f norwind2Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 12. September 2019, Teil 15

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Den Roman habe ich damals, 2006, sogar gelesen und bin nach Berlin zu einer Lesung gefahren, worüber ich dann schrieb. Und ich habe mit dem Autor Daniel Glattauer, der überaus erfolgreiche Romane schreibt, gerade wurde auch DIE WUNDERÜBUNG ebenfalls verfilmt, sogar auf einer der Buchmessen ein Interview geführt. Aber ehrlich gesagt, vergißt man ihn und den Roman vollständig, wenn man den beiden Protagonisten und Mailschreibern Emmi/Emma (Nora Tschirner) und Leo (Alexander Fehling) zuschaut, zuhört und mitliest.

Von daher kümmern wir uns nicht weiter um Fragen, wie man Emails (ein Freund schreibt grundsätzlich nur Emils) in Filmen aufmöbelt und in die Handlung verwurschtelt, sondern um das, was im Film geschieht, was wir ja erst nach und nach mitbekommen. Das ist gut an Filmen, wenn man nicht von Anfang an alles weiß, sondern an die Hand genommen, immer dazulernt, um was es hier geht. Ja, um was? In der Hauptsache darum, daß Nähe auf verschiedene Arten herzustellen ist.

Ja, stimmt, unsere traditionelle und doch auch romantische Vorstellung ist, daß körperliche Nähe auch die seelische beinhaltet. Aber wir wissen das alle besser, daß leider sehr oft, das eine nichts mit dem anderen zu tun hat. Auch bei Paaren. Auch bei Ehepaaren. Das hat uns ja schon die Literatur erzählt. Der sogenannte Briefroman ist doch das, was den Emailgeschichten vorausgegangen ist. Von daher und von den Tagebüchern wissen wir, daß man einem Papier die intimsten Dinge anvertrauen kann. Das mal vorneweg. Wenn dann auch noch die Botschaft an einen anderen gerichtet ist, der sie emotional aufnehmen und erwidern kann, ist das Entscheidende passiert: eine innigliche, gefühlsbetonte, empfindungsreiche Kommunikation ist in Gang gekommen und der Fremde, der Andere einem wie das Gegenbild des eigenen Ich vertraut.

Und genau das passiert vor unseren Augen in diesem Film, die wir erst einmal nur das Geschriebene, dann die Schreiber sehen – und dann mit Abstand ihre soziale Situation erkennen. Emma, die Leo einfach Emmi nennt, was sie erst nicht mag, dann liebt, ist verheiratet! Und ehrlich gesagt, braucht‘s das auch, denn wenn Männlein und Weiblein sich Emails oder Briefe schreiben, muß schon eine Schwierigkeit oder Unmöglichkeit dazukommen, damit daraus was wird, aus den beiden – oder eben nichts.

Aber von vorne. Absicht war es nicht, aber als Emmi Rothner ein Zeitungsabonnement abbestellt, macht sie in der Adreßzeile einen Dreher – wie oft das uns passiert! - und schon landet ihre Abbestellung bei Leo Leike. Leo antwortet entsprechend: „Sie sind bei mir falsch. Ich bin privat. Ich habe: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. Sie wollen zu: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. Sie sind schon der Dritte, der bei mir abbestellen will. Das Heft muss wirklich schlecht geworden sein.“ Nach der kurzen Antwort „Oh, Verzeihung. Und danke für die Aufklärung. Grüße, E.R.“ betrachtet der Linguist diesen E-Mail-Verkehr als beendet.

Aber da war noch was, sie schreibt erneut, und auf einmal fällt ihm an ihren Formulieren etwas auf, das ihn interessiert. Und nach dem oberflächlichen Hin und Her der Materie folgen die Geständnisse über die eigene Situation. Denn Leo leidet. Er leidet sogar sehr. Eine Leserin seiner Qual tut ihm gut. Er hat seine Freundin Marlene (Claudia Eisinger) verloren und schon das Darüberschreiben hilft beim Bewältigungsprozeß, der aber erst am Anfang steht – und wir haben alles mitbekommen. Wie die spontane und, das merken wir später, äußerst wankelmütige Marlene ihm erst ihre Affäre mit dem spanischen Piloten gesteht, daraufhin sofort das Haus verläßt, nach Tagen aber reumütig zurückkehrt, mit ihm über Weihnachten und Neujahr nach Paris will, stattdessen sich aber auf den Weg dorthin mit dem Piloten macht. Wirklich demütigend und da tut ihm der Mailverkehr mit der unterhaltsamen Emmi gut.

Wir Zuschauer dagegen sind wissensmäßig dem ehrlichen Leo um einiges voraus. Wir bekommen auf der Leinwand die Bilder serviert vom ehelichen, ach was, vom familiären Leben der Emma, die mit einem interessanten, älteren Mann namens Bernhard (Ulrich Thomsen ) verheiratet ist, der zudem Dirigent ist (das klingelt bei uns was) – und zudem noch zwei Kinder in die Ehe mitgebracht hat. Wir bekommen auch mit, wie mal wieder eine Frau im sogenannten Multitasking alles schafft, wofür sie in der Familie verantwortlich ist: für Einkauf, für Essenmachen, für Saubermachen, für Erziehen und für ein angenehmes Familienleben. Und schließlich bekommen wir immer stärker mit, wie ihr familiäres Agieren mechanischer wird, Tag für Tag, weil ihr Inneres nur noch auf Leo gerichtet ist, auf das, was er ihr mitteilt in dieser so leichten Nebenbeikommunikation, die das Handy mit den Mails bedeutet, die unsereiner ja noch am Rechner schreibt. Aber stimmt, beim Essen ist es mit dem mobilen Telefon einfacher.

Das ist alles gut gemacht unter der Regie von Vanessa Jopp – und daß eine Frau Regie führt, das spürt man, finde ich. Die Situation von Emma, die sich inzwischen also Emmi nennen läßt, ist so spezifisch, wie sie Frauen einfach kennen – auch ohne Emailliebhaber. Aber mit ihm erst recht. Währenddessen leidet also Leo und es hilft ihm auch nicht, daß seine agile Schwester Adrienne (Ella Rumpf) ihn mit ihren zahlreichen Freundinnen zusammenbringt, auf das etwas geschehe. Aus dem einen Strang sind im Verlauf viele Stränge geworden, die gegen Ende aber wieder zusammenlaufen: zu Emmi und Leo. Mehr verraten wir jetzt nicht.

Foto:
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Info:
DIE DARSTELLER
Nora Tschirner (Emma)
Alexander Fehling (Leo)
Ulrich Thomsen (Bernhard)
Ella Rumpf (Adrienne)
Claudia Eisinger (Marlene)
Lisa Tomaschewsky (Clara)