Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 20. Februar 2020 Teil
Kirsten Liese
Berlin (Weltexpresso) - Ein wortkarger Fremder (Vinicio Marchioni) reist durch die italienische Schweiz. In Auto-Raststätten und Geschäften beobachtet er Personen, so dass man ihn für einen oder auch für einen Stalker halten könnte. Bisweilen überkommen ihn dabei seltsame Anfälle und ein bohrender Tinnitus. Ob es die im Titel verankerte Angst vor dem Verstreichen der Zeit – in der Fachsprache „Cronophobia“ genannt - ist, die ihn quält? Oder belastet Michael ein Vorfall aus der Vergangenheit?
Darauf deutet jedenfalls eine geheimnisvolle Verbindung zwischen ihm und einer Frau hin, die er auf seinen Reisen immer wieder beobachtet. Anna (Sabine Timoteo) leidet an Schlafstörungen, joggt oft nachts zu einer Bahnschranke und stößt vor einfahrenden Zügen Schreie aus. Ihr Trauma geht auf den Tod ihres Mannes zurück, mit dem Michael scheinbar etwas zu tun hat.
Als jedenfalls eines Abends ihre besorgten Eltern unerwünscht vor ihrer Wohnung auflaufen, schickt Anna sie fort und steigt zu Michael in das Wohnmobil. Sie kann besser schlafen, wenn er mit ihr ein paar Runden dreht. Und als sie eingeschlafen ist, steigt er heimlich in ihre Wohnung ein und studiert Fotos von ihr und ihrem Mann.
Unter Einsatz von Elementen des Thrillers gelingt dem Schweizer Francesco Rizzi in seinem Erstling eine geheimnisvolle Introduktion.
Doch so wie sich die Geschichte in ihrem weiteren Verlauf ereignislos dahinschleppt und weitgehend auf atmosphärische Zustände reduziert, verpufft die aufgebaute Spannung schnell. In welcher Beziehung Michael und Anna zueinander stehen, bleibt lange offen.
Überhaupt bleiben die Protagonisten weitgehend undurchschaubar in ihren Gedanken und Befindlichkeiten. Nur soviel erfährt man noch: Michael überprüft als Agent in höherem Auftrag die Ehrlichkeit von Mitarbeitern und wechselt seine Identitäten und Rollen, lässt sich beispielsweise in einem Juweliergeschäft als Gentleman beraten oder schlüpft für Anna in die Rolle ihres toten Mannes.
Seltsam auch, warum Rizzi den Krimi in sterilen, gesichtslosen, tristen Landschaften verortet. Die unterstreichen zwar die trübe Stimmung, zeigen aber das sonst so schöne Tessin von völlig ungewohnter grauer Seite.
Die Schauspieler sind noch das Beste, was der Film zu bieten hat, sie durchdringen ihre Figuren, soweit es das kryptische Drehbuch zulässt.
Aber Poesie entfaltet die auf der Stelle tretende Studie ebenso wenig wie Dramatik. Mithin wirkt auch ein zitiertes melancholisches Gedicht von Charles Bukowski nur wie die intellektuelle Zutat in einer spröden Stilübung.
Foto:
© Verleih