f kunst der Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 30. Januar 2020, Teil 24

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Wer erkennt sich nicht wieder, im vergeblichen Versuch, die Welt zu retten oder zumindest der näheren Umgebung beim Leben und Überleben behilflich zu sein. Wer kennt das nicht, das schnöde Zurückweisen derer, denen doch geholfen werden sollte – und die sich nun selber helfen oder auch nicht.

Doch, da gibt es viel Wiedererkennungswert und das Interessante ist, daß dies auf beiden Seiten so ist. Denn eine Menge Menschen schreien – ohne Worte zu äußern – nach Hilfe und weisen sie empört von sich, wenn sie ihnen angeboten oder aufgezwängt wird. Und um Zwang geht es den ganzen Film hindurch, den Zwang zu helfen oder den Zwang, Hilfsbedürftigkeit zu signalisieren wie auch den Zwang, jede Hilfe von sich zu weisen. Suchen Sie sich Ihre Rolle aus. Isabelle ( Agnès Jaoui )auf jeden Fall hat ihre Rolle gefunden, sie übt DIE KUNST DER NÄCHSTENLIEBE perfekt aus. Es ist leicht, über sie zu lachen, wenn sie überengagiert ihre Energie auch über denen ausschüttet, die sie gar nicht haben wollen – oder auch nicht benötigen.

Fangen wir mal mit ihren Tätigkeiten an. Da gibt es das Sozialzentrum, wo sie – ehrenamtlich, versteht sich – Asylantenkurse in Lesen und Schreiben anbietet. Aber natürlich müssen die Leute auch angezogen zum Bildungszentrum kommen und mehr als ein Ausgehkleid oder einen Ausgehanzug besitzen. Immer die schlabbrigen Hosen und die Kapuzendinger. Daß ihre Tochter dann über verschwundene Lieblingsstücke jammert, hört Isabelle nicht, weil sie schon beim nächsten Projekt ist. Auch ihre Ehe mit Ajdin (Tim Seyfi ) ist das Ergebnis eines Projekts. Sie hatte ihn im Krieg in Jugoslawien kennen, doch echt: lieben gelernt. Das geschah nicht aus Nächstenliebe, sondern aus Liebe. Womit wir schon mal eine Trennschärfe hergestellt haben.

Ach, das hätte auch eine böse Klamotte werden können, wo sich die ereifern, die ständig über die Gutmenschen lästern. Aber entweder gehen die überhaupt nicht ins Kino oder in andere Filme. Auf jeden Fall kann hier der normale Zuschauer ganz schön unterscheiden zwischen dem Zuviel und daß das Gegenteil nicht das Verzichten auf Wohlfahrt ist. Der Zuschauer merkt eben auch, daß hier nicht aus dem prallen Leben geschöpft wird, sondern eine Kunstfigur ein gutes Anliegen so übertreibt, daß es lächerlich und einengend wird, also das Gegenteil der beabsichtigten Wirkung.

Will sagen, der Film desavouiert eben nicht die Hilfsbereitschaft, die alle Zeiten nötig war und ausgeübt wurde, sondern macht sich nur lustig über die Auswüchse dessen, was in unserem Sprachgebrauch ja zu den hilflosen Helfern wurde.

Aber so leicht läßt sich Isabelle nicht die Butter vom Brot und den Wind aus den Segeln nehmen, denn sie hat – sicher bedingt durch eine positive Erziehung ihrer wohlhabenden Eltern, in deren geräumiger Oberschichtseigentumswohnung sie mit ihrer Familie und immer wieder mal auch Schutzbefohlenen lebt – einfach genug Energie, auch mit Schlappen umzugehen. Sicher rührt unsere trotz aller Übergriffigkeit positive Sicht auf Isabelle nicht nur in der Sicht auf uns selber, sondern wird durch die schon abartig sympathische Hauptdarstellerin einfach ins Gemüt gedrückt.

Es gibt sehr viel Schlimmeres, als von Isabelle bemuttert und beglückt zu werden, das sieht auch der widerspenstige Attila (Alvan Ivanoc) ein! Und Elke (Claire Sermonne), die Deutsche, die wir verschwiegen, auch.

Foto:
© Verleih

Info:
Besetzung
Isabelle         Agnès Jaoui
Attila             Alban Ivanov
Ajdin             Tim Seyfi
Elke              Claire Sermonne
Jacqueline   Michèle Moretti
Cyrano         Philippe Torreton

Stab
Regie           Gilles Legrand
Drehbuch    Léonore Confino, Gilles Legrand