f bruder1Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 9. /10. Oktober 2019, Teil 5

Redaktion

Berlin (Weltexpresso) - Nach IM SOMMER WOHNT ER UNTEN dreht sich Dein neuer Film erneut um die Beziehung zwischen Geschwistern. Was macht die Besonderheit des Geschwisterlichen für Dich generell aus? Worin liegt der erzählerische Reiz?

Das Geschwister-Thema ist für mich eine unerschöpfliche Quelle für Geschichten. Das liegt natürlich vor allem daran, dass ich selber in einer Großfamilie mit 11 Geschwistern aufgewachsen bin. Die wichtigsten Menschen in meinem Leben waren immer meine Geschwister. Dieses Band, das wir miteinander haben – in guten wie in schlechten Tagen – ist so faszinierend, dass ich gerne darüber erzähle. Außerdem kenne ich natürlich den Stallgeruch und kann so authentische Geschichten erzählen.


Das Kino erlebt im Moment eine gewisse Welle an Geschwister-Erzählungen, denkt man z.B. an DER WEIN UND DER WIND, ALL MY LOVING, SIMPEL, UNSERE KLEINE SCHWESTER etc. Ist das Zufall oder gibt es dafür eine Erklärung?

Es gibt tatsächlich eine Sehnsucht nach diesen Geschichten. In unserer modernen Gesellschaft scheinen Geschwister zwar viel verzichtbarer zu sein als es früher mal der Fall war. Schuld daran ist wahrscheinlich der Wohlstand. Wir brauchen einander nicht mehr, um unsere Existenz zu sichern. In „armen“ Ländern hält man nicht ohne Grund als Geschwister viel mehr zusammen. Der Verlust dieser starken Verbindung tut uns aber in Wirklichkeit weh. Immerhin gibt es kaum jemand anderes, mit dem wir in unserer Kindheit so viel erlebt haben, wie mit unserer Schwester oder unserem Bruder. Und alles, was uns mit unserer Kindheit konfrontiert, berührt uns. Und was uns berührt, wollen wir sehen.


Wie viel Autobiografisches steckt in dem Film?

Nur der Ansatz ist autobiografisch. Die Kindheit von meinen Figuren Franz und Lilly ist nämlich von meiner Kindheit mit meiner jüngeren Schwester inspiriert. Wir waren damals richtige Cowboys und zwischen uns passte kein Blatt. Im Gegensatz zu Franz und Lilly hat bei uns die Pubertät allerdings dafür gesorgt, dass wir unser Cowboykostüm irgendwann abgelegt haben. Die Erinnerung an die Kindheit, an dieses unbeschwerte Leben in der Natur, ist natürlich geblieben. Oft habe ich mich gefragt, wie es gewesen wäre, wenn wir wirklich Cowboys geworden wären. Und so entstand letztlich der Film.


BRUDER SCHWESTER HERZ ist mit viel Humor erzählt, aber er steigt auch in das Gefühlsdrama der Geschwister ein.In welchem Genre verortest Du den Film?

Am ehesten ist es wahrscheinlich eine Tragikkomödie. Denn die Grundsituation der Geschwister ist tragisch und kaum lösbar, die Erzählweise ist jedoch von ihrer Leichtigkeit geprägt.


Wo stehst Du im Verhältnis zum filmischen Erbe? Welche FilmemacherInnen inspirieren Dich?

Mein filmisches Zuhauseliegt in Frankreich. Diese Art, Dramen mitLeichtigkeit zu behandeln, wieesin vielen französischen Filmen gemacht wird, gefällt mirsehr.FilmemacherInnen, die dafürstehen,sind beispielsweise Claude Sautetoder AgnèsJaoui. Die Geschichte zwischen den Geschwistern hätte an vielen Orten angesiedelt sein können - woher kommt Deine Vorliebe für das ländliche Setting? Dieses westernmäßige Setting, diese Atmosphäre weckt eine Sehnsucht in mir. Klar, die Geschichte hätte auch in einem belanglosen Setting stattfinden können. Aber die Atmosphäre in einem Film ist mindestens genauso wichtig wie die Handlung. Ich habe keinen Lieblingsfilm, dessen Atmosphäre nicht eine Sehnsucht bei mir weckt.


Wie kam es zur erneuten Zusammenarbeit mit Karin Hanczewski, Sebastian Fräsdorf und Godehard Giese?

Wir sind eine Filmfamilie. Es gehören noch einige andere dazu. Vor wie hinter der Kamera. Iris Sommerlatte, Willi Böhm, Anna Kappelmann, Babett Klimmeck, Jana Fitzner, Alice Pehlivanyan oder Uwe Bünker, um nur einige zu nennen. Ich mag diese Treue unter Mitstreitern. Wir sind eine Bande, die gut zusammenarbeitet und Spaß dabei hat.


Lilly und Franz stehen auch für verschiedene Lebensentwürfe. Der Lebenskünstler Franz lässt sich treiben, Lilly will Veränderung. Löst ihre Liebe zueinander diesen Konflikt erst aus oder ist es umgekehrt?

Es ist diese unlösbare Gleichung, die den Konflikt verursacht. Lilly ist unglücklich, wenn sie in Engelbach bleibt, weil sie dann nicht die Welt sehen kann, sie ist aber mindestens genauso unglücklich, wenn sie geht, weil sie dann ihren Bruder, den wichtigsten Menschen in ihrem Leben, verlassen muss.


Deine Filme zeichnen sich durch viel Heiterkeit und Leichtigkeit aus. Wie entsteht dieser besondere Tonfall?

Aus der Beobachtung des Lebens. Wir Menschen brauchen immer ein gewisses Maß an Problemen, um uns nicht zu langweilen, und ein gewisses Maß an Heiterkeit, um nicht depressiv zu werden. Wir Menschen sind halt sehr widersprüchlich. Das Publikum kennt dieses absurde Verhalten aus seinem eigenen Leben und findet es, mit Abstand betrachtet, natürlich komisch.


Welche Publikums-Reaktionen wünschst Du dir?

Ich wünsche mir, dass das Publikum berührt und unterhalten wird. Dass der Film sie noch einige Zeit begleitet und sie vielleicht dazu verleitet, mal wieder den Bruder oder die Schwester zu sehen.

Foto:
© Verleih

Info:
BRUDER SCHWESTER HERZ
Oktober 2019
Ballade
Deutschland, 2019
105 min.

Regie: Tom Sommerlatte
Mit: Karin Hanczewski, Sebastian Fräsdorf, Wolfgang Packhäuser
FSK: ab 6 freigegeben

Besetzung

Franz . . . . . . . . . . . Sebastian Fräsdorf
Lilly . . . . . . . . . . . . .Karin Hanczewski
Heinz . . . . . . . . . . . Wolfgang Packhäuser
Sophie . . . . . . . . . . Jenny Schily
Chris . . . . . . . . . . . .Godehard Giese

Drehbuch und Regie . . .Tom Sommerlatte

Abdruck aus dem Presseheft