Margarete Ohly-Wüst
München (Weltexpresso) - Peter Wohlleben veröffentlichte sein Buch Das geheime Leben der Bäume erstmals im Mai 2015. Das Sachbuch stürmte danach sofort die Bestsellerlisten. Wie schafft es ein Buch über Bäume, die Menschen so in den Bann zu ziehen oder liegt es doch auch an dem Autor?
Peter Wohlleben ist gelernter Förster, lebt in der Eifel und arbeitet immer noch im Umweltbereich. Daneben schreibt er Bücher, hält Vorträge und Seminare oder macht vor Ort rund um die Welt Vorschläge zur Renaturierung von Wäldern.
Dabei sieht er im Prinzip die Arbeit in der Forstwirtschaft kritisch, da er der Meinung ist, dass dort die Bewirtschaftung der Wälder auf die Holzproduktion reduziert wird und der Wald dadurch nur ausgebeutet wird. Seiner Meinung nach ist es sinnvoller, nicht Monokulturen anzupflanzen, sondern die Wälder sich selbst erneuern und wachsen zu lassen.
Untersuchungen haben ergeben, dass durch die Selbsterneuerung langsam wieder ein Mischwald - auch mit Laubbäumen - entsteht. Dies führt dazu, dass die Jungpflanzen im Schatten der älteren Bäume zwar langsamer wachsen, dabei aber gesünder sind und auch besseres Holz liefern. Daneben werden sie auch von den älteren Bäumen über das Wurzelgeflecht und über die dazwischen wachsenden Pilzen mit Nahrung versorgt, denn inzwischen ist es auch wissenschaftlich erwiesen, dass die Bäume mit dem Myzel der Pilze kommunizieren.
Wohlleben ist nicht gegen die Nutzung des Waldes, sondern er will naturnäher wirtschaften. Das bedeutet für ihn, dass immer nur wenige ältere Bäume geschlagen werden, um damit Platz für die jüngeren zu schaffen, die bisher im Schatten der alten wachsen konnten. Er macht außerdem deutlich, welche Schäden die in der Forstwirtschaft genutzten Harvester mit der Verdichtung des Waldbodens anrichten, während er selbst die Bäume durch Rückepferde aus dem Wald herausholen lässt.
Wohlleben bezeichnet die gepflanzten Monokulturen als Holzplantagen. Er denkt, dass die Wälder naturnah sein müssen, das bedeutet, dass sie sich in Deutschland von Nadelwäldern über Mischwälder mit Buchen als Hauptbäume entwickeln sollten - zumindest in den "normalen" Wäldern (in den feuchten Auwäldern wachsen andere Baumarten besser). Dass diese Veränderung Jahrzehnte dauern wird, macht er deutlich. Allerdings denkt er, dass eine natürliche Aufforstung durch die Verbreitung von Samen deutlich preiswerter ist, als neue Pflanzungen mit gekauften Setzlingen anzulegen.
Drehbuchautor und Regisseur Jörg Adolph hat mit "Das geheime Leben der Bäume" einen Film erstellt, der eigentlich aus zwei Teilen besteht, die immer wieder ineinander greifen. Da zeigt er zum Einen Peter Wohlleben und seine Ideen, wie er seine Bücher und Ideen rund um die Welt promotet. Wohlleben ist ein hervorragender Erzähler, der es schafft, seine Vorstellungen spannend und vor allem für Laien verständlich darzustellen.
Zum Zweiten konnte der Regisseur den bekannten Naturfilmer Jan Haft für die Naturaufnahmen gewinnen. Haft zeigt mit vielen Makroaufnahmen, dass der Wald nicht nur eine Ansammlung von Bäumen ist, sondern dass ein natürlicher Wald als ein Superorganismus fungiert. In diesem Zusammenhang wird auch neben der Kooperation zwischen Bäumen auch auf die Bedeutung durch weitere Bodenorganismen (wie Hornmilben und weitere Kleinlebewesen) für das Ökosystem Wald hingewiesen (im Jargon "Wood-Wide-Web" genannt).
Jan Haft und sein Team haben sehr schöne und informative Bilder geschaffen, die nicht nur biologisch Interessierte gefallen werden. Leider zeigt er dabei auch immer wieder Zeitraffer des wolkenfreien Sternenhimmels, von Sonnenauf- und -untergängen, die zwar schön anzusehen und auch romantisch sind aber leider auch redundant.
Peter Wohlleben vertritt die Idee vom Wald als Superorganismus. Er zeigt dazu auch, dass die Pflanzen fähig sind zur Wahrnehmung, Kommunikation untereinander, Hilfe, Verteidigung gegen Fressfeinde und sogar zu Gefühlen. Er tritt deshalb für eine artgerechte Forstwirtschaft parallel zu der artgerechten Tierhaltung in der Landwirtschaft ein.
Er macht in seinen Seminaren und Vor-Ort Besuchen Laien und Fachleuten immer wieder an Hand von Modellbeispielen für nicht industrielle Land- und Forstwirtschaft deutlich, dass diese letztendlich effektiver, naturschonender und vor allem auch kostengünstiger sind als die industrielle Holzwirtschaft, z.B. durch die oben bereits genannte Selbstaussamung der Bäume. Dies ist vor allem deshalb preiswerter, da von den gekauften Stecklingen viele nicht anwachsen.
Insgesamt hat Regisseur Jörg Adolph einen spannenden Film gedreht, in dessen Zentrum der Förster und Buchautor Peter Wohlleben steht, der durch seine Eloquenz seine Vorstellungen fundiert und trotzdem spannend darstellen kann. Die Dokumentation dreht sich zwar hauptsächlich um Wohllebens Ideen und wie er sie an sein Publikum bringt, aber der Film gewinnt vor allem durch die wunderbaren Naturaufnahmen von Jan Haft.
"Das geheime Leben der Bäume" ist ein spannender Film, bei dem allerdings doch etwas viel Werbung für Peter Wohllebens Bücher gemacht wird. Das macht ihn aber nicht weniger sehenswert.
Zusatz:
Für alle, die sich etwas tiefer in die Materie einarbeiten wollen, ist der deutsche Dokumentarfilm "Intelligente Bäume" von Julia Dordel und Guido Tölke aus dem Jahr 2017 zu empfehlen. In dem 45-minütigen Film zeigen die kanadischen Forstwissenschaftlerin Suzanne Simard, Professorin für Waldökologie an der University of British Columbia, und Peter Wohlleben, wie die Kommunikation zwischen Bäumen durch ihr weit verzweigtes, unterirdisches Wurzelsystem vorgeht, wie Bäume sich untereinander am Leben halten, wie sie sich um ihren Nachwuchs kümmern oder auch welche Bedeutung die Vernetzung mit den Pilzen für diesen Austausch hat. Die Dokumentation ist seit Juni 2019 auf DVD erhältlich.
Foto: Flora und Fauna im Wald © 2019 Constantin Film Verleih GmbH / nautilusfilm
Info:
Das geheime Leben der Bäume (Deutschland 2019)
Genre: Dokumentation, Natur
Filmlänge: 96 Min.
Drehbuch und Regie: Jörg Adolph
Naturaufnahmen: Jan Haft
Mit Peter Wohlleben u. a.
Verleih: Constantin Film Verleih GmbH
FSK: ab 0 Jahren
Kinostart: 23.01.2020