f mansSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 14. November 2019, Teil 10

Redaktion

Los Angeles (Weltexpresso) - LE MANS ‘66 wurde im Sommer und frühen Herbst 2018 in Südkalifornien, Georgia und Le Mans, Frankreich, gedreht. Regisseur James Mangold versammelte altbewährte Mitarbeiter um sich, die ihm helfen sollten, seine Vision der epischen Rivalität zwischen Henry Ford II und Enzo Ferrari zu erzählen – und ein Team von bunt zusammengewürfelten Ford-Leuten, das ihn bei seinen Bemühungen unterstützte. Seitens der Produktion wurden zudem zahlreiche Berater engagiert, die noch persönlich Teil der Ereignisse der Vergangenheit gewesen waren, um dem Film noch mehr Authentizität zu verleihen. Unter ihnen befanden sich Charlie Agapiou, der Ex-Teamchef und Chefmechaniker von Shelby American, und Peter Miles.

Produktionsdesigner François Audouy fiel die Aufgabe zu, viele der damaligen Schauplätze zu entwerfen, darunter das Hauptquartier der Ford Motor Co. in Dearborn, Michigan, die Shelby American Werkstatt in Venice, Kalifornien, sowie die spätere am Los Angeles International Airport. Audouy hatte schon bei früheren Filmen mit Mangold kooperiert, darunter bei LOGAN: THE WOLVERINE. Er freute sich über die erneute Zusammenarbeit mit dem Regisseur.

„Jim hatte eine sehr genaue Vorstellung der Geschichte, die er auf die Leinwand bringen wollte”, sagt Audouy. „Er erzählt seine Storys stets aus der Perspektive seiner Figuren. Sie sind in diesem Fall sehr geerdet, was einen starken Realismus und viel Plausibilität bedingte. Der Zuschauer muss der gezeigten Welt glauben und sich in ihr zurechtfinden.”

Interessanterweise wurde quasi jede Sequenz von LE MANS ‘66 vor Ort gedreht. Für die frühen Szenen, die im legendären Ford-Firmensitz, bekannt als Ford River Rouge Complex oder nur The Rouge, in Dearborn, Michigan, spielen, filmte man in einer 100 Jahre alten, ehemaligen Stahlfabrik in Los Angeles. Eine Montage-Straße wurde im 5.000 Quadratmeter großen Lagerhaus eingerichtet, hier wurden die 1963er Ford Falcons zusammengebaut. Man benötigte 20 Ford Falcons, die im Film in den verschiedenen Fertigungszuständen zu sehen sind.

Anstatt die einzelnen Ford Falcons von Grund auf neu zu bauen, nutzte Rick Collins, der für die Autobeschaffung zuständig war, das Internet und durchsuchte einschlägige Websites wie Craigslist oder eBay nach Ford Falcons jener Tage. Dann wurden die Wägen auseinandergebaut, innen und außen restauriert und hellblau lackiert. So erweckten die Autos den Anschein, als wären sie gerade vom Montage-Band gerollt. „Alle Autos, die man sieht, sind echt”, sagt Audouy. „Wir verwendeten kein Fiberglas, alles ist aus echtem Metall gefertigt. Die Wagen wurden komplett restauriert. Sogar die Farbe ist die, die Ford 1963 benutzte.”

Die Lanterman Development Facility in Pomona, Kalifornien, nutzte man für die Außenaufnahmen der Ferrari-Fabrik sowie die Innenaufnahmen von Enzo Ferraris Büro. Die Außenmauern und der Innenhof des Unternehmenskomplexes glichen den Örtlichkeiten des Ferrari-Hauptquartiers im italienischen Maranello. Die Ausstattungsabteilung baute Enzo Ferraris Büro genau nach, inklusive der Fenster, die zum Hof hinausgehen. Dort parkte man zwei Ferraris, einen Nachbau des 1961 California Modena Spider und einen echten 1966er Silver Ferrari 275 GTB, den man sich von einem lokalen Sammler auslieh.

Ein besonders augenfälliges Element des Ferrari-Hauptquartiers sind die Tore zur Fabrik. Für LE MANS ’66 wurden diese vom Designteam exakt rekonstruiert. „Sie sind wie die Tore in KING KONG („King Kong“, 2005) oder JURRASIC PARK („Jurassic Park“, 1993)”, weiß Audouy. „Man sieht sie und weiß: ‚Ferrari’.”

