind ganz nah bei ihr. Genauer gesagt: In ihrem Kopf! Ein Mädchen schreibt ihr Tagebuch, fantasievoll, charmant und mit Witz. Aus dieser Perspektive bekommt man Lust, die Dinge anders zu sehen und einfach zu verfolgen, was ihr alles so in den Sinn kommt. Die Gedanken von Kindern sind nicht so linear wie bei Erwachsenen, sie springen hin und her, gehen die verrücktesten Umwege und folgen einer ganz eigenen Logik. Lottas Wahrnehmung ist ungewöhnlich, und dadurch können auch die normalsten Dinge der Welt ein tolles Abenteuer sein. Den Büchern gelingt es, Normalität auf eine ganz besondere Art darzustellen, so dass man sich davon ganz unmittelbar emotional berührt fühlt.


Waren Sie mit den Büchern bereits vertraut, bevor man Sie auf die Regie für den Film ansprach?

Mein Sohn war damals noch zu klein dafür, aber Freunde hatten mir immer wieder davon erzählt. Und natürlich kannte ich die Buchcover, die in Buchhandlungen sehr präsent sind. Ich wusste also ungefähr, was LOTTA ist, aber gelesen hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt noch keines der Bücher. Als Robert Marciniak von Lieblingsfilm mich ansprach, war mein Interesse eigentlich gleich geweckt. Er wusste, dass ich nach RICO, OSKAR UND DIE TIEFERSCHATTEN und RICO, OSKAR UND DER DIEBSTAHLSTEIN eigentlich keine Lust hatte, gleich wieder einen Familienfilm zu drehen. Mir war klar, dass er mir einen solchen Stoff nur dann vorschlagen würde, wenn er wirklich davon überzeugt wäre, dass es etwas Besonderes ist. Und so war es auch. Ich fand die Idee verlockend, einfach ein bisschen verrückt sein zu dürfen. Wann erhält man schon die Gelegenheit, sich richtig austoben und noch einmal Kind sein zu dürfen?


Sie fanden also nicht, dass Sie sich wiederholen würden?

Überhaupt nicht. Ich hätte den Film sonst nicht machen wollen. MEIN LOTTA-LEBEN ist etwas ganz anderes. Die „Rico, Oskar“- Filme entführen zwar auch in eine ganz spezielle Welt, aber der Ton ist ganz anders, es ist leiser und vor allem zeigt er die reale Welt. LOTTA dagegen ist laut und frech, viel bunter und knalliger, er spiegelt die Fantasie der Hauptfigur wider. Wir lösen uns von der Realität, aber doch nie so weit, dass es künstlich oder aufgesetzt wirkt. Das hat mich fasziniert. Ich finde es schön, wenn man Kinder ermutigen kann, ihrer Fantasie freien Lauf zu lassen. Lotta und ihre beste Freundin Cheyenne sind anders als die anderen Kinder. Das ist die einzige Parallelität zu den „Rico, Oskar“- Filmen. Natürlich wollen Lotta und Cheyenne auch dazu gehören, sie wollen von den anderen Kindern akzeptiert werden, weshalb es ihnen auch so wichtig ist, auf die Party von Berenike eingeladen zu werden, zu der alle anderen Kinder eingeladen sind. Da kommt ein Kinderherz an seine Grenzen, so mutig es sonst auch sein mag.


Als Sie an Bord kamen, hatte Bettina Börgerding bereits ein Drehbuch verfasst.

Ja, Bettina hatte bereits eine neue Geschichte entwickelt, in der einzelne Stränge, kleine Geschichten aus den ersten Büchern integriert waren. Ein einzelnes Buch wäre zu kurz für eine Verfilmung gewesen, deshalb musste ein neuer dramaturgischer Bogen gespannt werden. Den Geist der Vorlage zu treffen, war auch mir sehr wichtig. Deshalb habe ich mich noch einmal mit Bettina hingesetzt und weiter am Drehbuch gefeilt, um daraus einen LOTTA-Film zu formen, wie ich ihn mir vorstellte. Ich wollte einfach die Verrücktheit der Vorlagen noch ein bisschen stärker einfließen lassen, weil mir das doch als ein ganz elementares Element erscheint, das die Buchreihe so einzigartig sein lässt.


Trafen Sie zu diesem Zeitpunkt die Entscheidung, dass in dem Film als visuelles Element auch die Skizzen von Daniela Kohl auftauchen sollten, die die Bücher so unverkennbar machen?

