f cres3Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 16. Januar 2020, Teil 1

Reinhard Kleber

Berlin (Weltexpresso) -  Was hat Sie an diesem Stoff besonders gereizt?

Mich interessierten vor allem der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern – ein Thema, das mich seit vielen Jahren beschäftigt – und die Dynamik zwischen den beiden Gruppen, besonders vor dem Hintergrund der klassischen Musik. Das habe ich filmisch in dieser Form noch nicht gesehen.


Haben Sie für den musikalischen Part Fachberater herangezogen?

Ich habe das Drehbuch mit meinem Freund Johannes Rotter geschrieben. Wir haben die Musikstücke ausgesucht. Unser Orchester im Film setzt sich aus Musikern und Schauspielern zusammen, einige Mitglieder konnten also nicht wirklich musizieren. Daher mussten wir Coaches einsetzen, die den Schauspielern die Instrumente so beibrachten, dass es im Bild aussieht, als würden sie sehr gut musizieren.


Welche war für Sie die größte Herausforderung?

Es gab viele Schwierigkeiten auf einmal. Zum einen die Arbeit mit 70 Prozent Laien und 30 Prozent Schauspielern in einem Spielfilm, der sehr von der schauspielerischen Leistung lebt. Das zweite war, dass Israelis und Palästinenser in einer sehr aufgeladenen Zeit in einem Raum zusammenkamen. Drittens haben wir in drei Ländern gedreht, hatten dafür aber eigentlich nicht genug Geld. Wir mussten uns also bildlich viel einfallen lassen, um mit einfachen Mitteln so zu drehen, dass es dennoch nach Kinofilm aussieht. Eine große Herausforderung war auch, die Musikteile und Musiker ins Bild zu bringen. Peter Simonischek spielt einen weltberühmten Dirigenten – das ist sehr schwer für einen Schauspieler, der kein Musiker ist. Mimik, Rhythmus, die Arbeit mit den Händen, das war schwierig. Er hatte einen Coach, der ihn während des Drehs begleitet hat.


Inwieweit haben Ihnen Ihre Herkunft und ihr Wissen über den Nahen Osten geholfen, diesen Stoff zu bewältigen?

Ohne dieses Wissen und diese Herkunft hätte ich den Film nicht machen können. Meine Familie lebt in Israel, daher kenne ich die tagtägliche Bedrohung des Lebens dort. Dieses Gefühl und diese Lebenserfahrung kann man nur herstellen, wenn man sie persönlich erlebt hat. Ich habe bei diesem Film versucht, mich nicht vordergründig mit Politik zu beschäftigen. Deswegen finde ich das auch so genial, dass der Film zwar den Konflikt anspricht und eine politische Haltung vertritt, aber im Hintergrund die Musik und eine Gruppendynamik hat, die nicht nur über die politische Ebene läuft.


Wie realistisch oder utopisch ist die Idee eines Friedenskonzerts?

Im Moment sehr utopisch. Eine Figur sagt im Film auch, dass das Science-Fiction ist. Aber das ist nicht so wichtig. Erstmal wird im Film ausdiskutiert, warum es Science-Fiction ist. Zweitens will der Film eine klare Message vermitteln. Wir zeigen nicht die Realität, wie sie ist, sondern wie sie hätte sein können.


Sie wollten unbedingt Peter Simonischek für die Hauptrolle. Warum?

Er ist nicht nur die ideale Besetzung des Dirigenten, sondern aus heutiger Sicht die einzige. Was er geleistet hat, ist unglaublich. Der Dirigent trägt ja einen großen Konflikt in sich, der in dieser Form selten zu sehen ist: Als Sohn deutscher Nazi-Verbrecher wird ausgerechnet er mit dieser NahostProblematik konfrontiert. Und ist als Mediator zwischen den Jugendgruppen gefragt. Peter hat es geschafft, diese Figur ins Zentrum zu stellen und mit seiner Wärme und überzeugenden Spielweise dem Film eine Qualität zu geben, die er mit keinem anderen bekommen hätte. 

Foto:
©

Info:
CRESCENDO
von Dror Zahavi, D/I/A 2019, 102 Min.
mit Peter Simonischek, Bibiana Beglau, Daniel Donskoy, Sabrina Amali, Mehdi Meskar, Götz Otto
Drama / Start: 16.01.2020

Das Interview von  Reinhard Kleber ist dem Presseheft entnommen und erschien ursprünglich in TAKE #9, 2019 (IDM Südtirol)