Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 31. Oktober 2019, Teil 8
Margarete Frühling
München (Weltexpresso) - Im Winter 1519 kommt der 35jährige Ulrich Zwingli (Max Simonischek) als neuer Leutpriester am Grossmünster in Zürich an. Gleich während seines ersten Gottesdienstes erstaunt er die Kirchgänger, denn er weicht von der lateinischen Liturgie ab und beginnt das Matthäus Evangelium den Gläubigen in Deutsch zu erklären. Damit verärgert er nicht nur die Chorherren des Münsters, sondern auch den Bischof von Konstanz (Ueli Jäggi).
Zwingli trifft auf die Witwe Anna Reinhart (Sarah Sophia Meyer), die vor einem Altar im Münster um Erlösung für die Seele ihres verstorbenen Mannes fleht. Zwingli erklärt der Frau, dass Gott gnädig sei und kein Geld für Messen verlangen würde. Er schafft diese Messen und auch die Ohrenbeichte gleich ab.
Als im gleichen Jahr die Pest ausbricht, bleibt Zwingli als einziger Priester in Zürich zurück. Als er selbst erkrankt, pflegt Anna ihn bis zu seiner Gesundung. Dadurch kommen sich die beiden auch persönlich näher. Es versterben aber 1/3 der Züricher Bevölkerung an der Krankheit.
Zusammen mit seinem alten Studienkollegen Leo Jud (Anatole Taubman) und weiteren Freunden beginnt Zwingli die Bibel aus dem Griechischen ins Deutsche zu übersetzten. Gleichzeitig werden auch seine Predigten gedruckt. Damit sie auch vom einfachen Volk gelesen werden können, sollen alle Züricher auch Lesen und Schreiben lernen, so zum Beispiel Anna Reinhards Sohn Gernold, der dann später auch seiner Mutter hilft, lesen zu lernen.
Den nächsten Ärger handeln sich Zwingli und seine Mitstreiter ein, als sie bewusst im Haus des Buchdruckers Christoph Froschauer (Philipp Stengele) während der Fastenzeit Fleisch und Wein zu sich nehmen, denn über das Fasten stehe nichts in der Bibel.
Bei allen Aktionen werden Zwingli und seine Leute jederzeit vom Rat der Stadt Zürich unter dem Bürgermeister Marx Röist (Stefan Kurt) unterstützt. Dies gilt besonders bei einer öffentlichen Disputation zwischen Zwingli und einem Abgesandten des Bischofs von Konstanz, dem Generalvikar Johann Faber (Oscar Sales Bingisser), über die Auslegung der Bibel, bei dem sich der Rat letztendlich hinter Zwingli stellt, da er keine nachweislichen falschen Auslegungen der Bibel durch Zwingli finden konnte.
Inzwischen ist Anna schwanger und Zwingli, der seit zwei Jahren mit Anna heimlich zusammenlebt, bittet den Papst den Zölibat für Priester aufzuheben. Als dies nicht geschieht werden Anna und Ulrich trotzdem von Leo Jud getraut. Auch viele von Zwinglis Pastorenfreunden heiraten.
Später schlägt Zwingli dem Bürgermeister vor, die Klöster in der Stadt aufzuheben und die Kirchenschätze zur Unterstützung der Armen zu verwenden. Natürlich führt das wieder zum Ärger mit dem Bischof. Allerdings gibt die Äbtissin des Züricher Frauenklosters Katharina von Zimmern (Rachel Braunschweig) die Schlüssel zum Frauenkloster freiwillig ab.
Dann fangen einige der radikaleren Unterstützer Zwinglis unter der Führung von Felix Manz (Michael Finger) und Konrad Grebel (Aaron Hitz) an, die Bilder aus den Kirchen zu verbrennen und vor allem die Erwachsenentaufe einzuführen. Dadurch kommt es zum Bruch, der mit der Verbannung der sogenannten Täufer und der Hinrichtung von Felix Manz durch Ertränken in der Limmat 1527 endet.