Als Location für die Shelby American, Inc. – die Firma hatte ihren ursprünglichen Sitz an der Princeton Avenue in der am Meer gelegenen Gemeinde Venice, Kalifornien – fand man ein zweistöckiges Backsteinlagerhaus mit Innenhof in der Nachbarschaft des in South Los Angeles gelegenen Chesterfield Square. Die Setdesigner sorgten in dem leeren, 3.000 Quadratmeter großen Gebäude für den nötigen Retro-Look, um die alte Garage entsprechend wiederauferstehen zu lassen – Wagenheber, Schraubenschlüssel und Automagazine inklusive. Nicht vergessen wurden dabei auch weitere Accessoires wie Trophäen, Surfbretter und Motorräder. Um den richtigen Eindruck zu vervollständigen, wurden noch ein Dutzend Shelby Cobra-Nachbauten, die von vor 1966 datierten, sowie einige MKIs, MKIIs und Carroll Shelbys persönlicher Shelby Cobra Roadster angemietet.

Als Shelby American, Inc. noch den Shelby Mustang in sein Verkaufsprogramm aufnahm und der Auftrag der Ford Motor Co. hinzukam, wurden die ursprünglichen Firmenräume zu eng und man übersiedelte einschließlich der Produktionsstraße in einen riesigen Hangar auf dem Los Angeles International Airport (LAX). Hier entstanden einige der berühmtesten Sportautos der Geschichte. Die Szenen, die hier spielten, wurden im Verlauf von rund zwei Wochen am und im California Air National Guard Hangar gefilmt. Dieser befindet sich am rund 65 Kilometer östlich der Innenstadt von Los Angeles gelegenen Ontario International Airport.

Wenn kein Flugbetrieb herrschte, erlaubten die Flughafenverantwortlicher dem Team auf der Rollbahn zu drehen, die man als Shelbys Teststrecke nutzte. „Wir hatten nicht nur das Glück, diesen riesigen Hangar zu finden, der sich perfekt in Shelbys LAX-Hangar umgestalten ließ, wir durften sogar auf der Start- und Landebahn filmen. So konnten wir zeigen, was alles passierte, als Shelby und Co. mit der Entwicklung des GT40 begannen”, sagt Audouy.

Die Szenen in Ken Miles’ Haus, dessen Werkstatt und Nachbarschaft wurden im angesagten Viertel Highland Park gefilmt Ein gemütlicher Zwei-Schlafzimmer-Bungalow aus dem Jahr 1909 wurde rund zwei Wochen lang als Kens Heim genutzt, das er mit seiner Frau Mollie und ihrem gemeinsamen Sohn Peter bewohnt. Miles’ Werkstatt für ausländische Autos, Ken Miles Limited, fand sich wenige Schritte entfernt auf der Ave. 64. Die heute dort angesiedelte moderne Werkstatt wurde natürlich entsprechend umgestaltet. (Miles’ echte Werkstatt befand sich früher am Lankershim Boulevard im östlichen San Fernando Valley.)

Collins, der für die Autos und deren Koordination zuständig war – zu seinen Credits zählen unter anderem Filme des FAST & FURIOUS-Franchise, FIRST MAN („Aufbruch zum Mond”, 2018), BRIGHT („Bright”, 2017) und CAPTAIN MARVEL („Captain Marvel”, 2019) – arbeitete eng mit Produktionsdesigner Audouy und dessen Team zusammen. Es musste auf alle Fälle gewährleistet sein, dass alle Autos, ob nun gebaut, ausgeliehen oder gemietet, exakt den Modellen jener Tage glichen. Seiner Crew oblag der Transport der Fahrzeuge, ein aufwändiges logistisches Unterfangen, musste man die Fahrzeuge doch quer durch Südkalifornien und bis nach Georgia transportieren, wo das zweite Drehteam filmte.

Unter den zig historischen Autos, die man auf der Leinwand sieht, befindet sich ein einzigartiges Daytona Coupe aus Aluminium, das man für 30.000 Dollar mietete und das in den Szenen zu sehen ist, die in den Shelby American LAX-Werkstätten spielen. Für Ken Miles’ Ankunft in Le Mans lieh der Automobile Club de l’Ouest der Produktion zahlreiche Autos aus seinem Museum, darunter ein Ford GT40 MKI und ein extrem seltener CD SP66 Peugeot, von dem weltweit nur noch drei Stück existieren.

Viele der Autos wurden bei Superformance hergestellt, einer High-End-Sammlerfirma in Irvine, Kalifornien, die sich darauf spezialisiert hat, Nachbauten von Wagen der 1960er herzustellen. JPS Motorsports aus North Hollywood wiederum hat mehrere Porsche Speedsters reproduziert, die in der Rennsequenz zu sehen sind, die früh im Jahr 1963 am Willow Springs International Raceway stattfindet. Der Willow Springs Motorsports Park in Rosamond, Kalifornien, ist ein 600 Hektar großer Komplex außerhalb von Los Angeles, wo Carroll Shelby und sein Team sich in ihrem frühen Modell des AC Shelby Cobra mit einer Chevy Corvette messen, damals ihre größte Widersacherin. Collins’ eigenes Team hat in seinen Werkstätten in Sylmar die Corvettes für diese Szenen gebaut. Insgesamt wurde für den Film 34 Rennautos gefertigt.

