
Holger Twele
Duisburg (Weltexpresso) - Dokumentarfilme konnten in den vergangenen Jahren hohe Zuwachsraten verzeichnen. Das gilt für Festivals genauso wie für die Kinostarts in Deutschland. Bereits fast jeder dritte Film kann dieser Gattung zugeordnet werden. Dank des doxs!-Festivals im Rahmen der Duisburger Filmwoche haben auch Dokumentarfilme für Kinder und Jugendliche ihr Mauerblümchendasein längst hinter sich gelassen.
Zugleich verwischen die Grenzen zum Fiktionalen immer stärker, was die Bezeichnung „dokumentarische Formen“ zutreffender macht. Wie wichtig gerade die formale Umsetzung eines Themas ist, zeigte einmal mehr die 18. Ausgabe des Festivals in seiner Programmauswahl und mehr noch anhand der preisgekrönten Filme.
Der zum vierten Mal in Duisburg vergebene ECFA Documentary Award ging an den niederländischen Film „Champ“ von Cassandra Offenberg. Er porträtiert die 14-jährige Kickboxerin Esma, die trotz mehrerer Niederlagen nicht aufgibt und alles daran setzt, um Champion zu werden. Das Mädchen mit Migrationshintergrund ist gleichermaßen sensibel und verletzlich, aber auch hart im Nehmen und hat sich die Mutter zum Vorbild genommen, die wegen einer schweren Erkrankung um ihr Leben kämpft. Nach dem Young Audience Award der Europäischen Filmakademie für den themenverwandten niederländischen Spielfilm „Fight Girl“ von Johan Timmers und der beim Bundesfestival Film ausgezeichneten Schülerproduktion „Box dich durch!“ gibt es damit binnen eines Jahres gleich drei Preisträgerfilme über kickboxende junge Frauen – fast schon ein Trend. Was „Champ“ allerdings für die Leinwand so besonders macht, ist seine formale Gestaltung. Eingesetzt wurden drei unterschiedliche Filmformate, eine digitale Kamera für die dokumentarischen Aufnahmen, ein grobkörniger 16mm-Film für die Traumwelten des Mädchens sowie Aufnahmen mit dem Smartphone aus der subjektiven Perspektive.

Formale Aspekte haben auch im Wettbewerb „Große Klappe“ und beim von der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb gestifteten europäischen Filmpreis für den besten politischen Kinder- und Jugenddokumentarfilm den Ausschlag gegeben. Er wurde von einer Jugendjury ausgesucht und ging an die tschechische Produktion „Spolu sami – Zusammen allein“ von Diana Cam Van Nguyen. Die Studentin an der tschechischen Filmakademie wählte für ihren Film über drei befreundete junge Menschen, die einen Elternteil verloren haben und offen über ihre Gefühle des Verlusts und der endgültigen Trennung von einem geliebten Menschen reden, das ästhetische Mittel der Animation – bis am Ende alte Familienaufnahmen aus glücklichen Tagen als Realfilm zu sehen sind. Die Jugendjury hob besonders die Bildgestaltung hervor: „Mit einer malerischen Animation bringt der Film die Hilflosigkeit der Protagonist*innen zum Ausdruck und verstärkt ihre Erzählungen durch das gelungene Hervorheben einzelner Details. Manche Szenen arbeiten mit einer subjektiven Kameraführung, die das Publikum die Panik und Hilflosigkeit emotional spüren lässt, als wäre es Teil des Szenarios. Dabei konzentriert sich die Filmemacherin auf die Erlebnisse der Protagonist*innen und verzichtet bewusst auf den manipulativen Einsatz von Musik.“

Foto „Aatos und die Welt“

Foto „Der letzte seiner Art“ (ggf. mit Querverweis zum Interview mit Floor van der Meulen)
Fotonachweis: doxs!-Festival Duisburg
http://www.do-xs.de