1529 wird Zwinglis Freund Jakob Kaiser (Mathis Künzler) als Leutpriester in Schwyz als Ketzer verbrannt. Gleichzeitig strebt der Bischof von Konstanz ein militärisches Bündnis mit Habsburg an, deshalb versucht Zwingli sich mit Luther über die Auslegung des Abendmahls zu verständigen. Dies scheitert aber.
Als dann bekannt wird, dass 3 der Schweizer Kantone sich mit Habsburg verbündet hätten und dabei wären Zürich anzugreifen, ziehen die Züricher Bürger recht unvorbereitet in den Krieg, in dem auch Ulrich Zwingli und sein Stiefsohn Gernold sterben werden...
"Zwingli - Der Reformator" ist der zweite Spielfilm nach dem Fernsehfilm "Katharina Luther" (2017), der sich zum 500jährigen Jubiläum mit der Reformation in Deutschland und in diesem Film besonders in der deutschsprachigen Schweiz auseinander setzt.
Ulrich (oder auch Huldrych) Zwingli (1484 - 1531) war neben Martin Luther einer der wichtigsten ersten Reformatoren der Kirche. Er ist der Begründer der reformieren Kirche vor allem in der Schweiz. Johannes Calvin, der als Urheber des Calvinismus gilt, ist ein Reformator der zweiten Generation ebenso wie Martin Bucer in Straßburg, Johannes Oekolampad in Basel oder Zwinglis Nachfolger Heinrich Bullinger in Zürich, deren Thesen aber alle auf Zwinglis Religionsverständnis aufbauen.
Der Film ist mit einem Budget von 6 Millionen Franken eine für die Schweiz sehr teure Produktion. "Zwingli" erlebte in der Schweiz seine Premiere am 17. Januar 2019. Er gelangte direkt an die Spitze der Schweizer Kinocharts und wurde insgesamt von 240 000 Kinobesuchern gesehen.
Regisseur Stefan Haupt und Drehbuchautorin Simone Schmid haben in dem Film versucht, die Geschichte Zwinglis und den Ablauf der Reformation in Zürich so akkurat wie möglich darzustellen, ohne dass es allzu langweilig wird. Denn Zwingli selbst hat sich während seines Lebens immer hinter seine Tätigkeiten und seine Schriften zurückgenommen.
Der Film ist bewusst linear angelegt. Er beginnt mit Zwinglis Ankunft in Zürich und seinem Amtsantritt am Grossmünster am 1. Januar 1519 und endet mit seinem Tod am 11. Oktober 1531 im Zweiten Kappelerkrieg, wenn auch die Jahreszahlen der Ereignisse im Film nie genannt werden.
Dabei werden wichtige und bekannte Stationen der Zürcher Reformation allgemein verständlich dargestellt. Es beginnt mit Zwinglis Antrittspredigt in Deutsch, damit die einfachen Menschen auch verstehen, was da gepredigt wird, es folgen seine Pesterkrankung und das so genannte "Froschauer Wurstessen" im Haus des Buchdruckers Christoph Froschauer während der Fastenzeit 1522, der 1530 dann auch die erste Züricher Bibel gedruckt hat.
Weiter werden auch die Züricher Disputation mit dem Abgesandten des Bischof von Konstanz, Zwinglis Hochzeit mit Anna gegen den Willen der kirchlichen Obrigkeit, da seiner Meinung ein Zölibat in der Bibel nicht vorgeschrieben sei, die Übergabe des Fraumünsterklosters durch Katharina von Zimmern an die Stadt oder die Arbeit an der Zürcher Bibelübersetzung zusammen mit Leo Jud und anderen Freunden behandelt und dabei auch die Haltungen der altgläubigen Züricher Chorherren dargestellt.
Der Film zeigt aber auch die vielfältigen Auseinandersetzungen mit den Repräsentanten der katholischen Kirche und der immer noch vorhandenen Volksfrömmigkeit an Hand von Ablasshandel und Fegefeuerangst, religiöser Ausbeutung und kirchlicher Doppelmoral. Sehr gut gemacht war im Film die Diskussion über den Zölibat und das gleichzeitige Verhalten der Kirche ihren Priestern gegenüber, die zwar uneheliche Kinder in die Welt setzen dürfen (wie übrigens Zwingli selbst), aber nicht heiraten sollen. Hier mutete das Drama ausgesprochen modern an. Gerade an dieser Stelle zeigte der Film, dass sich in der katholischen Kirche seit 500 Jahren nicht viel bewegt hat.
