Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 30. Januar 2020, Teil 10Margarete Frühling
München (Weltexpresso) - Der am 22. Januar 1960 geborene Michael Kelland John Hutchence war ganz sicher einer der größten Popstars der späten 1980er und frühen 1990er Jahre. Er war Frontmann und Komponist der australischen Rockband INXS, die nicht nur in ihrem Heimatland Australien Superstars waren. Hutchence galt vor allem durch seine ausgelassenen Bühnenperformances, aber auch durch seine Beziehungen mit bekannten Stars und seine Drogengeschichten als Rampensau, Macho, Sex-Symbol, Charismatiker oder Medien-Liebling.
Der Band gelangen vor allem mit dem 1987er Album Kick weltweite Hits wie Never Tear Us Apart, Need You Tonight, Devil Inside, New Sensation oder Mystify. Daneben sorgten aber auch die Beziehungen zu der australischen Produzentin Michele Bennett, der australischen Sängerin Kylie Minogue, dem dänischen Supermodel Helena Christensen oder der englischen TV-Moderatorin Paula Yates für Schlagzeilen.
Regisseur und Drehbuchautor Richard Lowenstein war nicht nur über viele Jahre ein guter Freund von Michael Hutchence, sondern er hat auch als Regisseur mehr als 15 Musikvideos für INXS gedreht.
Lowenstein wollte zuerst ein Biopic über den Sänger drehen, hat sich dann aber zu einer Dokumentation entschlossen mit Aussagen von Zeitgenossen, Freunden und Familienangehörigen, mit Konzertausschnitten sowie Bildern aus dem Familienalbum.
Der Regisseur hat bereits 2011 begonnen erste Interviews zu führen. Eine der ersten Gespräche führte er mit Bono, dem Frontmann von U2, der nicht nur ein Freund von Hutchence war, sondern der auch schon mit Richard Lowenstein bei U2 Musikvideos zusammengearbeitet hat.
Außerdem konnte der Regisseur mit den alten Bandgliedern von INXS wie Andrew Ferriss (der auch mit Hutchence zusammen die Songs erstellt hatte), Tim Ferriss, Jon Ferriss, Garry Gary Beers und Kirk Pengilly aber auch mit den Band-Managern und Produzenten sprechen. Daneben konnte er auch Verwandte, Freunde und ehemalige Freundinnen für intime Interviews gewinnen, wie z.B. seine Geschwister Tina und Rhett, seine Stiefmutter Susie und ehemalige Freundinnen wie Michelle Bennett, die auch nach Ende der Beziehung eine lebenslange Freundin blieb, Kylie Minogue und Helena Christensen; von Paula Yates, die bereits 2000 gestorben ist, wurden auch alte Interviews und Filmausschnitte gezeigt.
Lowenstein hat dabei die Interviewten meist nur aus dem Off sprechen lassen. Er hat die Interviews, die teilweise auch Archivmaterialien waren, mit zahlreichen, bislang unveröffentlichten Aufnahmen aus diversen Privatarchiven unterlegt, incl. Bilder und auch Filmausschnitte aus Michaels doch etwas unkonventioneller Jugend, die ihn zusammen mit seiner Familie einige Jahre nach Hongkong verschlagen hat. Später hatte Michael Hutchence bei vielen seiner Reisen selbst eine Filmkamera dabei gehabt und so entstanden u.a. Videos über seine Beziehung zu Kylie Minogue.
Dabei zeigt die Dokumentation eine großartige Menge an Aufnahmen aus der Kindheit des Musikers, von einem Weihnachtsfest mit der gesamten Familie, von Urlauben mit Freunden und vor allem mit seinen berühmten Freundinnen. Die Streitereinen in der Familie (die u.a. dazu führten, dass Michaels Mutter zusammen mit ihm nach Hollywood abgehauen ist und den jüngeren Bruder Rhett einfach zusammen mit der Nanny am Flughafen stehen gelassen hat) wurde dabei nicht ausgelassen, aber auch nicht übermäßig ausgeweitet.
Wichtig war ganz sicher das Interview mit Helena Christensen, denn sie beschreibt einen unglücklichen Wendepunkt im Leben des Rockstars, der vorher von allen Bekannten als freundlichen, schüchternen, verträumten aber auch ehrgeizigen Menschen dargestellt wurde.