Die Idee gab es schon immer, aber sie verstärkte sich noch mehr während des Castings. Weil ich unbedingt Kinderdarsteller haben wollte, die noch über keinerlei Dreherfahrung verfügten, habe ich mit Ute Soldierer einen besonderen Aufruf zu einem deutschlandweiten Casting gestartet. Darin forderten wir Kinder auf, sich bei uns mit kleinen Clips zu bewerben und zu erklären, welche Rolle sie spielen möchten und warum sie fänden, dass sie die richtigen dafür seien. Wir bekamen etwa 1500 Filme zugeschickt, und in jedem dieser Filme haben die Kinder über die Zeichnungen von Daniela gesprochen. Es war uns sofort klar, wie wichtig diese Ebene ist und dass sie einfach zur LOTTA-Welt dazugehören. So kamen wir auf die Idee, dass die Leinwand im Film dieselbe Rolle spielt wie das Papier in den Büchern: Man kann beliebig darauf zeichnen. Das hat wunderbar funktioniert. Schon vor dem Dreh erhielt ich basierend auf dem Drehbuch von Daniela ein Heft mit Zeichnungen, die sie sich für die einzelnen Szenen vorstellen konnte. Ich schnitt sie mir aus und klebte sie an den entsprechenden Stellen in mein Drehbuch mit ein. So wusste ich beim Drehen schon, wie und wo man sie einsetzen könnte, und habe das auch mit meinem Kameramann Daniel Gottschalk entsprechend berücksichtigt. Dazu kommen noch ein paar Stellen im Film, in denen Lotta ganz direkt auf diese grafischen Elemente reagiert, diese also Teil der Handlung sind und nicht einfach eingeblendet werden. Und natürlich sind dann im Schneideraum noch viele Zeichnungen hinzugefügt worden, denn diese Ebene verleiht dem Film einen ganz neuen Rhythmus.


Stichwort Casting: Erzählen Sie bitte etwas über Ihre Darsteller?

Wie gesagt, war es mir wichtig, dass das Publikum die Figuren aus MEIN LOTTA-LEBEN neu entdecken soll. Deshalb wollte ich auch nicht mit erfahrenen Kinderdarstellern arbeiten, sondern neue Gesichter entdecken. Ich wollte nicht, dass Lotta ein Mädchen ist, das man vorher schon einmal gesehen hat. Meggy Hussong hat mich berührt, weil sie etwas ganz Spezielles und Eigenes hat. Sie wirkt ein bisschen in sich gekehrt, kann einen aber trotzdem packen mit ihrer Energie. Daraus bezieht sich eine ungeheure Spannung. Bei Cheyenne war die Sache sofort klar. Yola Streese war das einzige Mädchen, das für die Rolle in Frage kam. Daran bestand nie ein Zweifel. Cheyenne hat eine nassforsche Rotzigkeit, die man sich nicht einfach aneignen kann – das muss man mitbringen. Und Yola bringt das mit. Das einzige Problem war, dass sie hellblonde, fast weiße Haare hat. Und in den Büchern ist es eindeutig, dass Cheyenne dunkle Haare hat, dunkler als Lotta. Für Yola war das nicht ganz einfach. Im Fall von Paul war es genauso: Als Levi Kazmaier mit der Brille auf der Nase beim Casting in München erschien, war allen sofort klar, dass nur er unseren Paul spielen konnte. Bei einem Recall für die Rollen von Lotta und Cheyenne war auch er dabei und fragte mich irgendwann ganz leise, aber sehr aufgeregt, warum denn nur ein Paul heute hier sei. Das war ein schöner Moment, als ihm klar wurde, dass er die Rolle bekommen würde. Bei einem der Casting-Aufrufe hatten wir aus unerfindlichen Gründen vergessen, nach einer Darstellerin für Chanel, der Schwester von Cheyenne, zu suchen. Dennoch erhielten wir ein Video von Cara Fondey, die uns darauf hinwies, dass wir Chanel vergessen hätten, diese Rolle aber bräuchten und sie die Richtige dafür wäre. Sie hatte eine Präsenz und ein Selbstbewusstsein, was ich in diesem Alter noch nie erlebt habe. Und natürlich haben wir sie besetzt.


Wie erleben Sie die Arbeit mit Kindern?

Es ist ganz anders als mit Erwachsenen. Aber ich liebe es. Die Arbeit mit Kindern bringt eine Leichtigkeit in den Dreh, etwas Lebensnahes und ganz Unverstelltes, das sonst oft verloren geht, man muss flexibel sein und auch ab und zu seinen Plan verwerfen und auf die Gegebenheiten und Gefühlslagen der Kinder reagieren. Kinder sind so wie sie sind. Und das ist wunderbar. Wenn sie sich streiten, dann streiten sie sich. Wenn sie sich freuen, dann freuen sie sich.  Mich beflügelt das. Ich gestehe aber, dass ich es nach RICO und LOTTA sehr genossen habe, AUERHAUS zu drehen. Endlich hatte ich wieder den Luxus, lange zu proben und zu feilen, eine Szene im Zweifelsfall noch einmal und noch einmal zu drehen. Auch der immense Zeitdruck fällt weg, den man hat, wenn man mit Kindern arbeitet, die nur wenige Stunden am Tag vor der Kamera stehen dürfen.