Dazu kam das Zerwürfnis mit den radikalisierten ursprünglichen Anhängern um Felix Manz. Hier zeigt sich, dass auch Zwingli Gewalt einsetzten musste, um seine Ideen umsetzen zu können und gleichzeitig von der Obrigkeit der Stadt weiter unterstützt zu werden. Das ist sicher eine Parallele zu Luthers Haltung in den Bauernkriegen.
Der Film bemüht sich, nicht nur das Leben und die Ideen Zwinglis zu zeigen, sondern versucht auch mit großer Liebe zum Detail den Alltag im 16. Jahrhundert darzustellen. Beispiele sind ein Trinklied in Reinhards Kneipe, die Froschauer Druckerei, die Kleidung aller Beteiligten, die eindrucksvolle Kulisse der Stadt Zürich im 16. Jahrhundert oder die Ausgestaltung des Grossmünsters. Auch wenn es sicher damals deutlich schmutziger in den Straßen der Stadt war.
Max Simonischek, der als Ulrich Zwingli den Film trägt, stellt den Reformator als einen Menschen mit fesselnder aber auch jovialer Ausstrahlung dar. Daneben muss vor allem die Darstellung von Sarah Sophia Meyer als Anna Reinhart genannt werden. Denn hier kann exemplarisch der Weg von einer verängstigten, um das Seelenheil ihres verstorbenen Mannes besorgten und von der Kirche ausgebeuteten Witwe hin zu einer auch religiös selbstbewussten Frau aufgezeigt werden, die sich lesen und schreiben beibringt und die letztendlich ihrem Ehemann gegenüber eine kritisch denkende Partnerin wird.
Dem Zuschauer muss natürlich klar sein, das "Zwingli - Der Reformator" kein historischer Dokumentationsfilm ist, sondern dass hier versucht wird, Zwingli und die Zürcher Reformation einem breiten Publikum spannend verständlich zu machen.
Das führt dazu, dass die Katholiken und besonders der Bischof von Konstanz und seine Leute als Feinde dargestellt werden, dabei aber auch aufgezeigt wird, gegen welche Probleme sich die Reformation gewendet hat. Außerdem wurde in dem Film auch nicht gezeigt, dass die Züricher Reformation ein Teil einer Länder umspannenden Bewegung gewesen ist. Aber da der Film "Zwingli" heißt, ist es verständlich, dass vom Regisseur und der Drehbuchautorin ein eng begrenzter Zeitraum der Züricher Reformation behandelt wurde.
Der Film wurde von der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW) mit dem Prädikat "besonders wertvoll" ausgezeichnet, da nicht nur ein faszinierendes Porträt eines charismatischen Visionärs, sondern auch ein genau recherchiertes historisches Drama über ein Stück Schweizer Geschichte entstanden ist.
Da Zwinglis Ideen einer sozialen Gesellschaft, die sich um die Armen und Kranken kümmert und die Rechte von Frauen und Kindern schützt, heute noch genauso aktuell wie im 16. Jahrhundert sind, ist "Zwingli - Der Reformator" unbedingt sehenswert, auch wenn er kleinere inhaltliche Mängel aufweist und an einigen Stellen etwas zu lang geraten ist.
Foto: Max Simonischek als Ulrich (Huldrych) Zwingli © W-Film
Info:
Zwingli - Der Reformator (Schweiz, Deutschland 2018)
Originaltitel: Zwingli
Genre: Biopic, Drama, Historienfilm
Filmlänge: 128 Min.
Regie: Stefan Haupt
Drehbuch: Simone Schmid
Darsteller: Maximilian (Max) Simonischek, Anatole Taubman, Sarah Sophia Meyer, Charlotte Schwab, Ueli Jäggi, Patrick Rapold u.a.
Verleih: W-Film Deutschland
FSK: ab 12 Jahren
Kinostart: 31.10.2019