Bei einem tragischen Zwischenfall war Hutchence Weihnachten 1992 in Kopenhagen von einem Taxifahrer gestoßen worden. Er schlug so unglücklich mit dem Kopf auf den Randstein, dass er sich einen Schädelbruch zuzog, der aber nicht sofort erkannt wurde, auch weil Hutchence darauf bestand, das Krankenhaus sofort wieder zu verlassen. Erst später wurde festgestellt, dass er durch den Sturz seinen Geruchs- und Geschmackssinn eingebüßt hat. Das hat nicht nur zu psychischen Problemen geführt, sondern hat sicher auch dazu beigetragen, dass er immer wieder aggressiv und gereizt war, außerdem hat er angefangen verstärkt Drogen und Alkohol zu konsumieren. Letztendlich ist wohl auch seine Beziehung zu Helena Christensen an den Folgen des Sturzes und an seinem veränderten Verhalten zerbrochen.
Lowenstein berichtet auch von Hutchence letzter Beziehung zu Paula Yates, die damals noch mit Bob Geldorf verheiratet war und die danach in einen Krieg um das Aufenthaltsrecht der drei gemeinsamen Töchter verwickelt war. Michaels Schwester Tina meint im Interview, dass beide sich in ihren Problemen potenziert hätten, und dass Michaels 1996 geborene Tochter Tiger Lily das Beste der Beziehung gewesen sei.
Den Tod des Rockstars vermutlich durch Selbstmord am 22. November 1997 in einem Hotel in Sydney handelt der Regisseur gegen Ende des Film nur kurz ab, indem vor allem die bekannten Daten über Telefongespräche und Ähnliches nur schriftlich eingeblendet werden. Dadurch vermeidet es der Regisseur zu stark ins Melodramatische abzugleiten.
Neben den vielen persönlichen Aufnahmen und Interviews gab es auch Ausschnitte aus Hutchence Bühnenauftritten mit INXS. Leider wurden die Songs meist nur kurz angespielt, hier hätte man als Zuschauer gerne mehr gesehen. Dies führt dazu, dass der Zuschauer zwar dem Privatmann Michael Hutchence näher kommt, dass aber der Künstler doch etwas zu kurz kommt. Auch wenn es immer wieder Ausschnitte von Live-Auftritten zu sehen gab, sind die Szenen zu kurz, um das Phänomen "Michael Hutchence" als Künstler wirklich erkennen zu können, das ganz sicher nicht nur aus seinem guten Aussehen und seinen bekannten Freundinnen bestand.
Trotz aller Kritik ist "Mystify: Michael Hutchence" eine spannende Dokumentation. Der Film kommt der Person Michael Hutchence so nahe wie noch kein anderer Film zuvor, ohne den Sänger zu entmystifizieren. Der Mix aus Archivmaterial und privaten Aufnahmen von ihm selbst, von Freunden und der Familie zeigt einen Menschen mit vielen Facetten, lässt ihm aber glücklicherweise auch noch einige Geheimnisse. Ganz sicher hätte man als Zuschauer aber gerne mehr Songs bei den Bühnenauftritten von INXS ausgespielt gesehen.
Auch wenn INXS in Deutschland sicher nie so bekannt und erfolgreich war wie in ihrem heimischen Australien und Michael Hutchence für die jüngere Generation hier heute möglicherweise unbekannt ist, ist ein facettenreiches Porträt eines faszinierenden, widersprüchlichen und charmanten Mannes entstanden, der übrigens am 22. Januar 2020 60 Jahre alt geworden wäre, das ganz sicher nicht nur für (ehemalige) Fans der Gruppe sehenswert ist.
Foto: Michael Hutchence © Andrew de Groot / Happy Entertainment
Info:
Mystify: Michael Hutchence (Australien, Großbritannien 2019)
Originaltitel: Mystify: Michael Hutchence
Genre: Dokumentation. Musik
Filmlänge: 102 Min.
Drehbuch und Regie: Richard Lowenstein
Mit: Michael Hutchence
Interviews mit: Michele Bennett, Helena Christensen, Kylie Minogue, Bono, Tim Ferriss, Andrew Ferriss, Jon Ferriss, Garry Gary Beers, Kirk Pengilly, Tina Hutchence, Rhett Hutchence, Susie Hutchence u.v.a.
Verleih: Happy Entertainment
Vertrieb: 24 Bilder
FSK: ab 12 Jahren
Kinostart: 30.01.2020