Bei so vielen berühmten Rennen, die in Film stattfinden und gezeigt werden, war es wichtig, für sie jeweils einen ganz individuellen visuellen Stil zu finden. Ein wichtiger Teil dieser Aufgabe fiel dem Kostümbildner Daniel Orlandi zu, der wie Audouy schon bei LOGAN mit Mangold zusammengearbeitet hat. Ausgiebig beschäftigte er sich zunächst mit der Autorennwelt jener Tage, um sicherzustellen, dass seine Entwürfe historisch korrekt ausfielen. Er stimmte sich genau mit Audouy ab, um die Farbpalette für das jeweilige Rennen festzulegen. „Wir sahen uns gemeinsam Filmmaterial von Le Mans aus den Jahren 1966 und 1959 an, Material von Willow Springs. Obendrein las ich Bücher über Carroll Shelby und Ken Miles”, erzählt Orlandi. „Man kann keinen Film über echte Menschen drehen, ohne vorher ausgiebig über sie recherchiert zu haben. Man muss so nahe wie nur möglich an den Personen bleiben, will man die Wahrheit über sie erzählen. Das hilft einem aber dann auch, die Story richtig und gut zu transportieren.”

In Bezug auf Shelby fand Orlandi, dass es unnötig war, ihn als überlebensgroßen Texaner zu zeichnen. Shelby war in Wirklichkeit nämlich ein bescheidener Mann, der gerne gestreifte Overalls und einen Stetson trug – ein Relikt aus den Tagen, als er noch als Farmer im Hühnergeschäft tätig war. „Wir hätten ihn viel aufwändiger ausstaffieren können, aber bei einem Schauspieler wie Matt ist dies nicht nötig. Der erledigt solche Sachen allein durch seine Performance”, weiß Orlandi. „Er braucht kein Kostüm, um seine Figuren herauszuarbeiten. Er trägt einen Cowboy-Hut, was auch Carroll Shelby getan hat, aber er tut dies nur in Schlüsselszenen, wo dies auch wichtig ist. Da soll er dann ja auch überlebensgroß erscheinen, was die krokodilledernen Cowboy-Stiefel zusätzlich unterstreichen.”

Um den berühmten, lockenköpfigen Autohersteller richtig zum Leben zu erwecken, musste sich der 47-Jährige die Haare färben – und obendrein erstmals eine Dauerwelle legen lassen. Die Chefin der Haarabteilung, Gloria Casny, die ebenfalls schon bei LOGAN dabei war, sagt, dass sie sich bei allen Männern für eher kürzeres Haar entschied. „Wir haben uns auf kurz und konservativ geeinigt, schließlich hat der ‚Sommer of Love’ nebst Jim Morrison und langen Haaren zu dem Zeitpunkt, an dem der Film spielt, noch nicht stattgefunden”, weiß sie.

„Es war ein sehr spezifischer Look – die meisten der Männer tragen das Haar extrem kurz, sind glattrasiert und haben kurze Kotletten. Sprich, wenig Gesichtsbehaarung“, fügt Jane Galli hinzu, die die Make-up-Abteilung unter sich hatte. Ihre Zusammenarbeit mit Mangold reicht ins Jahr 1999 zurück, zum Oscar®-prämierten Drama GIRL, INTERRUPTED („Durchgeknallt“). Schon früh im Verlauf ihrer Diskussionen einigte sie sich mit dem Regisseur darauf, dass die Figuren ihrem Umfeld entsprechen sollten. Es waren raue Männer, die viel Zeit im Freien und an sowie auf Rennstrecken verbrachten. „Ob es nun die Rennfahrer oder die Männer in den Boxen waren, Jim wollte, dass sie braungebrannt, wettergegerbt, verschwitzt, ölig und schmutzig aussahen”, erinnert sich Galli.

In Bezug auf seine Kostüme verbringt Miles die meiste Zeit im Rennoutfit oder in Overalls. „Sie sprechen von ihm als wäre er ein Beatnik, obwohl er sich nie wie einer kleidet”, sagt Orlandi.

Da nur wenige Fotos von Kens Frau Mollie existieren, entschloss sich der Kostümdesigner, die irische Schauspielerin Caitriona Balfe so zu kleiden, dass es zu ihrem Typ passte – und natürlich zu ihrem Part als Ehefrau eines Mechanikers. Entsprechend trägt sie meist alte Wranglers aus den 1960ern, Baumwollsweaters oder einfache Shirts.

