f niemands1Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 7. November 2019, Teil 28

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Schon eigenartig, daß zum 30. Jahrestag des Falls der Mauer keine Filme entstehen, die die historische Größe der politischen Situation entweder als Komik oder als Drama auf die Leinwand bringen. Stattdessen sehen wir etwas sehr harmlose Komödien, die zudem im Gewand von jugendlicher Liebe daherkommen, Romeo und Julia auf der Mauer!

Natürlich nicht auf der Mauer, sondern hüben und drüben, aber wenn ein Filmtitel so desorientierend ist, wie dieser, schludern wir auch. Soll NIEMANDSLAND bedeuten, daß in Kleinmachnow die Orientierungslosigkeit nach dem 9. November 1989 bis zum Sommer 1990 anhielt? Denn dort befinden wir uns in dieser konturenlosen Zeit, wo das Alte noch nicht vorbei und das Neue noch nicht richtig begonnen hat. Wir stehen mit Familie Behrendt vor dem Haus, das eigentlich – und nicht nur eigentlich, sondern real – das ihre ist, das ihnen gehört und in dem sie wohnten, die Familie, das sind Vater Alexander (Andreas Dühler), Heidi (Lisa Hagmeister) und die heute 16jährige Katja (Emilie Neumeister), so lange wohnten, bis sie aus der DDR flohen und in West-Berlin siedelten.

Häuser und Wohnungen von Geflüchteten wurden in der DDR konfisziert, d.h. enteignet und an neue Eigentümer vergeben/verkauft. Nach 1990 war die Regelung für solche Fälle diejenige, daß eine Rückgabe einer finanziellen Entschädigung vorgehe. Deshalb will Familie Behrendt das Haus wiederhaben, vor allem Alexander, der in ihm aufwuchs und nun im Wohnwagen vor dem Haus kampiert, am Wagen lauter Bilder und Plakate, damit auch die Vorbeikommenden wissen, um was es hier geht.

Erst hilflos, dann wütend, dann problemlösend zeigen sich die neuen Hausbesitzer Paulsen, mit Vater Erwin Paulsen ( Uwe Preuss), Beatrice Paulsen (Judith Engel) und der 17jährige Sohn Thorben (Ludwig Simon), die schließlich dem Westler 86 000 Westmark anbieten, um das Haus erneut zu kaufen. Das ist eine abenteuerliche Geschichte, denn ein Normalbürger der DDR hatte im Juni 1990 dieses Westgeld nicht und wenn, dann hätten sie sich gleich etwas Größeres gekauft oder investiert. Aber um Wahrscheinlichkeit geht es in diesem Film nicht. Wenn man sich die Grundkonstruktion dieses Plots anschaut, kann man sich tolle Geschichten ausdenken, die deftige Streitigkeiten und Lösungsstrategien entwickeln. Doch Regisseur Florian Aigner, der sein eigenes Drehbuch verfilmt, muß unbedingt eine jugendliche Liebesgeschichte hineinpacken und diese dann auch noch als dea ex machina mißbrauchen.

Demnach also wird sich die Westtochter Katja nach und nach in den Ostsohn Thorben verlieben ... alles klar? Natürlich gibt‘s ein bißchen mehr zu sehen und zu sagen, aber dennoch ist diese jugendliche Liebe der rote Faden, der am Schluß ein ordentliches Knäuel ergibt. Hatten wir das nicht gerade? Ja und nein. Ein wenig anders schon, leider sogar noch harmloser als diese Komödie. Wir besprachen im Vormonat ZWISCHEN UNS DIE MAUER, in der es allerdings hauptsächlich um das Getrenntsein bis zum 9. November 1989 ging und nur der Schluß nach dem Fall der Mauer spielt.

Hier ist die gefallene Mauer Ausgangspunkt und man lernt die Argumente der jeweiligen Familien kennen und weiß genau, daß dies eine der Geschichten ist, wo man die Partei ergreift, in die man selbst gehört. Eine objektive Gerechtigkeit gibt es hier nicht. Es herrschen unterschiedliche Interessen und die Lösung ist wie früher bei verfeindeten Königreichen, daß die nächste Generation einander heiratet und ein Großreich entsteht. Hier also das Haus in Großfamilienbesitz gerät. Ganz so erbmonarchistisch geht es aber nicht zu, denn immerhin akzeptieren die zukünftigen Schwiegereltern im umstrittenen Haus dann doch das Geld aus dem Westen als Abfindung.

Ach so, in das Durcheinander gehört auch, daß der einzige Normale, der gerade für Thorben ein Fels in der Brandung darstellt, sein Handballtrainer Andy (Michelangelo Fortuzzi), sich als IM der Stasi entpuppt.Auch hier eine menschliche Enttäuschung. In dieser unsicheren Situation halten sich die beiden Jugendlichen aneinander fest, denn die Eltern sind in den Strudel um das Haus geraten und bekommen das Leben der Kinder nicht mehr mit. Katjas Mutter holt sich Trost beim Nachbarn und noch ein bißchen mehr und Katjas Vater hat eh nur das Haus und seine Don Quichotterei im Sinn. Thorstens Vater versucht sich als harter Hund und seine Mutter leidet, denn sie verliert ihren Arbeitsplatz. Wendezeit.

Wie gesagt, etwas weniger konstruiert und etwas sarkastischer hätte es schon sein dürfen.

Foto:
© Verleih

Info:
Darsteller
Katja           Emilie Neumeister
Thorben      Ludwig Simon
Alexander Behrendt          Andreas Döhler
Heidi Behrendt                  Lisa Hagmeister
Erwin Paulsen                   Uwe Preuss
Beatrice Paulsen              Judith Engel
Andy                                 Michelangelo Fortuzzi

Regie Buch Schnitt: Florian Aigner

Der andere jugendliche Liebesfilm hüben und drüben der Mauer ist: 
https://weltexpresso.de/index.php/kino/17168-zwischen-uns-die-mauer