Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 7. November 2019, Teil 33
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wer glaubt, er sehe nun einen Horrorfilm oder einen rasanten Spionagefilm, sitzt fehl auf dem Kinosessel. Wer aber neugierig ist, wie innerhalb der amerikanischen Gewaltenteilungsadministration die sorgfältige, abgewogene und nie nachlassende Recherche staatlichen Handelns: hier die die verbotene Folterpraxis der CIA im Verlauf der Untersuchungen der Attentate vom 11. September 2001 öffentlich aufgeklärt wird, sitzt richtig.
Tatsächlich ist es im amerikanischen Regierungssystem, das Oskar Lafontaine gerade als ein verkommenes – unsere Wortwahl, ob er das sagte, weiß ich nicht mehr, auf jeden Fall sprach er von einer korrupten Oligarchie, - tatsächlich gibt es aber gleichzeitig eine zutiefst demokratische Tradition von Seiten der Politik wie auch der Presse, knallhart staatliches Handeln zu überprüfen, unabhängig von Parteieninteressen oder sonstigen Kumpaneien, wie es beispielhaft die damalige Nixonverschwörung zeigte, deren verbotenes Handeln gnadenlos aufgedeckt wurde und zum Rücktritt des Präsidenten führte.
In diesem Fall geht es nicht um den Präsidenten, der falsch handelte, und auch nicht um die Presse als Aufklärungsorgan, sondern darum, daß die CIA als Hilfsorganisation der Regierung, den US-Präsidenten noch nicht mal über die menschenverachtende und gegen die Gesetze verstoßende Folterpraxis informierte, bzw. um Erlaubnis dazu bat, also ohne Auftrag Unrecht in Gang setzte, was die Senatorin Dianne Feinstein (Annette Bening) mit Hilfe eines aufrechten Ermittlers, Daniel Jones (Adam Driver) aufklären will.
Und diese Aufklärungsarbeit wird nicht spektakulär mit tollen Auftritten dargestellt, hat überhaupt nichts vom Enthüllungskino oder Geheimdienstthrillern, sondern zeigt die Knochenarbeit, in der es wichtig ist, daß sich Daniel Jones durchbeißt, nicht nur durch die vielen schriftlichen Berichte, sondern durch die Aufnahmen der unendlich grausamen Folterungen. Dabei stellt sich für Ermittler Jones eindeutig heraus, daß die Gefolterten sich teils eine Spaß daraus machten, falsche Aussagen zu tätigen und dabei auch bei den schlimmsten Folterungen, die jeweils einen Namen tragen, den wir nicht nennen wollen, wie auch die Aufnahmen schnell vergessen müssen, teils immer dasselbe sagten, weil sie entweder nichts wußten oder die Wahrheit gesagt hatten.
Der Film ist sehr konventionell gemacht, mit seinen Rückblenden, dem Einstreuen von Archivmaterial der CIA, den vielen Erläuterungen der schriftlichen Berichte und immer demselben Strickmuster, daß nämlich Daniel Jones der Senatorin Bericht erstattet und diese entscheidet, ob es weitergeht, wie es weitergeht, und was sie von den Ermittlungen an die Öffentlichkeit gibt. Denn die Senatorin fühlt sich ja in einer verzwickten Situation. Die amerikanische Öffentlichkeit will Rache für die ungeheuren Attentate mit den vielen Toten und dem Einsturz der Tower, des amerikanischen Statussymbols. Da muß Dianne Feinstein schon aufpassen, daß ihre Aufklärungsarbeit ihr nicht gleichzeitig die Basis entzieht bei der nächsten Wahl.
Das erkennt auch Daniel Jones, weshalb er bei jedem neuen Sachstand, den er vorträgt und nun neue Instruktionen braucht, befürchten muß, daß die Senatorin einknickt, was nicht eintritt. Allerdings wählt sie immer wieder die eingeschränkteren Informationen für die Öffentlichkeit, hält aber immer an der Veröffentlichung der Schandtaten der CIA fest. Die Spannung, die den Film zusammenhält, ist also eine immanente, die die konventionelle Machart geradezu braucht. Immer wieder fühlt man sich wie vor dem Fernsehschirm, wo man die täglichen Nachrichten der Untersuchungen der Folterungen damals ja mitbekam. Noch einmal, das ist kein fiktiver Film, sondern ein Film, der Wahrheiten transportiert, denn das Drehbuch kann auf die vorliegenden Veröffentlichungen und die Videoaufnahmen zurückgreifen.
Und deshalb wird im Verlauf des Films auch ein anderer Film mit Recht diskreditiert. Das erfährt man erst hier. Als Kathryn Bigelow nämlich in ZERO DARK THIRTY die Jagd Amerikas auf Osama bin Laden in einem Spielfilm aufbereitet, werden die Ergebnisse der Folterungen als Ursache für das Auffinden des Attentäters dargestellt, der dann durch die USA umgebracht wurde. Jeder kennt diese Aufnahme aus dem Oval Office des Weißen Hauses, als die Obama-Administration beim Tod zusieht. Nun haben aber – das ist das Wichtigste am Feinstein-Bericht – alle Recherchen zu den Folterungen zu dem eindeutigen Ergebnis geführt, daß die verschärften Folterungen, an denen Gefolterte auch starben, in keinem Fall zu anderen Ergebnissen geführt hatten als die vorherigen Befragungen. Die Darstellungen im Bigelowfilm sind falsch, weil nicht die Aussagen durch Gefolterte zur Ergreifung von bin Laden führten. Die Regisseurin hat den angeblichen Geständnissen, die die CIA verbreitet hatte, geglaubt, die aber erlogen waren.
Wir sind im Film Zeuge, wie ein Gefangener über hundert Mal verschärftes Waterboarding überlebt, aber immer dasselbe aussagt. Die schrecklichen Folterungen haben nichts gebracht, ein Ergebnis, das den untersuchenden Daniel Jones immer stabiler, immer sicherer, immer durchsetzungswilliger macht. Wir erleben also auch DEN GUTEN AMERIKANER, den nämlich, der im Dienste der Wahrheit nicht aufgibt, diese herauszufinden. Das Ergebnis ist gültig über den Fall hinaus. Besondere Grausamkeiten, selbst die Androhung von Tod lassen Menschen nicht die Wahrheit sagen, die sie nicht schon vor den Folterungen oder bei leichteren Folterungen aussagten. Folterung ist über den politisch-menschlichen Faktor hinaus, noch nicht mal eine Methode, die etwas bringt. Die Menschen leiden also, ohne daß die Folterer etwas bekommen, außer der Genugtuung, Leid zuzufügen, was man manchen Folterern ansieht und in den originalen Aufnahmen zu erkennen ist.