f malerin2Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 31. Oktober 2019, Teil 12

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wenn die berühmte Malerin Marianne (Noémie Merlant)) rund um die Französischen Revolution, wo auch eine Marianne eine, allerdings symbolische Rolle spielt, wenn also die Malerin bei ihrer Arbeit mit jungen Malerinnen, die sie ausbildet, auf eins ihrer alten Gemälde stößt, das besagte Bildnis einer jungen Frau in Flammen, dann blüht ihr Gesicht in erinnerndem Gedenken auf – und schon sind wir in der Gegenwart von damals, 1770, als wir die junge Malerin auf einer bretonischen Insel ankommen sehen. Die Landschaft ist weit, aber das Herrenhaus, auf das sie gerufen war, wirkt dunkel und kalt.

Schnell erfahren wir den Hintergrund: Dort lebt eine Witwe mit zwei Töchtern, deren eine mit einem Mann von Stand verheiratet werden sollte, der auch für die Mutter die soziale Absicherung bedeutet. Doch die Tochter will nicht heiraten und bringt sich um. Nun soll die zweite Tochter Héloïse (Adèle Haenel) ,die sich bisher in einem Nonnenkloster sehr wohl gefühlt hatte, aber von der Mutter nach Hause befohlen wurde, eine arrangierte Ehe eingehen, die besagte gute Partie. Damit der potentielle Ehemann sich die Zukünftige vorstellen kann, ja sich sogar auf sie freuen darf, soll ein Bildnis von Héloïse für sie bei dem noch unbekannten Mann werben. Dies war die übliche Praxis, beispielsweise bei den Ehen von Königinnen, wo ein Maler wie Diego Velázquez im 17. Jahrhundert eine ganze Serie von Habsburger Kaisertöchtern noch als Kinder zu Heiratszwecken zusammenmalte.

Doch Héloïse lehnt diese Heirat grundsätzlich ab, weswegen auch kein Bild von ihr entstehen soll. Da gab es einen Maler, der sie malen sollte, was sie teils verweigerte, teils ihn irre machte, weshalb er entnervt unter Zerstörung seines versuchten Porträts abreiste. Deshalb hat die schlaue, doch eher eigentlich intrigante Mutter beschlossen, daß sich Marianne als Gesellschaftsdame ausgeben soll und bei dem Zusammensein mit Héloïse ihr Gesicht sich so gut merken soll, daß sie in der Erinnerung des Tages so nach und nach ihr Bildnis malen kann.

Doch die Angelegenheit entwickelt sich zäh. Bei den vielen Spaziergängen über Stock und Stein, in den schönen langen Kleidern der Zeit, mit vielen Stolen, umwindet und mit der Perspektive der endlosen Meereslandschaft, kommen sich die beiden jungen Frauen näher und näher. Ihre Unterhaltung umfaßt Philosophisches, wie man leben sollte, und auch wenn wir wissen, daß die Blicke der Malerin professionelle sind, denn sie zeichnet in ihrem Gedächtnis deren Züge nach, so wird zart, aber deutlich das gegenseitige Verlieben das Thema.

Für die Handlung dramaturgisch geschickt, begibt sich die Mutter auf eine Reise und erwartet nach ihrer Rückkehr das fertige Porträt. Nun sind die Tage der beiden einerseits freier, andererseits müssen jetzt iMariannes viele Versuche zu einem richtigen Bildnis führen. Spätestens jetzt fällt auf, daß wir in einem Film fast ohne Männer diese überhaupt nicht vermissen. Stattdessen liegt eine Atmosphäre von Schwesternschaft über allem. Denn die Mutter ist zwar herrisch, aber die Haushälterin die gute Seele des Hauses. Längst hat Marianne ihre innere Spannung nicht mehr ausgehalten, sieht ihr Vorgehen eindeutig als Betrug an Héloïse, schämt sich und bekennt ihr die heimliche Malerei.

Als diese das Bild sehen will, hat sie nur eine höhnische Bemerkung zum Ergebnis auf der Leinwand, das aber für Marianne im jähen Erkennen der Unzulänglichkeiten zerstört wird. Und nun – die Auftraggeberin kommt zurück – ergreift Héloïse die Initiative und fordert Marianne auf, sie zu malen und zwar so, wie sie abgebildet werden will. Es entsteht das Bildnis einer jungen Frau in Flammen, das die heimkommende Mutter sehr zufriedenstellt.

Filmisch erleben wir die Handlung in der Sprache der damaligen Zeit, eher poetisch, denn konkret. Erst im Nachhinein fragt man sich, was denn mit diesem Bildnis, das für den privaten Gebrauch, nämlich für die Visualisierung eines potentiellen Lebenspartners geschehen ist. Hat dem Heiratswilligen die Dame nicht gefallen. Hat sie das Bild nie aus der Hand gegeben? Was ist passiert, daß Jahre später das Frühwerk von Marianne an diesem Platz hängt, wo sie es zufällig entdeckt. So sind wir noch eine Weile mit den Charakteren und ihren Handlungen beschäftigt und sind froh, damals keine Frau gewesen zu sein, aber auch froh, auf so sinnliche Weise das Schicksal von Marianne und Héloïse miterlebt zu haben.

Daß Céline Sciamma, die Regisseurin, vor Jahren den wunderlich schönen Film MEIN LEBEN ALS ZUCCHINI gedreht hatte, erfuhren wir erst später. Sicher darf man von ihr noch einiges erwarten.

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© Verleih

Info:
Ein Film von Céline Sciamma Mit Noémie Merlant, Adèle Haenel, Luàna Bajrami, Valeria Golino