Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 5. März 2020, Teil 8
Hanswerner Kruse
Berlin (Weltexpresso) - Ein lebensgroßes Känguru namens Känguru klingelt einige Male an Marc-Uwes Wohnungstür, um alle Zutaten zum Backen eines Pfannkuchens auszuleihen und zieht schließlich ungefragt bei ihm ein.
So wie der Kult gewordene Episodenroman „Die Känguru-Chroniken“, beginnt auch der Film, der am 5. März in den Kinos anläuft. Die millionenfach verkauften Chroniken sind keine Blödelsammlung, sondern politisch-surreale Begebenheiten und Weltbetrachtungen, die vom Regisseur Dani Levy („Alles auf Zucker“) großartig cineastisch umgesetzt werden. Allerdings macht er aus dem Allerlei von Figuren, Orten und Ereignissen eine durchgehend groteske Geschichte. Allem Anschein nach spielt sie in der Wendezeit in Berlin-Kreuzberg. Aber bitte kein Gejammer - das Drehbuch entwickelte der Regisseur gemeinsam mit dem Autor der Chroniken Marc-Uwe Kling.
Das noch von Eingeborenen bewohnte, aber auch multikulturelle und hausbesetzte Kreuzberg, wird vom rechtspopulistischen Immobilienhai Dwigs (Henry Hübchen mit Föhnfrisur) und seiner skrupellosen Frau Jeanette (Bettina Lamprecht mit reichlich Schwangerbauch) plattgemacht. Beide finanzieren eine Nazi-Partei, deren Prügelbande die letzten Bewohner eines Altbaus, darunter Marc-Uwe (Dimitrij Schaad) und sein Beuteltier, drangsalieren. Dabei wird schon mal ein typisch Berliner Nacht-Einkaufsladen („Späti“) verwüstet oder aus Versehen Dwigs Porsche zu Schrott gehauen.
Das soziale Leben der Bewohner spielt sich meist in der Kneipe von Herta (Carmen-Maja Antoni) und einem türkischen „Späti“ ab. Wie selbstverständlich bewegt sich, ungezügelt und intellektuell zugleich, das Känguru zwischen ihnen. Mal spielt es das Haustier, mal einen findigen Rechtsanwalt, manchmal gibt es seinem Mitbewohner sogar Tipps, wie der die alleinerziehende Mari (Rosalie Thomass) becircen könnte. Nebenbei: Seine Eltern schenkten dem schüchternen Marc-Uwe zehn Psychoanalyse-Stunden, die er bei einem schrägen Wiener Psychiater absitzt. Aus machtgeiler Bosheit will Dwigs eines der letzten alten Häuser abreißen und darauf einen riesigen Turm bauen. Ohne allzu viel zu verraten kann man sagen, dass ihm das nicht gelingen wird, weil Mari fantastische digitale Kenntnisse besitzt.
Die filmische Umsetzung der Chroniken ist kein linksradikaler Politklamauk und schon gar keine, Burleske zum schenkelklopfenden Ablachen. Es ist eine liebevolle aber reichlich übertriebene Erzählung von denen da oben und den Menschen dort unten. Der Streifen präsentiert ein skurriles, jedoch eindeutiges Statement aller am Film Beteiligten gegen Dummheit, gnadenlose Gentrifizierung und völkische Gesinnung: Lächerlich machen als Erkenntnisprinzip!
Levi wollte einen politischen Film für ein breites Publikum, „Unterhaltungskino mit Substanz und Subversion.“ Für ihn sei das ein klarer Kontrapunkt in der Landschaft der Mainstreamfilme, ein ungehobelter, unerzogener Film gegen Nazis, Rechtspopulisten und die Zerstörung der Städte: „Für einmal wird kein gigantischer Weltuntergang abgewendet sondern nur ein Kreuzberger Haus gerettet und ein korrupter rechter Politiker gestoppt. Das ist in der heutigen Traumfabrik doch ein Anfang.“
Das Känguru
Es ist ja häufig so, dass Leser ein verfilmtes Buch ablehnen, weil ihnen die Figuren nicht gefallen. „Ich habe mir das Känguru anders vorgestellt“, werden nun manche nörgeln. Doch das echt wirkende Tier wurde aufwendig produziert: Schauspieler Volker Zack agierte in einem speziellen Anzug als Känguru und wurde im fertigen Film nach und nach zum haarigen Beuteltier digitalisiert; Buchautor Kling lieh dem Tier seine Stimme.
Foto:
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Info:
„Die Känguru-Chroniken“, D 2020, 93 Minuten, FSK ab 0 freigegeben
Regie Dani Levy mit Henry Hübchen, Bettina Lamprecht, Dimitrij Schaad und anderen.