Erwachsene gibt es bei LOTTA auch...

Das stimmt. Gerade bei den Eltern war es mir wichtig, dass sie glaubhafte Eltern spielen, dass man sich beim Zuschauen keine Fragen stellt. Sie sollten etwas Geerdetes haben, Wärme ausstrahlen, keine Kunstfiguren sein. Eltern werden in Filmen für Kinder gerne mal etwas überzeichnet, weil man unbedingt will, dass es lustig ist. Das wollte ich bei MEIN LOTTA-LEBEN nicht. Laura Tonke und Oliver Mommsen passen wie die Faust aufs Auge. Sie überzeugen mich als Paar, beide haben Humor und berühren mich. Bei kleineren Rollen kann es schnell vorkommen, dass man übers Ziel hinausschießt und übertreibt. Dann wird es künstlicher Klamauk, das wäre der falsche Ansatz gewesen. Natürlich ist Lotta genervt von ihren Eltern – das geht doch jedem Elfjährigen so. Entscheidend ist, dass Lotta merkt, dass Papa und Mama für sie da sind, wenn es darauf ankommt, dass man sich eben doch auf sie und ihre Liebe verlassen kann. Bei den beiden anderen Erwachsenenfiguren, Lottas Lehrerin Frau Kackert und Heiner Krishna, konnten wir schon etwas dicker auftragen. Da habe ich auf Carolin Kebekus und Milan Peschel vertraut, dass sie da in minimaler Zeit ein Maximum herausholen. Und so war es auch.


Hat der Umstand, dass Sie selbst Mutter eines sechsjährigen Kindes sind, Ihre Arbeit als Regisseurin verändert?

Auf jeden Fall. Alleine schon deshalb, Hat der Umstand, dass Sie selbst Mutter eines sechsjährigen Kindes sind, Ihre Arbeit als Regisseurin verändert? Auf jeden Fall. Alleine schon deshalb, weil ich den Kleinen bisher immer mit dabei hatte, wenn ich gedreht habe. Es ist mir wichtig, dass man unverkrampft damit umgeht. Ich möchte, dass meine Drehs familiäre Angelegenheiten sind. Wenn man Kinder um sich hat, geht man viel entspannter an die Sache heran. Ich bin Filmemacherin aus Leidenschaft, für mich ist es der schönste Beruf, den ich mir vorstellen kann. Aber es gibt noch ein anderes Leben – und ich finde es gut, wenn man hin und wieder durch die Anwesenheit von Kindern daran erinnert wird. Die wollen auch zu ihrem Recht kommen. Ich versuche also das miteinander zu verbinden. Obwohl ich festgestellt habe, dass mich das gerade beim Dreh von „Auerhaus“ auch an meine Grenzen geführt hat: Dreharbeiten auf der einen, Postproduktion von MEIN LOTTA-LEBEN auf der anderen Seite, und mittendrin noch das Kind, dem man auch gerecht werden will. Das war hart, aber trotzdem die richtige Entscheidung.


Sind Sie zufrieden mit MEIN LOTTA-LEBEN? Ist der Film das geworden, was Sie machen wollten?

Er ist noch viel mehr geworden! Der Film hat sich im Verlauf des Entstehens immer mehr verändert, ist immer verrückter geworden. Das war eine tolle Erfahrung, denn jede Abteilung hat sich gegenseitig immer weiter beflügelt und ermutigt. Wir konnten alle unserer Fantasie freien Lauf lassen. Das ist ein großes Geschenk. Ich bin froh, dass LOTTA es mir gemacht hat.

Foto:
© Verleih

Info:
Mein Lotta-Leben - Alles Bingo mit Flamingo! (Deutschland 2019)
Genre: Komödie, Kinderbuchverfilmung, Kinder- und Jugendfilm
Filmlänge: 95 Min.
Regie: Neele Leana Vollmar
Drehbuch: Bettina Börgerding, Neele Leana Vollmar nach den Büchern von Alice Pantermüller
Darsteller: Meggy Hussong, Yola Streese, Levi Kazmaier, Lukas Rieger Laila Ziegler, Caro Cult, Oliver Mommsen, Laura Tonke, Carolin, Milan Peschel u.a.
Verleih: Wild Bunch Germany
FSK: ab 0 Jahren
Kinostart: 29.08.2019