Serie: Die heute anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 13. Juni 2013

 

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Zu den Unwägbarkeiten von Kino gehört auch, daß manche Filme mit berühmten Regisseuren und Stars der Branche völlig nichtssagend, ja schlecht sind, und einen dann Filme begeistern, die mit kleinem Budget und einer irren Handlung in einem das berühren, was nur richtig gute Filme können.

 

DIE JUNGFRAU, DIE KOPTEN UND ICH

 

ist solch ein Film. Der in Frankreich aufgewachsene ägytenstämmige Namir Abdel Messeeh ist Dokumentarfilmer und eigentlich wäre das auch eine Dokumentation – und ist auch eine! -, was er von seiner Recherchereise aus Ägypten mitgebracht hat. Das Ergebnis seiner Suche nach Marienerscheinungen in Ägypten bringt auch die Kopten, fast schon Urchristen, ins Licht und zeigt das Nebeneinander und Ineinander und Gegeneinander der in Ägypten real existierenden religiösen Vorstellungen.

 

Aber vorneweg, als Bildungsgut sozusagen, der Hinweis, daß der Begriff KOPTEN aus der griechischen Bezeichnung für das Volk der Ägypter stammt. Die Kopten sind also die ägyptischsten Ägypter und diejenigen, die in ihrer Sprache das Ägyptische des 3. Jahrhunderts bewahrt haben. Man geht von einer Zugehörigkeit zur Koptischen Kirche von bis zu 10 Prozent der Ägypter aus, was über 8 Millionen Menschen wären.

 

Die Konstruktion des Films hält die Skepsis des dezidiert ungläubigen Regisseurs und seine Liebe zu den von ihm gefilmten Gläubigen zusammen. Interessant ist auch, daß Namir Abdel Messeeh in diesem französisch-ägyptischen Filmprojekt sozusagen den anderen Weg beschreitet, denn Ulrich Seidl mit seiner Protagonistin, der die Wandermarienstatue unter dem Arm missionierenden Wienerin Maria, uns in GLAUBE zeigt. Hier nun in Ägypten entstehen die Marienwunder, die die Wiener Maria imaginiert, wobei es die Ironie der Filmgeschichte will, daß ausgerechnet der in ihren Augen unrechtgläubige Ehemann ein Ägypter ist, ein Moslem eben.

 

Hintergrund des Films ist, daß die Eltern des Regisseurs als koptische Christen Ägypten schon 1973 verlassen hatten und nun in der Familie eine Videoaufnahme einer Freundin gezeigt wird, die in Ägypten eine Marienerscheinung aufnahm. Ob es so war oder einfach der Anlaß für solche einen Film dadurch gegeben war, ist es auf jeden Fall die tiefe Überzeugung der Mutter, die im Film die Marienerscheinung wahrnimmt, während der Sohn nur bewegende Schatten und Körner sieht, die den Sohnregisseur bewegen, das nun genauer wissen zu wollen, was es auf sich hat mit den Marienerscheinungen. Er merkt nämlich schnell, daß diese in Ägypten gehäuft auftreten. Also macht er sich auf die Reise, diese zu dokumentieren.

 

Was den Film so faszinierend macht, ist, daß er wieder einmal zeigt, wie unendliche Facetten die menschliche Rasse insgesamt hat. Allein die Typen, die zu sehen sind, zeigen eine so bunte, skurrile, fesselnde Unterschiedlichkeit im ägyptischen Alltag, die als Betrachter im Kinosessel das Leben in Mitteleuropa doch als, gelinde gesagt, statisch und überschaubar erscheinen läßt. Kein Wunder, daß Maria hier nicht erscheint, wenigstens nicht in der öffentlichen Wahrnehmung.

 

Aber auch das Aufnehmen der Gläubigen in Ägypten ist mit Problemen verbunden. Denn die Mutter hatte vom Sohn verlangt, die dortige Familie aufzusuchen, aber sie auf keinen Fall zu filmen, denn die Leute sind arm und das soll nicht gerade noch dokumentiert und veröffentlicht werden. Der Widerspruch zwischen bravem Sohn und engagierten Filmemacher belebt diesen Film außerordentlich. Natürlich filmt er, aber...und dieses „aber“ durchzieht den Film. Da geben die einen begeistert Auskunft, weil das darüber laut Sprechen die Marienerscheinung erneut projiziert. Aber der Patriarch der koptischen Gemeinde will sich nicht dazu äußern, dafür reden viele vom Hörensagen von anderen.

 

Köstlich auch die Aussagen auf der Straße, wo man direkt den Eindruck hat, wie bei den Angesprochenen im Moment des Fragens nach Marienerscheinungen, solche nie gehabte Visionen jetzt aber als Erinnerung abgerufen werden. Kaum als eindeutige Lüge, sondern eher, um dazuzugehören und auch, um den Filmemacher zu helfen, denkt man sich so bei dem Bemühen der Leute, ihm Ergebnisse zu liefern. Erst recht, als Namir mit einer Zeitungsanzeige Augenzeugen sucht, die damals die weltweit beachtete Marienerscheinung von Zeitoun im Jahr 1968 erlebt hatten.

 

Wie bringt man einen solchen Film zu Ende als säkularer moderne Filmemacher? Hier geschieht es, dadurch, daß der Filmemacher sich selbst als zweifelndes Subjet als Objekt beschreibt, was zur Auseinandersetzung mit dem französischen Produzenten führt, der abspringt, stattdessen kommt die Mutter...