Im Gegensatz zu Kens Frau gibt es jede Menge Bildmaterial von Henry Ford II, was es einfach machte, den Stil des Autotitanen zu imitieren. Bezüglich der Kleidung von Deuce und dessen Managerteam ließ sich Orlandi von einem Film inspirieren, bei dem er früh in seiner Karriere mitgewirkt hatte. „Ich erinnere mich, vor langer Zeit die Kostüme für einen Film entworfen zu haben, in dem die Protagonisten in einer großen Anwaltskanzlei arbeiteten. Der Regisseur sagte damals zu mir, er wolle, dass ich sie wie ein Football-Team aussehen lasse, das immer gemeinsam auftritt”, erinnert sich Orlandi. „Das habe ich hier übernommen, dabei jedoch jedem Einzelnen seine eigene Persönlichkeit gelassen.”

Ford stattete der Kostümbildner mit klassischen Brooks-Brothers-Anzügen aus. „Altes Geld, Button-down-Hemd, blauer Blazer – genau das, was er tatsächlich getragen hat”, sagt Orlandi. „Sein Kleiderstil war sehr traditionell. Und er band sich auch immer einfache marineblaue Krawatten um.” Beim Charakter von Josh Lucas war die Farbpalette etwas breiter. „Leo Beebe haben wir als etwas düstereren Typen angelegt. Etwas schmierig”, erläutert Orlandi. Jon Bernthals Lee Iacocca ist die schillerndste Figur unter den leitenden Ford-Angestellten. „Er trägt maßgeschneiderte Mohair-Anzüge und kleine, dünne Krawatten – sehr Sixties.”

Orlandi wollte einen sichtbaren visuellen Kontrast zwischen dem Ford-Team und ihren Widersachern bei Ferrari. „Die Ford-Männer waren irgendwie cool, trugen Blau, Grau und Silber. Ganz anders ihre Konkurrenten von Ferrari, die klassisch europäisch und ‚old school’ sind”, führt Orlandi aus. „Bei Ihrer Garderobe herrschen Brauntöne vor – cremefarben geht auch – und sie tragen gestrickte Krawatten und Westen.” Orlandi vergleicht die Outfits der Ferrari-Arbeiter, die Jumpsuits und Overalls tragen, mit den Uniformen des italienischen Militärs. „Wir wollten bei Ferrari einen Alte-Welt-Stil und bei Ford das beginnende Weltraumzeitalter der 1960er.”

Diese unterschiedlichen Welten prallen auf der Rennstrecke aufeinander. Eine der größten Herausforderungen bestand darin, die diversen Rennen und Rennsequenzen richtig darzustellen – mit dem Le-Mans-Rennen von 1966 als absoluten Höhepunkt. Produzentin Jenno Topping erklärt: „Einer der wichtigsten Aspekte des Films bestand darin, dass Jim sich auf seine Figuren fokussieren wollte. Über sie sollten sich die Zuschauer in die Story hineinfinden und mit ihnen mitfiebern. Es geht bei LE MANS ‚’66 nicht einfach nur darum, wer gewinnt.”

Mangold und sein Chefkameramann Phedon Papamichael – gemeinsam haben sie schon bei fünf Filmen, darunter WALK THE LINE, 3:10 TO YUMA und KNIGHT AND DAY („Knight and Day”, 2010), zusammengearbeitet – entschieden, ihre schwierige Aufgabe mit traditionellen Mitteln zu lösen. Zwei Filme standen in Bezug auf die Art, wie man die Geschichte erzählen wollte, Pate: GRAND PRIX („Grand Prix“, 1966) und der Steve-McQueen-Klassiker LE MANS („Le Mans“, 1971). „In visueller Hinsicht ließen wir uns von diesen Produktionen aus den 1960ern bzw. 1970ern inspirieren, viel mehr als von den zeitgenössischen Rennfahrerfilmen. Wir wollten nichts übertreiben, keine zusätzlichen Effekte. Uns ging es um das Gefühl des Fahrens. Wir wollten die Fahrer und ihr Gesicht bei ihrem gefährlichen Job zeigen. Wir wollten ihren Blickwinkel einnehmen”, sagt Papamichael. „Also hielten wir uns an die Kameratechnik jener Tage.”

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Info:
Regie: James Mangold
Drehbuch: Jez Butterworth, John-Henry Butterworth und Jason Keller
Darsteller: Matt Damon, Christian Bale, Jon Bernthal, Caitriona Balfe, Noah Jupe, Tracy Letts, Josh Lucas u.a.
Verleih: Twentieth Century Fox Germany

Abdruck aus dem Presseheft